StartseiteRegionalRegion SigmaringenOstrach„Das konnte doch kein Deutsch sein“: Flüchtlinge scheitern nach Deutschkurs am Schwäbischen

Deutschkurs

„Das konnte doch kein Deutsch sein“: Flüchtlinge scheitern nach Deutschkurs am Schwäbischen

Ostrach / Lesedauer: 4 min

Bei Deutschkursen für Flüchtlinge steht Deutsch, aber kein Schwäbisch auf dem Lehrplan
Veröffentlicht:22.10.2018, 15:06

Von:
Artikel teilen:

Die Freude über den bestandenen Deutsch-Kurs war schnell verflogen. Als der Syrer Bilal Taha nach Ostrach kam und mit den ersten Schwaben sprach, war er sich sicher: „Die haben mir im Kurs aus Versehen eine ganz andere Sprache beigebracht. Denn was ich in Ostrach hörte, das konnte doch kein Deutsch sein“, sagt er nun nach rund drei Jahren mit einem Schmunzeln.

Wie dem Syrer geht es auch vielen anderen Flüchtlingen und Asylbewerbern. Zwar bekommen sie Grammatik, Vokabeln und Schrift beigebracht, aber Dialekt steht auf keinem Lehrplan. In der Berufsschule und der Kfz-Werkstatt hatte der Syrer zunehmend Probleme mit der Sprache, suchte die Nähe zu anderen Ausländern, die ebenfalls Hochdeutsch sprachen.

Aber irgendwann traute er sich doch nachzufragen, wenn er etwas gar nicht verstand. „Es entstehen viele Missverständnisse mit dem Schwäbischen und die meisten sind hilfsbereit. Und wenn gar nichts hilft, dann muss man mir es aufschreiben“, sagt Taha. Denn das sei dann schließlich wieder echtes Hochdeutsch.

 Bilal Taha (von links), Modou Jallow und Ahmad Salem haben schon ihre Erfahrungen mit dem Schwäbischen gemacht.

In den Sprach- und Integrationskursen bekam auch der Gambier Modou Jallow immer eingebläut: Rede Hochdeutsch. Im Alltag bei seiner Arbeit im Straßenbau eines Zweckverbandes kommt er damit aber überhaupt nicht weiter. „Dort spricht kein einziger Kollege hochdeutsch. Also blieb mir gar nichts anderes übrig, als nun auch noch Schwäbisch zu lernen“, sagt Jallow.

Bei den Kollegen habe er willige Lehrer gefunden und vieles erklärt bekommen. Denn selbsterklärend sei der Dialekt für ihn keineswegs. Aussprüche wie „Bist Du gerichtet“ musste er erklärt bekommen. Und noch etwas hat er gelernt: „Ein Wort, das eigentlich positiv klingt, muss gar keine positive Bedeutung haben.

hörte, das konnte doch kein Deutsch sein

Der Syrer Bilal Taha

Zum Beispiel wenn jemand einen Schlaumeier nennt, ist das nicht unbedingt ein Kompliment.“ Wenn er nun angesprochen werde und im Dialekt antworte, dann fänden seine Mitmenschen das lustig. „In 20 Jahren spreche ich vielleicht auch nur noch Schwäbisch“, sagt Jallow schmunzelnd. Gelernt hat er Vieles über das Hören und wurde im Gespräch mit einem Kollegen stutzig. „Der sprach wieder etwas anders und erklärte mir dann, dass er aus Baden kommt. Aber noch ein Dialekt wäre mir nun zu viel“, sagt Jallow.

Ahmad Salem hat über seinen Beruf als Programmierer nach Ostrach gefunden, war zuvor unter anderem in Nordrhein-Westfalen. „Im Bewerbungsgespräch hat mein Chef extra hochdeutsch gesprochen. Als ich anschließend die Kollegen bei einem Probearbeiten kennengelernt habe, war das ein Schock für mich“, sagt Salem. Angefangen hat er trotzdem bei Uhltronix in Unterweiler und versucht sich an den Dialekt zu gewöhnen. „Ich will aber auch nicht ständig bei jedem Satz oder Wort nachfragen“, sagt Salem. Daher behilft er sich immer mal mit dem Internet. „So habe ich nach zehn Minuten Suche auch endlich verstanden was Heilandsack bedeutet“, verrät der Syrer.

Mit der Arbeit, wo es um eine technische Sprache mit klaren Vorgaben geht, hat er in Deutschland keine Probleme. „Das lässt sich alles lernen, aber den Dialekt werde ich niemals beherrschen“, ist der Syrer sich sicher. Viel lieber wolle er auch an seinem Deutsch arbeiten und dort noch besser werden. Im Alltag beobachte er, dass seine Sprachkenntnisse sich unterschiedlich entwickeln würden.

Während des Hörverständnis und die Aussprache schleppend vorangingen, klappe das Schreiben sehr gut. Aber manche Bezeichnungen in der Umgangssprache verwirren und sorgen immer mal für Missverständnisse. So kam neulich der Vater des Chefs ins Büro und wollte wissen wo der Stift sei. „Ich reichte ihm einen Kugelschreiber und habe dann erst nach ein wenig Gelächter der Kollegen gelernt, dass er eigentlich den Azubi gemeint hat“, sagt Salem.