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Fauststudio

Kinderlachen gehört zur Komposition

Scheer / Lesedauer: 3 min

Jan Wagner stellt im vollbesetzten Fauststudio sein Album „Nummern“ vor
Veröffentlicht:29.10.2018, 17:32

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Wer am Samstagabend kurz vor dem Beginn von Jan Wagners Konzert das Fauststudio in Scheer betrat, dem bot sich ein einfaches elegantes Szenario: Flügel, Synthesizer, Laptop – in warmes Licht getaucht. Die Klarheit dieses Bildes nahm die musikalischen Ereignisse programmatisch vorweg.

Jan Wagner nimmt Platz und verbindet die einzelnen Instrumente zu einem einzigen Großen wie aus einem Guss. Er spinnt Klangfäden, die einschweben und ausflattern über einem loopgrundierten Rhythmikgewebe. Die Atmosphäre im Fauststudio ist eingefärbt von moll-lastigen warmen Klangfarben und Tönen, bisweilen so leise, dass man sich fragt, ob man überhaupt noch leiser auf einem Flügel spielen kann.

Jan Wagner nimmt sich als aufführender Musiker vollkommen zurück. Selten ist sein Gesicht hinter den Haaren zu sehen, oft spielt er mit dem Rücken zum Publikum. So gibt er der Musik größtmöglichen Raum. Die Musik selbst ist von dieser Offenheit durchdrungen.

Melancholie oder Hoffnung?

Kein Text, kein sprechender Titel (die Stücke heißen schlicht „Nummern“, ergänzt durch eine Buchstabenzählung) schieben sich zwischen Klang und Zuhörer. So mögen die einen Melancholie und Düsternis hören, andere dagegen Ruhe oder festes hoffnungsvolles Voranschreiten. Anklänge an Debussy, Minimal music oder John Cage lassen sich ahnen. Das tiefste Erlebnis erhält jedoch, wer sich einfach den Flächen hingibt.

Die Lichtinstallation von Guust van Uden und Maarten Baan, die sich als Duo Optic Notion nennen, lässt die Farben und Lichtbrechungen tanzen wie ein freigelassenes Nordlicht, mal in Tai-Chi-Bewegungen, dann wie eine elektrisierte Qualle.

Es mag widersprüchlich klingen: Die Zuhörer des vollbesetzten Studioraumes sehen sich mit maximaler Intimität bei maximaler Offenheit konfrontiert: Sparsamkeit erzeugt kaum fassbaren Reichtum, Sichzurücknehmen führt zu Unverwechselbarkeit. Und musikalische Intuition und Emotion erscheinen präzise und virtuos.

Wie die Stücke einstanden sind, so trägt Jan Wagner sie vor. Von aktuellen Emotionen und Launen geleitet reiht und schichtet er Pattern und Module. Diese gewann er, Tagebuchnotizen ähnlich, aus spontan eingespielten Sequenzen, die er ebenfalls aus mannigfaltigsten Gefühlslagen heraus im Studio in Berlin aufnahm. Wenn dabei einmal das Fenster offenstand, gingen die Geräuschen, etwa spielende Kinder, mit in die Komposition ein und waren am Konzertabend zu vernehmen. Das Studio war also ebenso Instrument wie Möglichkeitsraum. Reduktion auf das Wesentliche ist eine hohe Kunst. Jan Wagner hat sein Premierenpublikum in klanggewordene Bescheidenheit in vollendeter Form eingetaucht.

Seit 2010 lebt der gebürtige Sigmaringer in Berlin. Der ausgebildete Toningenieur und Musikproduzent arbeitet aber auch seit zehn Jahren im Fauststudio. Um seine erste Platte mit dem Titel „Nummern“ dem Publikum vorzustellen, kam Jan Wagner also in seine regionale und künstlerische Heimat zurück.

Der Studiogründer und Mentor Hans-Joachim Irmler betonte in seiner Einleitung des Abends die Wichtigkeit solcher Veranstaltungen im Ländle. Er wird die begonnene Reihe fortsetzen. Da der Region im Fauststudio so derart hochkarätige Konzerte beschert werden, gibt es nur eines: Hans-Joachim Irmler und sein Team voll zu unterstützen.