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Ich angel’ mir einen neuen Freund

Illmensee / Lesedauer: 4 min

Ich angel’ mir einen neuen Freund
Veröffentlicht:23.09.2016, 15:02

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Die Sonne glänzt auf der Wasseroberfläche, die Aussicht am gleicht einem Postkartenmotiv: Die Voraussetzungen für meine Premiere beim Angeln könnten kaum besser sein. Das Gleiche gilt für meinen Lehrer: Ludwig Lehmann , ehemaliger Vorsitzender des Angelvereins Illmensee , kennt sich schon seit Jahrzehnten mit dem Sport aus – und räumt in den gemeinsamen drei Stunden gleich mal mit einigen Klischees auf.

Vorsichtig steige ich zu Ludwig Lehmann ins wacklige Ruderboot. An den Geruch von Mais gemischt mit eingeweichtem Brot und Haferflocken gewöhne ich mich schnell. Sobald ich sicher im Boot sitze, frage ich, ob ich selbst rudern darf. Nach den ersten Zügen durchs Wasser habe ich den Dreh raus.

Weiter weg vom Ufer beginnt Lehmann damit, mich in die Angelausrüstung einzuweisen: „Bei einer Angel mit sogenanntem Schwimmer ist es besonders leicht zu erkennen, wenn ein Fisch zuschnappt“, sagt der 66-Jährige. „Dann bewegt sich der Schwimmer und wird unter die Wasseroberfläche gezogen.“ Die richtige Technik beginnt beim Aufspießen des Köders auf den Haken: Dabei ist es ideal, den Mais längs auf den Haken aufzubringen. Nicht zu tief und nicht zu weit oben sollte er sitzen.

Handgriffe zum Staunen

Mit ein paar geübten Handgriffen zeigt mir Ludwig Lehmann, wie die Angel ausgeworfen wird: Einen halben Meter unter der Rutenspitze baumelt der Schwimmer. Das Seil wird mit einem Finger an der Route festgehalten. Der Bügel, der das Steil stoppt, wird geöffnet. Die Rute wird mit Schwung von hinten nach vorne gezogen und der Finger lässt das Seil los, damit es sich entkurbeln kann. Weit fliegt Lehmanns Köder in den See hinaus – locker aus dem Handgelenk. Ich staune.

„Das ist nicht schwer. Sie müssen nur den richtigen Zeitpunkt erwischen, in dem Sie das Seil loslassen. Mit der Übung kommt das Gefühl“, sagt mein Angellehrer. Szenen von Pannenvideos, bei denen der Haken während des Auswurfs am eigenen Oberteil hängen bleibt, huschen mir durch den Kopf. Als ich die Angel in meinen Händen halte, weiß ich nicht so recht, wohin damit. „Rechtshänder haben die rechte Hand meist vorne, wo man auch das Seil mit dem Finger festklemmt. Die linke kommt an den unteren Griff.“

Fische sind schlau

Dann werfe ich meinen ersten Köder aus – ohne Panne, jedoch viel zu nah am Boot. Nach dem dritten Anlauf klappt es: Der Köder fliegt in weitem Bogen rund fünf Meter entfernt ins Wasser und sinkt in die Tiefe. Das Erfolgsgefühl breitet sich in meinem Gesicht in Form eines breiten Lächelns aus. Am liebsten würde ich das nochmal machen, aber jetzt muss ich erst einmal warten. Angeln ist nichts für unruhige Menschen.

„Viele Leute haben nicht die Fähigkeit, minutenlang zu beobachten, ob der Schwimmer anfängt zu wackeln“, sagt Ludwig Lehmann. Für das Angeln müsse man sich Zeit nehmen. „An manchen Tagen fängt man sechs Fische in einer Stunde, an anderen kommt es vor, dass man vier Stunden lang nichts fängt.“

Schnell bemerke ich: Fische sind schlau. An Luftbläschen, die an die Wasseroberfläche kommen, erkenne ich, wo die Fische sind. Nahe der Angelruten werfen wir öfter Futter ins Wasser, nur leider beißt kein Fisch in den Köder. „Wenn man eine Strategie ein Jahr lang anwendet, lernen die Fische aus Fehlern anderer und beißen nicht an. Dann muss der Angler auf andere Art und Weise versuchen, die Fische anzulocken“, sagt der Profi.

Klischees über Bord geworfen

Auch ein Standortwechsel und weitere Auswürfe bringen keinen Erfolg. Das Plätschern des Wassers gegen unser Boot passt zur Postkartenidylle. Ein Blässhuhn, Ludwig Lehmanns ständiger Begleiter auf dem Wasser, schwimmt neben uns. Beißt kein Fisch an, weil Lehmann und ich uns so viel unterhalten? Der Experte schüttelt den Kopf. Das, sagt er, sei nur ein Klischee. Meist locke Unruhe große Fische sogar an, da die kleinen Fischschwärme ausschwärmen.

Auch das Klischee, dass Angler die meiste Zeit stumm auf ihren Schwimmer blicken, bestätigt sich nicht: Ludwig Lehmann ist gesellig, offen, zuvorkommend und hilfsbereit. Seit er in Illmensee wohnt, angelt er, so oft es geht: Seit dem Ruhestand besucht er vier- bis fünfmal pro Woche den See.

Die drei Stunden, die ich mir fürs Angeln genommen habe, gehen erstaunlich schnell vorüber. Ich habe viel gelernt – und den Eindruck gewonnen, dass kaum jemand die Natur so liebt wie ein Angler. Vielleicht komme ich schon bald zurück. Denn auch wenn beim ersten Versuch kein Fisch angebissen hat: Mit dem Blässhuhn habe ich mir zumindest einen neuen Freund geangelt.