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Blochinger rufen Flut vor 200 Jahren ins Gedächtnis

Blochingen / Lesedauer: 3 min

In einem Gottesdienst und einem Festakt wird den Opfern gedacht – Gewitter führte zu einer Naturkatastrophe
Veröffentlicht:22.05.2016, 20:00

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In einer bewegenden Gedenkfeier haben Blochinger Bürger und ihre Gäste an die Hochwasserkatastrophe, die vor genau 200 Jahren das Dorf verwüstet und Bewohner in den Tod gerissen hat, erinnert. Nach dem Gottesdienst folgte ein Festakt in der Mehrzweckhalle.

Auf dem Weg zur Kirche kam man an der Wasserstandsmarke von 5,70 Meter vorbei, die Rudi Widmann aus Brettern gebaut und in den Bach gestellt hatte. Viele Besucher betrachten sie mit einem Schaudern, denn durch die Marke wurde ihnen das Ausmaß der damaligen Katastrophe bewusst. Wer sich nicht rechtzeitig hatte retten können, der hatte gegen diese Naturgewalt keine Chance.

Den Gottesdienst feierten Pfarrer Rudolf Kuchelmeister und Dekan Heinz Leuze. Der Blochinger Männergesangverein Frohsinn sang zusammen mit dem Scheerer Projektchor unter Leitung von Otto Gruler.

Es entstand eine sehr intensive Stimmung, als Rudi Widmann die Namen der ertrunkenen Mitbürger vorlas: Katharina Bosch, 23 Jahre alt, Clemens Bosch, sechs Monate alt, Josepha Widmann, 15 Jahre alt und Pelage Widmann, neun Jahre alt. In den Fürbitten wurde für sie gebetet und dafür, dass das Dorf von schweren Umweltkatastrophen, Unwettern und Krieg künftig verschont bleibe.

Viele Bürger besuchten anschließend den Festakt in der Mehrzweckhalle. Ortsvorsteher Heiko Emhart zeichnete in seiner Begrüßung das damalige Bild des zerstörten Dorfes: Ruinen, Trümmer, Geröll, Schutt und Schlamm. Die Bauern seien Tage danach umhergeritten, um nach ihren vermissten Angehörigen zu suchen. Sie fanden sie tot auf. Emhart kündigte an, dass der Erlös aus der Bewirtung des Abends in eine Gedenktafel investiert werde.

Traurige Bilanz eines Unwetters

Rudi Widmann blickte auf die historischen Ereignisse zurück. Er erläuterte genau, welche Familien und Häuser von der Katastrophe empfindlich getroffen worden waren. Vier Tote, sechs eingestürzte Häuser, elf stark beschädigte Häuser bildeten die traurige Bilanz nach dem vierstündigen Wolkenbruch. Laut der Chronik des Scheerers Alois Färber seien zehn Wasserströme in die ehemaligen Weiher oberhalb des Dorfes zusammengeflossen. Der Damm sei gebrochen und habe gewaltige Wassermassen freigegeben, die sturzbachartig ins Dorf hinunter tosten. Die Brennerin sei ins Dorf gerannt und habe die Nachbarn alarmiert.

Widmann stellte das furchtbare Wetterereignis in einen größeren Kontext: 1816 fiel der Sommer aus, denn 1815 war in Indonesien ein Vulkan ausgebrochen, der dort 120000 Menschen in den Tod riss. Die riesige Wolke aus Asche zog um die Welt und führte auch in Oberschwaben zu meteorologischen Extremereignissen und Missernten. Erst 1818 haben sich das Wetter und die Ernte wieder normalisiert, erläuterte Widmann und empfahl einen Besuch ins Ulmer Brotmuseum, wo diese Geschichte gut beschrieben sei.

Dass aus einer Katastrophe auch etwas Gutes herauswachsen könne, zeigte sich im Vortrag von Zunftmeister Peter Eberhard, der ausführlich darüber berichtete, wie die Wassermannfigur und das Bloigeweible entstanden sind. Jeder Maskenträger rutsche bei der Taufe in den Bach, in Erinnerung an die Blochinger Flut von 1816, sagte Eberhard.

Gastredner Werner Rundel zeigte, wie groß das Wassereinzugsgebiet des Blochinger Mühlbaches und der ehemaligen Weiher war und machte bewusst, wieviel Wasser dort zusammen kommen kann. Das Dorf bilde ein Nadelöhr, in dem es immer wieder zu Rückstauungen und Hochwasser komme. Er zeigte aktuelle Wetterkarten und erläuterte, wie der Wetterdienst sie analysiert und Sturmwarnungen meldet. Schließlich sprach er den Bürgern ins Gewissen, den Klimawandel und die vernichtenden Auswirkungen sehr ernst zu nehmen. Sie werden, wenn nicht entschlossen gehandelt werde, zu einer Katastrophe größten Ausmaßes führen und viele Opfer fordern, sagte er.

Der Musikverein umrahmte die Feier unter der Leitung von Dirigent Albrecht Knaus. Mitglieder des Pfarrgemeinderats und Ortschaftsrats bewirteten die Gäste mit selbstgebackenen Denneten und Pizzen.