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Muskelkater

„Am Anfang gab es Muskelkater“

Rulfingen / Lesedauer: 3 min

Steinbildhauerin Yvonne Grosch gehört zu den drei besten Gesellen im Landkreis
Veröffentlicht:02.10.2014, 09:50

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Der Käfer liegt auf dem Rücken. Beine zum Strampeln hat er nicht. Dafür sieht es so aus, als würde sich ein menschlicher Oberkörper aus dem Panzer befreien. Oder darin verschwinden. „Metamorphose“ hat Yvonne Grosch ihr Gesellenstück genannt und dabei Gregor Samsa vor Augen gehabt, der sich in der Erzählung „Die Verwandlung“ von Franz Kafka über Nacht in ein Ungeziefer verwandelt hat. 52 Stunden hat sie an ihrem Käfer gearbeitet. Mit Erfolg: Am Samstag wurde der 22-Jährigen ihr Gesellenbrief als Steinmetz und Steinbildhauerin überreicht. Im Kreis Sigmaringen hat sie von insgesamt 140 Auszubildenden in einem Handwerksberuf mit einem Notendurchschnitt von 1,4 den drittbesten Abschluss gemacht.

Nach dem Abitur am HZG in Sigmaringen sei ihr sofort klar gewesen, dass sie nicht studieren wollte. „Ich habe schon immer gern gebastelt und konnte mir etwas Handwerkliches gut vorstellen“, sagt sie. „Aber Schreiner oder Steinmetz, da konnte ich mich nicht entscheiden.“ Christoph Stauß aus Rulfingen hat also Glück gehabt, dass Yvonne Grosch zuerst ein Praktikum in seinem Betrieb gemacht hat, um den Alltag eines Steinmetzes und Steinbildhauers kennenzulernen. „Als ich gemerkt habe, dass es mir gefällt, wollte ich beim Schreiner gar kein Praktikum mehr machen“, erinnert sie sich. Schnell hatte sie den Ausbildungsvertrag in der Tasche.

Typischer Männerberuf

„Ich habe wirklich gute Erfahrungen mit Frauen als Lehrlingen gemacht“, sagt Steinmetz- und Bildhauermeister Christoph Stauß. Ihm komme es so vor, als würden sich die Frauen, die sich bewusst für diesen typischen Männerberuf entschieden hätten, sich richtig durchbeißen. So ist es auch bei Yvonne Grosch gewesen. „Am Anfang hatte ich oft Muskelkater und konnte kaum einen Sack Mörtel tragen“, sagt sie. „Aber das kann man sich bis zu einem gewissen Grad antrainieren.“ Wenn etwas zu schwer sei, müsse eben eine Maschine ran oder jemand mit mehr Kraft auf der Baustelle um Hilfe gebeten werden. Talent für die Steinbearbeitung und räumliches Sehen braucht ein Steinmetzlehrling aber in jedem Fall.

Yvonne Grosch schätzt an ihrem Beruf die Abwechslung. Alle paar Tage geht es auf eine andere Baustelle oder es kommen Aufträge für Grabsteine herein. „Da arbeite ich alles nach Vorgabe weg.“ Ihre Kreativität muss sie sich dann für die Zeit nach Feierabend aufsparen. Da seien aus Abfallprodukten schon einige Geschenke für Freunde entstanden. „Natürlich ziehe ich Restaurationarbeiten dem Bodenverlegen auf einer Baustelle vor“, sagt sie. „Gemacht werden muss aber trotzdem alles.“

Auch wenn Christoph Stauß sie weiterhin gern im Betrieb gehalten hätte, Yvonne Grosch zieht es in die Ferne. „Ich will noch so viel von der Welt sehen.“ In Januar will sie zu einer Reise nach Indien, Kuba und Australien aufbrechen. „Ich will unterwegs arbeiten und erst zurückkommen, wenn mir das Geld ausgeht.“ Existenzängste, so etwas kennt Yvonne Grosch nicht.