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Kriegsende

Zeitzeuge Wunibald Leuze berichtet vom Kriegsende in Neufra

Neufra / Lesedauer: 4 min

Besondere Erinnerungen an die Besatzungszeit – Franzosen bringen die ersten Bananen in den Ort
Veröffentlicht:19.04.2020, 12:00

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Vor 75 Jahren, am 24. April 1945 um die Mittagszeit, war in Neufra der Zweite Weltkrieg zu Ende. Die französische Einheit kam nicht wie erwartet von Hechingen, sondern von Ebingen ins Dorf. Dem damals sechs Jahre alten Wunibald Leuze, der von 1959 bis 2003 im Rathaus gearbeitet hat, ist der Tag gut in Erinnerung geblieben.

Das Elternhaus von Wunibald Leuze stand direkt neben dem damaligen Rathaus in der Rathausstraße, die am Bahnhof in die B 32 mündet. Der Vater war einen Monat zuvor als Soldat bei der Bombardierung eines Munitionszugs in Karlsruhe gefallen. Im Elternhaus wohnten neben der Mutter, einer Tante und dem neunjährigen Bruder sechs Wehrmachtssoldaten, die mit anderen das erwartete französische Militär aufhalten sollten. Einer der Soldaten war sehr jung und kam aus Stetten unter Holstein. Die Mutter habe vergeblich versucht, diesen davon zu überzeugen, in Zivilkleidung ihres Mannes zu Fuß nach Hause zu gehen. Leuze erinnert sich, dass er dies strikt abgelehnt habe und lieber in Gefangenschaft gegangen sei. Später hätten die Jungen ihn dann wiedergesehen, als diese Männer als Gefangene über die Hauptstraße geführt wurden und die Einheimischen Zuber mit frischem Trinkwasser an die Straße gestellt hatten.

Der Tag blieb Leuze, der sich über diese Zeit öfter mit dem kürzlich verstorbenen Josef Rädle unterhalten hatte, wie ein Film im Gedächtnis: „Die Franzosen kamen am Fidelistag, wir saßen gerade beim Mittagessen, drei Soldaten saßen am Tisch, die anderen haben geschlafen und wir haben sie geweckt.“ Man habe die Panzer schon von weitem gehört. „Allerdings kamen sie aus Richtung Freudenweiler, dabei glaubte man mit einem großen 8,8-Geschütz die Franzosen von Hechingen her aufhalten zu können“, so Leuze. Alle zehn Bewohner des Hauses versteckten sich im Keller. Aber die beiden Brüder entwischten beim Näherkommen der Kettengeräusche, um die Panzer, die das Ende des Krieges ankündigten, sehen zu können: „Wir Buben hatten keine Angst und die Leute waren auch froh, dass der ganze Spuk endlich vorbei war.“ Sie standen an der Straße und winkten den Soldaten zu, erst sei ein Jeep und dann die Panzer gekommen: „Plötzlich sprang ein Soldat heraus und hat vorne an der Hauptstraße einen deutschen Soldaten erschossen.“ Dieser blieb dann aber der einzige Gefallene im Ort. Die Soldaten, die sich in seinem Elternhaus versteckt hatten, kamen wie die anderen mit erhobenen Händen heraus und mussten sich auf dem Platz beim Gasthaus Adler sammeln. Von dort kamen sie in Gefangenschaft. Die Mädchen und jungen Frauen versteckten sich in der ersten Zeit.

Schrecken und Tod eines Krieges waren spätestens beim Luftangriff eines Zuges der Hohenzollerischen Landesbahn am 10. September 1944 zwischen Burladingen und Gauselfingen ins Dorf gekommen. Zehn Personen wurden dabei erschossen. Diese stammten meist aus Gauselfingen und wurden dort aus dem Zug geholt. Die Lok mit dem Wagon fuhr danach über Neufra nach Gammertingen. Leuze weiß noch gut: „Wir sind natürlich gesprungen und wollten wissen, was da passiert ist und wenn man dann als Kind das Blut am Waggon sieht, vergisst man das nie wieder.“

Nach dem Einmarsch der Franzosen gab es für den Erstklässler und die anderen Schüler bis zum Herbst erst einmal schulfrei: „Und in der zweiten Klasse mussten wir dann Französisch lernen.“ Jedoch nur ein halbes Jahr, weil auch die Lehrer ihre Probleme damit gehabt hätten. So manches sei neu und spannend gewesen, erinnert sich Leuze: „Die meisten Franzosen waren Marokkaner, die Offiziere waren aus Südfrankreich und einer konnte ein wenig deutsch.“ Diese brachten zum Erstaunen der Kinder die ersten Bananen nach Neufra. „Wir wussten ja nicht, was das war und dass man sie erst schälen musste“, so Leuze. Er musste zwar ohne den Vater aufwachsen und zusammen mit seinem Bruder der Mutter in der kleinen Landwirtschaft mit vier Kühen helfen, aber an die Besatzungszeit blieben ihm keine schlechten Erinnerungen.