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Ausgewandert: Ölkofenerin lebt auf Sardinien

Hohentengen / Lesedauer: 6 min

Anja Kugler lebt seit acht Jahren dort, wo andere Urlaub machen: auf der italienischen Insel Sardinien. Mit ihrem Mann Samuel Caboni betreibt sie einen Hof in biologisch-dynamischer Landwirtschaft ...
Veröffentlicht:29.03.2018, 17:58

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Vom Wohnzimmer aus kann Anja Kugler das Meer sehen, in die andere Richtung liegen die Berge. Seit acht Jahren lebt die 36-Jährige, die in Ölkofen aufgewachsen ist, mit ihrer Familie dort, wo andere Urlaub machen: auf der italienischen Insel Sardinien. Mit ihrem Mann Samuel Caboni betreibt sie einen Hof in biologisch-dynamischer Landwirtschaft und ein kleines Restaurant. „Ich habe immer schon davon geträumt, in einem anderen Land zu leben“, sagt sie. „Als Samuel sagte, dass er auf jeden Fall zurück nach Italien will, dachte ich nur: Einwandfrei, ich komme mit!“

Auf einem Hof im Schwarzwald getroffen

Kennengelernt haben sich die beiden als Arbeitskollegen auf einem Hof im Schwarzwald. Anja Kugler war dort als Gärtnerin im Gemüseanbau tätig, Samuel Caboni absolvierte eine Ausbildung als Landwirt. „Samuels Mutter ist deutsch und deshalb hatte er von ihr vom Ausbildungssystem in Deutschland und dem technischen Standard gehört“, sagt Kugler. Weil schon früh klar gewesen sei, dass Caboni die Landwirtschaft seiner Eltern auf Sardinien übernehmen würde, habe er sich für die Ausbildung in Deutschland entschieden.

„Ich wollte immer einmal reisen und mir mein Plätzchen suchen in der Welt“, sagt Anja Kugler. Auf dem Hof ihrer Schwiegereltern in dem kleinen Dorf Masainas, etwa fünf Kilometer vom Meer entfernt, hat sie es gefunden. „Hier können wir so leben, wie wir es uns für uns und unsere Kinder wünschen“, sagt sie. Kein Chef rede ihnen in ihre Angelegenheiten hinein, da mache es ihr auch nichts aus, dass die Arbeit viel und der Alltag anstrengend sei. „Es ist ein schwieriger Weg, den wir gehen, aber es ist unser eigener“, sagt sie und klingt dabei am Telefon sehr zufrieden.

20 Hektar für Gemüseanbau und Kühe

20 Hektar bewirtschaftet das Paar, auf sechs davon wird Gemüse angebaut. Die Familie besitzt Milchkühe, aus deren Milch Joghurt und Mozzarella hergestellt werden, und Tiere, deren Fleisch sie vermarktet. Als biologisch-dynamische Landwirte legen Anja Kugler und ihr Mann wert darauf, dass keine chemischen Pflanzenschutz- oder Düngemittel verwendet werden. „Wir bauen das Futter für unsere Tiere selbst an und möchten einen möglichst geschlossenen eigenen Kreislauf erreichen“, sagt sie. Ihre Familie ernährt sich hauptsächlich von den eigenen Produkten, kauft höchstens einmal Nudeln oder Brot hinzu.

Restaurant für Touristen

Unterstützt durch Subventionen vom Staat haben die beiden vor zwei Jahren ein Restaurantgebäude ganz aus Holz und Stroh gebaut. Unter dem Titel „Agriturismo“ können Gäste aus dem Dorf oder Touristen dort Gerichte essen, deren Zutaten fast ausschließlich vom Hof stammen. „Seitdem haben wir die Arbeitsteilung, dass ich mich um das Restaurant kümmere und mein Mann um die Landwirtschaft.“ Anja Kugler steht im Sommer jeden Tag in der Küche, ihre Schwiegermutter übernimmt den Service. „Im Winter ist hier nichts los, da haben wir nur am Wochenende geöffnet“, sagt sie.

