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Der Traum von der „ganz normalen Arbeit“

Krauchenwies / Lesedauer: 3 min

Der Columbus Verlag beschäftigt zwei junge Männer mit Lernbehinderung
Veröffentlicht:13.04.2015, 18:29

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Miki Hudu und Recep Aksoy stehen an einer Werkbank. Für den Globus-Hersteller Columbus Verlag in Krauchenwies setzen sie Globen zusammen, schmirgeln und schrauben. Es könnte ein alltägliches Bild aus einem beliebigen Handwerksbetrieb sein. Doch Recep und Miki sind lernbehindert und ehemalige Förderschüler. Dass sie dennoch einen Job gefunden haben – Recep sogar unbefristet – ist für beide eine „tolle Chance“.

„Dass ich anders bin, ist mir schon in der dritten Klasse aufgefallen“, sagt Miki. „Mir fällt es schwer, Sachen zu behalten“ so der 24-Jährige. Auch Recep arbeitet langsamer, als es viele Arbeitgeber tolerieren würden; zudem hapert es mit der Fingerfertigkeit. Miki wurde während seiner Ausbildung zum Maler und Lackierer klar: In diesem Beruf würde er nicht arbeiten können. Zu groß sind seine Wissenslücken, zu hoch die Anforderungen. Recep schlug sich mit verschiedenen Jobs durch. Beide kamen zur „Maßnahme unterstützte Beschäftigung“ der Arbeitsagentur, ein integratives Programm für Menschen mit Behinderung. Über einen Job-Coach wurden die beiden an den Columbus Verlag vermittelt. Recep nahm seine Arbeit im Oktober auf, Miki folgte im Januar. Geschäftsführer Torsten Oestergaard war zunächst skeptisch, ließ sich aber auf das Experiment ein – und wurde nicht enttäuscht. „Die beiden sind pünktlich und erledigen ihre Aufgaben gewissenhaft“, lobt der Geschäftsführer. „Die Lernbehinderung könnte man auch einfach als Persönlichkeit auslegen“, so der 49-Jährige. Recep rede nicht viel, aber das sei ja auch Charaktersache. Oestergaard wollte Recep nach seinem Betriebspraktikum nicht wieder auf den hart umkämpften Arbeitsmarkt schicken und schuf kurzerhand einen Arbeitsplatz. Auch Miki soll unbefristet übernommen werden. Der Columbus Verlag schuf eigens eine Produktionsstraße mit dem Namen „Expedition Erde“ für die beiden 24-Jährigen: Hier können sie nach ihrem Tempo arbeiten. Das Produkt wurde auf die Fähigkeiten der beiden zugeschnitten. Dank eines elektronischen Stiftes, der Informationen über die einzelen Länder bereitstellt, verfügt der Globus für den Käufer über eine hohe Attraktivität, bei verhältnismäßig geringem Herstellungsaufwand. Die Globen werden später über den Internethändler Amazon verkauft.

„Viele Leute haben mir gesagt, ich werde nie etwas erreichen, aber dann schaue ich mich um und denke: Sehr wohl, das ist eine richtige, normale Arbeit“, sagt Miki stolz.

Zur Not müssen die anderen Mitarbeiter helfen

Der firmeninterne Betreuer Uli Dautermann kennt die Leistungsgrenzen seiner Schützlinge und hat vorgesorgt: An den Wänden hängen Anleitungen für die einzelnen Arbeitsschritte und Hinweise, um potentielle Fehler zu vermeiden. Momentan produzieren Miki und Recep Globen für einen amerikanischen Abnehmer – 1000 Stück sind gefordert, erst 250 sind fertig. „Zur Not müssen eben die anderen Mitarbeiter unter die Arme greifen“, sagt Torsten Oestergaard gelassen. Wirtschaftlichkeit steht in Mikis und Receps Prouktionsstraße nicht im Vordergrund. „Wir sagen den beiden immer: Wir sind bei euch, bis ihr schwimmen könnt“, sagt Oestergaard. Ein von der Decke baumelndes Paar Schwimmflügel soll Miki und Recept täglich daran erinnern und motivieren.