StartseiteRegionalRegion SigmaringenBad SaulgauUrteil für 83-jährigen Messerstecher: Haftstrafe berücksichtigt sein hohes Alter

Haftstrafe

Urteil für 83-jährigen Messerstecher: Haftstrafe berücksichtigt sein hohes Alter

Bad Saulgau / Lesedauer: 3 min

Versuchter Mord und schwere Körperverletzung: Das Strafmaß fällt aufgrund seines hohen Alters gering aus
Veröffentlicht:03.07.2020, 18:55

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Wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung hat das Landgericht Ravensburg am Freitagnachmittag einen 83-Jährigen aus Bad Saulgau zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hinzu kommt die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 40 000 Euro.

Der Mann hatte im Januar 2020 seiner ehemaligen Lebensgefährtin im Keller eines Mehrfamilienhauses in Bad Saulgau aufgelauert und ihr mit einem Küchenmesser in Tötungsabsicht über 20 Stiche beigebracht. Danach versuchte er, sich selbst zu erstechen. Täter und Opfer überlebten schwerverletzt.

Gericht: Die Tat war geplant

Der Vorsitzende Richter Veiko Böhm sprach in seiner Urteilsbegründung von einer geplanten, zielgerichteten und den Überraschungseffekt ausnutzenden Tat. Die Erste Große Strafkammer des Landgerichts folgte damit fast in Gänze den Ausführungen des Staatsanwaltes. Dieser sprach von einem bewussten, kalten und geplanten Angriff.

Sowohl er als auch die Nebenklägerin machten auf das Schicksal der Geschädigten aufmerksam, die nur durch eine Vielzahl von Notoperationen überlebte. Durch die Stiche waren Leber, Milz, Zwerch- und Lungenfell, Darm und Bauchspeicheldrüse verletzt worden.

Opfer überlebt nur durch Glück

„Die Folgen, körperlicher und psychischer Art, werden sie ein Leben lang begleiten,“ sagte die Nebenklägerin. Nur durch eine Verkettung glücklicher Umstände sei die Frau überhaupt noch am Leben. Sie und der Staatsanwalt hatten keine Strafmilderung gesehen und eine lebenslange Haft gefordert.

Norbert Kopfsguter , der Pflichtverteidiger, schloss in seinem Plädoyer nicht aus, dass an der Version des Angeklagten etwas Wahres sein könnte. Dieser hatte immer wieder behauptet, dass er sich vor den Augen der Frau das Leben nehmen wollte.

Nachdem er sich einige Schnitte und Stiche zugefügt hatte, habe sie ihm das Messer entwendet und ihm in den Bauch gestochen. Kopfsguter sah nur eine gefährliche Körperverletzung gegeben und forderte ein mildes Urteil.

Richter Böhm sagte zu den Angaben des Mannes: „Selbst wenn es so gewesen wäre, sind Sie alles andere als unschuldig. Sie bemitleiden nur sich selbst.“ Bei dem Strafmaß habe man sich am Bundesverfassungsgericht orientiert.

Laut dessen Auffassung kann eine lebenslange Haftstrafe nur dann verhängt werden, wenn der Verurteilte die Aussicht hat, wieder auf freien Fuß zu kommen. Beim heute 83-Jährigen würde eine erste Haftprüfung mit 99 Jahren stattfinden.

Es ist eher nicht wahrscheinlich, dass er das noch erleben würde.

Richter Veiko Böhm

„Es ist eher nicht wahrscheinlich, dass er das noch erleben würde,“ sagte Böhm. „Auch einem Angeklagten, der eine schlimme Tat begangen hat, muss man die Menschlichkeit und das Mitgefühl entgegenbringen, das er seinem Opfer verweigert hat.“

Mit berücksichtigt hatte die Strafkammer auch die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Hermann Assfalg. Dieser hatte zwar keine psychische Erkrankung des Mannes diagnostiziert, jedoch von einer Anpassungsstörung gesprochen, die sein Handeln in einem milderen Licht erscheinen lasse.

Neben dem hohen Alter ist eine besondere Strafempfindlichkeit gegeben. Der Täter sitzt zum ersten Mal in seinem Leben in einem Gefängnis. Bis zum Tatzeitpunkt hatte er keinerlei Vorstrafen. Böhm wurde zum Schluss noch einmal deutlich: „Wären Sie 50 Jahre alt, wäre eine Haftstrafe von etwa 12 Jahren oder gar lebenslänglich in Betracht gekommen.“