StartseiteRegionalOberschwabenBergatreuteKünstler liefern sich einen barocken Wettstreit

Dichterwettstreit

Künstler liefern sich einen barocken Wettstreit

Kreenheinstetten / Lesedauer: 4 min

In der Traube erinnern kraftvolle Texte an Abraham a Sancta Clara
Veröffentlicht:04.07.2016, 18:45

Artikel teilen:

Zu Ehren des fulminanten Predigers Abraham a Santa Clara hat ein geistreicher Prediger- und Dichterwettstreit im Gasthaus Traube, seiner Heimat, stattgefunden. In drei Runden wurden Texte vorgetragen, die in Atem hielten. Den Veranstaltern – das Oberschwäbische Barockzentrum und die Gedenkstätte Abraham a Santa Clara – ist eine tolle Form der Erinnerung und des Gedenkens gelungen: Mit dem Barock-Slam haben sie den 372. Geburtstag des Hofpredigers gefeiert. Selten war eine Geburtstagsfeier so unterhaltsam und so originell. Die Wirtsleute mussten zusätzliche Stühle herbeitragen, damit jeder Platz fand. Moderator Bernhard Bitterwolf und führte das Publikum durch den Nachmittag.

Er erinnerte, dass die Predigten des Abraham a Santa Clara voller barocker Wucht und drastischer Formulierungen waren. Er nannte die Dinge bei Namen und scheute sich nicht, seine Zeitgenossen schonungslos zu kritisieren. Sein Lieblingsthema waren unter anderem der Ehestand, die Hoffart der Frauen, die Geld- und Geltungsgier. Moderator Bitterwolf gab eine Kostprobe davon, die das Publikum sehr erheiterte. Auch Berta Rudolf, Leiterin der Gedenkstätte, trug einen gereimten Bericht über Abrahams hohe Predigerkunst vor. Dann ging es los, in drei Runden traten Texter zu Ehren des barocken Predigers auf.

In der ersten Runde wurden Originalpredigen vorgetragen. Das Publikum hatte durch Beifall kundzutun, wie es ihm gefallen hatte und Bitterwolf hatte extra eine App geladen, um diesen Beifall objektiv zu messen. Der Saulgauer Michael Skupin trug eine phänomenale Predigt über den Ehestand und das Geld vor. Lebhaft, leidenschaftlich und pointiert ging er vor, mit kraftvoller Stimme und voller Ausschöpfung der rhetorischen Figuren. Jubelnder Applaus wurde ihm zuteil. Dann trat Raimund Kolb auf und hatte eine Predigt, in der Abraham über das Alter und den alten Menschen sprach, ausgewählt. „Das passt auf fast alle hier im Saal“, sagte er, was ihm den entrüsteten Protest des Publikums eintrug. Der objektiv gemessene Applaus war um einen Punkt höher, also bekam er den ersten Preis: eine Übernachtung für zwei Personen in der Saulgauer Kleberpost.

In der zweiten Runde trugen die Künstler eigene Texte vor. Im Publikum saß die nach dem Zufallsprinzip zusammengestellte Jury. Bitterwolf führte die zweite Runde mit schwäbischen Zungenbrechern ein.

Barocke Gruselgeschichten

Paul Sägmüller aus Bergatreute sprach über die Nottaufe von todgeborenen Kindern und erzählte mittelalterliche und barocke Gruselgeschichten. Aus Tettnang war Erika Walter gekommen: Sie las Perlen des schwäbischen Ausdrucks und Gemüts vor. Wie bittet eine schwäbische Frau ihren Mann, den Rasen zu mähen: „Ma mäh“, sagte Walter. Raimund Kolb trug eine Gesellschaftskritik ganz im Sinne Abrahams vor und warf den Bürohengsten der Stuttgarter Ministerien vor, den ländlichen Raum zu benachteiligen. Brillant und auswendig rezitierte Dietmar Wielgosch aus Kaufbeuren eine gereimte Fassung des Märchens der Prinzessin auf der Erbse. Michael Skupin trug den Sieg davon: Er hatte eine scharfsinnige und tiefgründige Predigt über die ernsten Fragen der Kinder und die rückständigen Erziehungsmethoden komponiert und trug sie wortgewaltig und gewitzt vor. Er bekam dafür den Gutschein für eine Übernachtung für zwei Personen in der Kleberpost.

In der dritten Runde trugen Karina und Michael Barczyk eine Kontroverspredigt vor. In der Gegenreformation war es nicht selten, dass in den Kirchen ein katholischer Priester und einen evangelischen Pastor in einer Predigt gegeneinander antraten, um im Schlagabtausch theologische Argumente vorzutragen. Natürlich kam kein echter Pastor auf die Kanzel, sondern ein verkleideter katholischer Priester oder Chorherr. Die katholische Kirche hatte sich diese Art von Schau einfallen lassen, um das fromme Volk, das in Scharen zu solchen Spektakeln kam, zu halten. Karina und Michael Barczyk lieferten sich eine eindrucksvolle Schlacht: Die wunderbare Wirkung des Rosenkranzes als Säbel der Muttergottes wurde gegen die Kraft des Bibelwortes aufgeboten. Das Publikum war total begeistert. Die Kontrahenten bekamen ebenfalls den Gutschein für eine Übernachtung in der Kleberpost.