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„Für mich war Mengen mit einem großen Gewinn an Lebensqualität verbunden“

Mengen / Lesedauer: 4 min

Seit 40 Jahren ist Hans-Dieter Offner Polizist – In seiner Heimatstadt Mengen bereiten ihm Freunde und Bekannte kaum Arbeit
Veröffentlicht:02.02.2017, 11:02

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Weil ihm die Vorstellung vom Polizist als Freund und Helfer gut gefiel, hat Hans-Dieter Offner sich genau diesen Beruf ausgesucht. Nach 40 Jahren bereut der Polizeioberkommissar diese Entscheidung nicht, ist aber froh, dass er nicht mehr im Schichtdienst arbeiten muss. Jennifer Kuhlmann hat sich mit ihm darüber unterhalten, wie sich die Arbeit für Streifenpolizisten im Laufe der Zeit verändert hat und wie es ist, in der eigenen Heimatstadt Dienst zu schieben.

Herr Offner, was gefällt Ihnen heute noch genauso gut an Ihrem Beruf wie vor 40 Jahren?

Ich brauche den Kontakt zu Menschen. Nur am Schreibtisch zu sitzen oder eine Maschine zu bedienen, das wäre nichts für mich. Auch, wenn man schon so lange dabei ist, weiß man nie, was ein Tag bringt. Bevor ich 2012 nach Mengen gekommen bin, habe ich 28 Jahre im Schichtdienst in Sigmaringen gearbeitet. Als Streife sind wir immer zuerst vor Ort, egal um was es sich handelt. Wir sind sozusagen die Feuerwehr der Polizei .

Was waren da die spektakulärsten Fälle?

Mord, Selbsttötung, Schlägereien oder tödliche Unfälle. Überall ist man als Streifenpolizist als Erstes da und muss erst einmal die Lage einschätzen und entscheiden, wen man noch dazuholt. Bei Mord übernimmt dann sofort die Kriminalpolizei. Als junger Polizist muss man erst lernen, mit dem Anblick von Toten oder verheerenden Unfallorten umzugehen.

Kann man sich an so etwas überhaupt gewöhnen?

Nur bis zu einem gewissen Grad. Das Überbringen von Todesnachrichten an Familienangehörige ist für mich immer eine emotional schwierige Angelegenheit. Einer Mutter von drei kleinen Kindern zu sagen, dass ihr Mann bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, ist schrecklich. Oder wenn Eltern ihre Kinder verlieren. Die Reaktion der Angehörigen lässt sich nie vorhersagen. Heute werden die Polizisten für diese Arbeit psychologisch geschult und werden oft durch Notfallseelsorger begleitet. Früher war das noch nicht so. Aber ich kann ja auch schlecht sagen: Das mache ich nicht.

Was hat sich Ihrer Meinung im Streifendienst noch verändert?

Wir merken schon, dass es immer mehr Menschen am Respekt vor unserer Arbeit und unseren Personen fehlt. Vor allem im Spät- und Nachtdienst habe ich in Sigmaringen diese Erfahrung gemacht. Wenn Alkohol und Drogen im Spiel sind, fallen die Hemmungen und der Anstand. Die Kollegen müssen sich da einiges anhören und mitmachen. Das vermisse ich wirklich nicht.

In Mengen arbeiten Sie nur im Tagdienst?

Ja, genau. Ab dem Alter von 50 Jahren kann man in den Tagdienst versetzt werden, wenn sich freie Stellen ergeben. Ich bin seit 2012 hier in Mengen. Für mich war das mit einem großen Gewinn an Lebensqualität verbunden. Im Schichtdienst hatte ich kaum Zeit für meine Familie oder Freizeitaktivitäten im Verein. Das Privatleben bleibt da schon oft auf der Strecke. Jetzt habe ich Zeit, das Ehrenamt als Gemeinderat auszuüben und mit dem Bürgerwachchor regelmäßig zu singen.

Und die unangenehmen nächtlichen Einsätze bleiben Ihnen erspart?

Stimmt. Mit diesen Leuten habe ich höchstens am nächsten Tag zu tun, wenn sie zur Vernehmung kommen. Da sind die meisten schon wieder ganz anders drauf. Sie dürfen sich dann aber eine Standpauke anhören, was sich gehört und was nicht.

Ist es für Sie nicht schwierig, in Ihrer Heimatstadt als Polizist zu arbeiten?

Darüber habe ich mir vorher natürlich auch Gedanken gemacht. Es ist aber überhaupt kein Problem. Die Menschen aus meiner Familie oder mit denen ich befreundet oder gut bekannt bin, sind nicht diejenigen, die mir dienstliche Arbeit bereiten. Klar, nehme ich manchmal Unfälle von Leuten auf, die ich kenne. Aber die sind vielleicht sogar froh drüber, dass ich dann komme und kein anderer.

Wie schätzen Sie die Situation in Mengen ein?

Hier gibt es dieselben Vorfälle wie in anderen Städten. Ich hatte gehofft, dass die Polizeireform uns mehr Möglichkeiten bringt, Präsenz in der Stadt zu zeigen. Bei einer Fußstreife trifft man auf viele Leute und kommt ganz anders ins Gespräch als wenn man immer nur direkt zum Einsatzort fährt, weil etwas passiert ist.