Die Eltern haben Gastronomie in der Heimat

Dass ihre Tochter in Italien auch gastronomisch unterwegs ist, wird für Steffi und Siegfried Kugler nur ein schwacher Trost sein. Die beiden betreiben seit Jahrzehnten das Gasthaus Pfauen in Ölkofen und mussten sich mit dem Gedanken anfreunden, dass Anja Kugler das Gasthaus nicht übernehmen würde. „Ich glaube, sie leiden immer noch darunter, dass wir uns nur zweimal im Jahr sehen“, sagt sie. Einmal kommen die Eltern nach Sardinien, einmal fährt Anja Kugler mit den beiden Söhnen Manolo (10) und Aurelio (8) nach Ölkofen. Eineinhalb Tage muss sie für die Reise einplanen, eine Nacht auf der Fähre muss eingerechnet werden. „Das ist ja auch nicht günstig, da kann man nicht einfach für ein Wochenende zu Besuch kommen.“ Ihr Mann Samuel Caboni könne den Betrieb nicht allein lassen. „Der macht einfach keinen Urlaub“, sagt Kugler.

Beim Arbeiten nicht nur ans Geldverdienen denken

Sie ist ihren Eltern sehr dankbar, denn schon bei ihnen hätte sie definitiv gelernt, auch ein großes Arbeitspensum zu bewältigen, sagt sie. „Meine Mutter war im Gasthaus, mein Vater hatte eine Landwirtschaft und hat geschlachtet. Da war immer viel zu tun, wie jetzt bei uns.“ Aber im Prinzip mache ihr das gar nicht viel aus. „Wir denken nicht wie Arbeitnehmer, die die Stunden zählen“, sagt sie. „Vielmehr ist die Arbeit mein Leben und sie macht mir Spaß. Ich denke nicht nur ans Geldverdienen, sondern habe da einen anderen Ansatz.“

Kinder werden zuhause unterrichtet

Zu dem gehört auch, dass ihre beiden Söhne bis zum Ende der Grundschulzeit, die in Italien fünf Jahre beträgt, zuhause unterrichtet werden. Das zu beantragen sei in Italien recht unkompliziert. Den Unterricht, an dem auch noch zwei Kinder aus dem Dorf teilnehmen, übernimmt die Mutter von Samuel Caboni. Die ist in Deutschland nämlich Waldorflehrerin gewesen und freut sich, ihren Enkeln etwas beibringen zu können. Der Schulunterricht findet am Nachmittag statt.

Morgens kommen zehn Kinder aus dem Dorf zu einer Kindergartenbetreuung auf den Hof, die ebenfalls von Kuglers Schwiegermutter organisiert wird. „Die Kinder lernen viel über die Landwirtschaft, füttern die Tiere, malen und spielen und mittags koche ich für sie“, sagt Kugler. Bei ihrem größeren Sohn merke sie aber, dass er sich auf die Schule und den Kontakt zu anderen gleichaltrigen Jungen freue. „Den hat er im Moment nur beim Fußballtraining und wir freuen uns darüber, dass es ihm so viel Spaß macht.“

Die Bürokratie ist schwieriger

Neben dem Schulsystem ist die italienische Bürokratie etwas, dass die Familie immer wieder an Grenzen stoßen lasse. „In den Behörden kennen sich die Mitarbeiter nicht mit den gesetzlichen Regelungen aus und mein Mann muss ganz schön kämpfen und Energie investieren, wenn es um bestimmte Projekte geht“, sagt Anja Kugler. So sei es ihnen bislang nicht gelungen, die eigenen Milchprodukte auch an gewerbliche Kunden zu verkaufen. „Dafür müssen wir jetzt eine extra Käserei aufmachen“, sagt sie. „Das ist ärgerlich, weil wir zuerst in andere Wege investiert hatten.“

Ein großer Wunsch von Anja Kugler und Samuel Caboni ist es, einen zum Verkauf stehenden alten Hof mit rund 22 Hektar zu kaufen. „Momentan haben wir bis auf wenige Hektar alles gepachtet“, sagt Anja Kugler. Und weil die Pachtverträge meist nur für ein oder zwei Jahre angelegt seien, schwinge immer das Risiko mit, die Flächen verlieren zu können. „Und bei unserer biologisch-dynamischen Methode dauert es ja auch eine Weile, bis die Böden so eine Qualität haben, dass wir dort etwas anbauen können.“

Viel Freizeit hat Anja Kugler nicht. „Aber mir gefällt das so. Wenn wir einen Tag Auszeit brauchen, gehen wir alle zusammen in die Berge. Dort kann man sich toll erholen.“