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Nitrat

Nitrat ist nicht die einzige Bedrohung für das Trinkwasser

Bad Saulgau / Lesedauer: 4 min

Arbeitsgruppe „Gerechtigkeit-Frieden-Ehrfurcht“ im Kloster Sießen beschäftigt sich am Fasnetsdienstag mit dem wichtigen Lebensmittel
Veröffentlicht:06.03.2019, 19:06

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Sich informieren, hinschauen und handeln – das hat sich die franziskanische Arbeitsgruppe „Gerechtigkeit – Frieden – Ehrfurcht vor der Schöpfung“ (GFE) am Kloster Sießen auf die Fahnen geschrieben. Deswegen lädt sie immer am Faschingsdienstag zu einem Vortrag in den Barocksaal ein. Diesmal ging es um ein ganz besonders wichtiges Gut: unser Trinkwasser.

Die Vormittagsstunden am Fasnetsdienstag sind ein eher ungewöhnlicher Zeitpunkt, um sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinanderzusetzen. Aber genauso wie im vergangenen Jahr, als es um das Thema Plastikmüll ging, sind im schmucken Barocksaal des Klosters auch diesmal nahezu alle Plätze belegt.

Während Johannes Übelhör von den Bad Saulgauer Stadtwerken die letzten Vorbereitungen für den folgenden Vortrag trifft, macht Schwester Heidrun von der Arbeitsgruppe GFE schon mal deutlich, warum sich die rührigen Franziskanerinnen für dieses Thema entschieden haben. „Trinkwasser ist kostbar, faszinierend, und es ist lebensnotwendig“, sagt sie. Nicht zuletzt ginge es in diesem Kontext auch um Gerechtigkeit und Frieden.

Das ist auch dem Referenten bewusst. Der macht gleich zu Anfang deutlich, dass er sich mit diesem Thema „leidenschaftlich“ auseinandersetzt. Gemeinsam mit seiner Assistentin Claudia Binder hat er dazu eine Präsentation erarbeitet, die er an diesem Tag erstmals der Öffentlichkeit vorstellt. Die geht in einem ersten Schritt weit zurück, zeigt anhand von Epidemien in den letzten Jahrhunderten auf, welch verheerende Auswirkungen verunreinigtes Trinkwasser haben kann. Reich bebildert und grafisch umgesetzt geht es in einem Schwerpunkt um die Sicherung der Wasserqualität, um Trinkwasser-Schutzzonen oder um die „massive Verringerung“ der Süßwasser-Ressourcen seit den 60er Jahren.

7000 Liter Wasser für ein Steak

„Das sollte uns wirklich zu denken geben“, sagt der technische Leiter der Stadtwerke. Um dies zu untermauern, benennt er Beispiele. Bis etwa ein Rindersteak auf unseren Tellern landet, verbraucht der Herstellungsprozess stolze 7000 Liter Wasser. Selbst eine Tasse Kaffee verschlingt vom Anbau bis zum Moment des Genießens rund 140 Liter.

Die Wassermengen sind auch vor Ort nicht unendlich. Bei der Bad Saulgauer Wasserfassung Mannsgrab ist die Entnahmemöglichkeit auf 1,3 Millionen Kubikmeter begrenzt. 2018 wurden hier knapp eine Million Liter gefördert. „Der Schutz unserer Trinkwasser-Ressourcen ist eine große Herausforderung“, sagt Johannes Übelhör. Und es wird deutlich, dass hier vor allem auch der Klimawandel durch die zunehmenden Temperaturen und parallel fallenden Grundwasserstände einen gewichtigen Anteil hat. Höhere Temperaturen gehen nicht zuletzt einher mit einer Erwärmung des Grundwassers und damit der Gefahr einer verstärkten Verkeimung des Wassers.

Das viel diskutierte Thema Nitrat im Trinkwasser wird an diesem Vormittag nur gestreift. Sießen, und damit auch das Kloster, wird von der Hundsrückengruppe versorgt und hat deshalb diesbezüglich keine Probleme. Der Nitratwert lag bei der letzten Messung bei 27 mg/Liter, sagt Claudia Binder auf Nachfrage. Doch es wird deutlich, dass es noch mehr Grund zur Sorge gibt. Etwa mit Blick auf mögliche Rückstände durch Medikamente aus der Human- und Tiermedizin, auf Pflanzenschutz- und Reinigungsmittel, Dünger und weitere Industrierückstände. „Bitte entsorgen sie Medikamente niemals über die Toilette“, rät Johannes Übelhör.

Problem Mikroplastik

Doch selbst derlei Vorsichtsmaßnahmen reichen wohl aufgrund der natürlichen Ausscheidung über den Körper nicht aus, das Wasser vor Rückständen zu schützen. Jeden Monat würden „weitläufige Trinkwasseruntersuchungen“ durchgeführt, so der Referent. Er benennt weitere Faktoren, die die Trinkwasserqualität nachweislich beeinflussen. Hier rückt auch das Mikroplastik in den Fokus, also kleine Kunststoffteile mit einem Durchmesser unter 5 mm. „Da kommt noch eine große Baustelle auf uns zu“, sagt der technische Leiter und benennt die daraus resultierenden Herausforderungen. Dazu zählen aus seiner Sicht regionale Anpassungskonzepte, ein umfassendes Grundwasser-Monitoring, eine nachhaltige Bewirtschaftung des Grundwasser-Vorkommens und engmaschige Kontrollen.

Bei der anschließenden Fragerunde geht es unter anderem um den großen Einfluss des Kaufverhaltens der Verbraucher. Johannes Übelhör rät zu einer Reduktion des Fleischverzehrs und gibt Auswirkungen zu bedenken, wenn immer nur „das billigste im Discounter“ gekauft wird. Thematisiert wird hier auch die Nitrat-Belastung der Wasserfassung Mannsgrab, dessen erster Brunnen in naher Zukunft saniert werden muss.

Auch für Schwester Christa-Maria, Mitglied der Arbeitsgruppe, ist klar, dass es keinen Sinn macht, vor diesen Herausforderungen die Augen zu verschließen. Die Franziskanerin ist Lehrerin an der Realschule St. Elisabeth in Friedrichshafen. Und setzt genau dort an: bei den Kindern und Jugendlichen. Die Bildungseinrichtung ist ausgezeichnete Fair-Trade-Schule und aktiv beim „Globalen Klassenzimmer Friedrichshafen“ mit dabei. Bei diesem kommunalen Projekt geht es neben dem Fairen Handel und verantwortungsvollen Konsum auch um Klimawandel, Menschenrechte und Nachhaltigkeit. Die Referentenkosten für die Unterrichtsmodule werden von der Stadt Friedrichshafen übernommen. „Das ist Bildungsarbeit von unten“, sagt Schwester Christa-Maria. Im Nachhinein wird auch darüber diskutiert, ob derartige Schulprojekte auch in der Landeshauptstadt der Biodiversität ihren Platz finden könnten.