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Galeriegespräch

Galeriegespräch thematisiert Erinnerungskultur

Meßkirch / Lesedauer: 3 min

Deutsche und Franzosen sprechen über die Abgründe der deutsch-französischen Geschichte
Veröffentlicht:25.09.2018, 18:15

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In den Räumen der Kreisgalerie und zwischen der aktuellen Ausstellung „Wandlungen – Mutations, fotografische Erkundungen auf dem Hartmannsweilerkopf“ haben sich Deutsche und Franzosen getroffen, um über die Erinnerungskultur zu sprechen. Am Hartmannsweilerkopf starben im Ersten Weltkrieg rund 30 000 Soldaten. Im Beisein eines interessierten Publikums kamen in Meßkirch dazu sowohl persönliche als auch gesellschaftspolitische Ansätze zur Sprache.

Kreisarchivar Edwin Ernst Weber moderierte das Galeriegespräch zum Thema „gemeinsames Erinnern an die Abgründe der deutsch-französischen Geschichte“ mit dem französischen Bürgermeister Jean-Paul Welterlen aus Uffholtz, dem elsässischen Autor Martin Graff und dem Theologen Albrecht Knoch. Die Gesprächspartner kennen die jeweils andere Seite der Grenze und bemühen sich seit Jahren um Verständigung.

Weber begann mit der Frage: „Wie kann die gemeinsame und einzige Zukunft, die Europa hat, gelingen?“ Welterlen sieht einen wichtigen Ausgangspunkt genau dort, wo die Arbeit zwischen dem Kreis Sigmaringen und Uffholtz im Augenblick stattfindet: „Die konkrete Begegnung mit den Konfirmanden sowie dem Kreiskulturforum.“ Zukunft müsse aktiv gelebt werden. Er sprach das „übertriebene Gedächtnis und das übertriebene Vergessen“ von nationaler Seite an, das manchmal das Gegenteil bewirke. Auch für Graff ist der von Paul Ricoeur beschriebene „Missbrauch des Gedenkens und des Vergessens“ ein wichtiges Anliegen. Zudem hätten die Elsässer ein spezielles Problem mit dem eigenen französischen Land und den Deutschen: „Ich weiß heute noch nicht, an welchem Tag ich im Krieg vom Deutschen zum Franzosen wurde.“ Für Knoch ist der Sichtwechsel, bei dem bewusst von der anderen Seite aus auf das Eigene geschaut wird, wesentlich und er ergänzte: „Eine Grenze trennt auch nicht, sondern ist der Bereich, an dem wir zusammenkommen.“

Die Frage, so Weber, bleibe jedoch: „Wie erinnern wir richtig und was machen wir falsch?“ Für Welterlen ist es wichtig, den Nachfahren den Sinn für die Vermeidung von Krieg und die Erhaltung des Friedens mitzugeben. Man müsse ständig im Dialog bleiben. Graff veranschaulichte die schwierige Vergangenheitsbewältigung: „Wir Elsässer kennen unsere eigene Geschichte nicht.“ Der Autor, der auf Französisch und auf Deutsch schreibt und veröffentlicht, bedauerte zudem sehr, dass immer weniger die Sprache des Nachbarn sprechen: „Selbst wir schaffen es nicht, die Doppelkultur im Elsass zu leben.“ Eine Erklärung dafür ist für Knoch, dass diese Last für die Elsässer zu groß sei. Die beiden Weltkriege wirkten sich in beiden Ländern ganz unterschiedlich auf die Erinnerungskultur aus. Weber unterstrich, dass das Erinnern in der eigenen Region, im eigenen Ort, von Bedeutung ist. Genau das könne als Mahnung und Orientierung dienen und vor dem Missbrauch des falschen Erinnerns schützen. Einig waren sie sich, dass sowohl die Sprache des Nachbarlandes als auch der Umgang mit der Historie viel zu wenig bekannt ist. Wenn wir von „Invasion“ sprechen, so Knoch, meinen die Franzosen das Jahr 1940 und die Deutschen 1944.

Begegnungen, wie diese deutsch-französische, da waren sich Zuhörer und Diskussionsteilnehmer einig, können den europäischen Friedensgedanken stärken.