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„Ortsteile und Hauptort stärker verbinden“

Guggenhausen / Lesedauer: 6 min

Jochen Currle, Bürgermeister von Guggenhausen, über aktuelle Projekte und Ideen für die Zukunft
Veröffentlicht:18.05.2017, 19:26

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Jochen Currle ist seit 100 Tagen ehrenamtlicher Bürgermeister von Guggenhausen. Mit rund 200 Einwohnern ist die Gemeinde die kleinste im Landkreis Ravensburg. SZ-Redakteurin Barbara Baur hat sich mit ihm über seinen Einstand und laufende Projekte unterhalten, aber auch über die Herausforderungen, vor denen kleine Gemeinden im ländlichen Raum stehen.

Herr Currle, wie sind Sie als Bürgermeister in Guggenhausen aufgenommen worden?

Wie die Bevölkerung mich aufgenommen hat, habe ich als positiv erlebt. Ich habe viel Wohlwollen erfahren und viele Menschen haben mir ihre Unterstützungsbereitschaft signalisiert. Auch die Zusammenarbeit mit dem Gemeindeverwaltungsverband Altshausen funktioniert gut und das Verhältnis ist kollegial. Die Mitarbeiter nehmen sich die Zeit, die ich brauche, denn ich muss noch einige Verwaltungsabläufe lernen. Die Themen, mit denen ich als Bürgermeister zu tun habe, sind ja sehr vielfältig. Sie reichen von der Bauleitplanung bis zur Flüchtlingsunterbringung und vom Haushalt hin zum Straßenbau.

Was war das Erste, das Sie als Bürgermeister gemacht haben?

Wir haben in Egg einen Feuerlöschtank angelegt. Dabei war die Suche nach einem geeigneten Platz gar nicht so einfach, denn der Tank fasst 50 000 Liter und ist dementsprechend groß. Inzwischen ist er aber an Ort und Stelle und mit Wasser gefüllt. Dann gab es ein Bündel an organisatorischen Dingen zu erledigen. Zum Beispiel will eine Privatperson im Ortsteil Bauhof ein kleines Baugebiet entwickeln. Für uns ist das eine interessante Sache, weil es eine große Nachfrage nach Wohnraum gibt. Außerdem habe ich mit dem Gemeinderat eine Klausurtagung vereinbart, die im Herbst stattfinden soll. Die Idee ist, dass wir eine längerfristige Perspektive für die Gemeinde entwickeln.

Welches sind aktuell die drängendsten Projekte?

Ein wichtiges Thema ist die Breitbandversorgung. In Guggenhausen selbst sind die Leerrohre für Breitband schon vergraben und die Häuser angeschlossen. Jetzt fehlt nur noch die Verdrahtung, da sind wir zur Zeit aber dran. Außerdem müssen wir überlegen, wie wir die Ortsteile Egg und Bauhof noch anschließen können. Denn wenn ich will, dass auch noch in 20 Jahren junge Menschen in diesen Dörfern leben wollen, ist diese Infrastruktur einfach notwendig.

Welche Themen prägen Guggenhausen noch?

Wir wollen die Ortsteile und den Hauptort stärker verbinden. Mit 200 Einwohnern sind wir zwar eine kleine Gemeinde, doch wir haben eine Fläche von achteinhalb Quadratkilometern. Das ist eine Riesenfläche für so wenige Einwohner, und die hängt nicht einmal zusammen. Unsere Flächen verteilen sich vor allem um Unterwaldhausen herum und dementsprechend orientiert sich die Bevölkerung in verschiedene Richtungen. Während Guggenhausen selbst sich vor allem nach Fleischwangen orientiert, orientiert sich Bauhof nach Unterwaldhausen und Egg nach Ebenweiler.

Welche Schwierigkeiten ergeben sich durch diese Struktur?

Bauhof ist zum Beispiel ganz abgehängt. Dort gibt es keinen öffentlichen Verkehr mehr. Dort gab es schon seit längerer Zeit nur wenige Kinder, sodass die Busunternehmen irgendwann nicht mehr gefahren sind. Deshalb gibt es auch jetzt eigentlich keine funktionierende Schülerbeförderung mehr, aber inzwischen gibt es wieder neun Kindergarten- und Schulkinder. Gemeinsam mit den Unternehmen Reisch und Bühler versuchen wir momentan, eine Lösung zu finden.

Wird das funktionieren?

Wahrscheinlich bekommen wir keine Lösung hin, mit der jeder hundertprozentig zufrieden ist. Denn die Kinder müssen in unterschiedliche Richtungen gebracht werden: Die Kindergartenkinder müssen nach Fleischwangen, die Schüler nach Altshausen oder Wilhelmsdorf. Das macht die Sache für die Busunternehmen komplizierter. Wir hoffen aber, es zum Laufen zu kriegen. Was Mobilität betrifft, wird die Gemeinde in Zukunft wahrscheinlich eigene Modelle anstoßen müssen. Wie das aussehen könnte, weiß ich aber noch nicht. Ein Bürgerbus wie in Ostrach wäre für so eine kleine Gemeinde wie Guggenhausen allerdings nicht tragbar.

Wie könnte es allgemein funktionieren, dass die Ortsteile sich stärker miteinander vernetzen?

Der Gemeinderat hat für den kommenden Sonntag eine Gemeindewanderung organisiert. Wir starten in Guggenhausen, gehen nach Bauhof, nach Egg und von dort aus wieder zurück. Insgesamt kommen wir auf eine Wanderzeit von etwa drei Stunden und an jeder Station berichtet jemand aus dem jeweiligen Ortsteil. Außerdem feiern wir im Sommer immer ein Gemeindefest. Bisher findet es abwechselnd in Guggenhausen, Egg und Bauhof statt und richtet sich nicht nur an aktuelle, sondern auch an ehemalige Einwohner. In den vergangenen Jahren hat es aber an Zuspruch verloren. Deshalb überlegen wir momentan, wie wir es auf neue Beine stellen können.

Hauptberuflich arbeiten Sie in der Entwicklungszusammenarbeit und kennen die Probleme, die es in Entwicklungsländern wie Äthiopien gibt, vor allem in ländlichen Regionen. Welche Erfahrungen können Sie auf unsere Region ableiten?

In der Entwicklungszusammenarbeit geht es darum, die Menschen vor Ort dabei zu unterstützen, ihre Probleme zu lösen. In Äthiopien ist zum Beispiel die Wasserversorgung ein zentrales Thema. Dort geht es darum, Brunnen zu graben, damit die Leute nicht mehr drei Stunden, sondern vielleicht nur noch eine halbe Stunde laufen müssen, um frisches und sauberes Wasser zu holen. Man prüft, wozu die Menschen beitragen können und was sie selbst nicht leisten können. Vieles davon können sie alleine machen, aber sie haben zum Beispiel keinen Zugriff auf große Baumaschinen, um den Brunnen zu bohren. Dabei kann man sie unterstützen, genauso wie bei der Wartung des Brunnens, weil dafür einfach Fachkenntnisse erforderlich sind.

Was kann man auf unsere Situation in Oberschwaben übertragen?

Solche Organisationsprozesse kann man auch bei uns in der Gemeinde fördern. Ob beim Bau eines kleinen Kinderspielplatzes, für den sich eine Gruppe junger Eltern einsetzt, beim Bau eines Festwagens für das Kinderfest in Altshausen oder bei der Verbesserung des Busverkehrs im Bauhof. Wo Bürger für das Wohl der Gemeinde gemeinsam Dinge in die Hand nehmen, halte ich es für die Aufgabe der Gemeinde, diese Initiativen zu unterstützen, sei es in der Organisation, der Vermittlung von Kontakten oder auch einem finanziellen Beitrag, soweit wir das können.

Zur Person: Jochen Currle, 59, stammt aus Schützingen bei Maulbronn. Seit 1999 wohnt er in Guggenhausen, seit 2009 engagierte er sich im Gemeinderat. Er ist promovierter Agrar-Ingenieur und arbeitet in der Entwicklungszusammenarbeit. Beruflich ist er viel in Entwicklungsländern unterwegs, zuletzt vor allem in Äthiopien. In seiner Freizeit pflegt er gerne seinen Obstgarten oder er fährt Fahrrad, liest oder geht schwimmen.