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Generalkapitel

Neue Generaloberin: „Jetzt sind wir Geschwister auf Augenhöhe“

Sießen / Lesedauer: 6 min

Generaloberin Schwester Karin Berger über das Ringen um ein neues Miteinander
Veröffentlicht:07.09.2020, 12:57

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Das jüngst tagende Generalkapitel der Franziskanerinnen von Sießen hat Schwester Karin Berger zur neuen Generaloberin gewählt. Nach der Wahl hat SZ-Redakteur Rudi Multer mit ihr gesprochen.

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl zur Generaloberin. Haben Sie sich gefreut?

Ich habe mich wirklich gefreut, vor allem über das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde.

Das hört sich irgendwie nach Glück im Beruf an.

Das Kloster ist für alle Schwestern Familie und Beruf gleichzeitig. Das ist natürlich sehr herausfordernd. Aber ich kenne die Schwestern für die und mit denen ich arbeite. Diese persönlichen Beziehungen motivieren mich.(lacht)Ich liebe meine Gemeinschaft und ich bin einfach unheimlich gern Franziskanerin von Sießen.

Wie wird man eigentlich Generaloberin?

Die Leitung wird auf dem Generalkapitel gewählt. Das findet alle sechs Jahre statt. Hier treffen sich Delegierte, die von den Schwestern der drei Provinzen gewählt werden. Jede Schwester hat das Recht einen Vorschlag für die neue Leitung zu machen. Wir stellen uns Fragen wie, was ist der Wille der Gemeinschaft, was steht in den kommenden Jahren an, welche Gaben und Fähigkeiten braucht es dafür, wen sehen wir da. Es folgt eine Phase des Gebets und der Stille, danach wird gewählt. Es können alle Schwestern gewählt werden, die mindestens acht Jahre ewige Profess haben.

Ihre Wahl ist mit Erwartungen, einem Programm verknüpft. Wofür stehen Sie?

Die Kongregation, unsere Gemeinschaft, ist seit Jahren in einem Veränderungsprozess, der bereits während der Amtszeit von Schwester Anna Franziska begonnen hat. Das Kloster Sießen ist eine deutsche Gründung. 1932 kam die Gründung unserer Gemeinschaft in Südafrika dazu, 1936 folgte Brasilien. Wir sind gewachsen. 1996 wurden die Gemeinschaften in Südafrika und Brasilien zu Provinzen und bekamen damit eine gewisse Selbstständigkeit. Es hat aber nie geklappt, dass jemand aus den Provinzen in die Generalleitung gewählt wurde. Das hängt damit zusammen, dass sich die Generalleitung in Sießen mit vielen deutschen administrativen Aufgaben beschäftigen musste. Das Generalkapitel hat deshalb im Jahr 2014 eine neue Struktur für die Gemeinschaft beschlossen und den Auftrag gegeben, die Konstitutionen, sozusagen das Grundgesetz unserer Gemeinschaft, zu überarbeiten. Diese ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Jetzt steht an, dass wir die rechtliche Form mit Leben füllen.

Das heißt konkret?

Das Generalkapitel hat drei Schwestern in die Generalleitung gewählt, früher waren es sieben. Jetzt werden die Provinzen im September und Oktober ihre Provinzleitungen wählen. Die jeweilige Provinzoberinnen bilden dann zusammen mit der im Generalkapitel gewählten Generalleitung die Kongregationsleitung. Wir sind dann sechs Vertreterinnen in der Kongregationsleitung und jede unserer drei Provinzen – die deutsche, brasilianische und südafrikanische – ist mit je einem Sitz vertreten. Dieses Gremium wird die zentralen Entscheidungen für die Kongregation treffen. Was die Öffentlichkeit in Deutschland bisher als Oberin wahrgenommen hat, wird dann im Wesentlichen die Aufgabe der deutschen Provinzoberin sein. Sie ist für alles zuständig, was die Provinz betrifft, etwa für die Stellen der Mitschwestern. Die Generalleitung hat die Aufsicht über die Provinzen, ist beratend tätig und ist auch für die geistliche Führung der Kongregation verantwortlich.

Womit wird sich die Generalleitung dann zunächst beschäftigen?

Wir werden uns in den nächsten Jahren mit der Frage der geistlichen Führung beschäftigen. Dazu hat das Generalkapitel einen breit angelegten Erzähl-, Hör- und Diskussionsprozess in den Provinzen, Konventen und Gemeinschaften angestoßen, den die Generalleitung begleiten wird. Es geht um die geistliche Grundlage für unser Leben als Franziskanerinnen in der Welt von heute. Daraus soll der spirituelle Teil unserer Lebensordnung entstehen.

Aber womit wollen Sie bei alldem beginnen?

Es steht zunächst die Umsetzung der erarbeiteten Struktur an, die Zuordnungen zu den einzelnen Ebenen. Immer müssen wir uns auch fragen, wie wir in unserer Zeit leben, die sich so schnell verändert. Gerade Fragen des Glaubens und die Situation der Kirche sind einem großen Veränderungsprozess unterworfen. Wenn heute Frauen in das Kloster eintreten, kommen sie aus der Zeit, in der sie leben. Jemand der in den 50er-Jahren zu uns kam, hat einen anderen Hintergrund als eine Schwester, die in den 80er-Jahren bei uns eintrat oder heute. Was ist heute unsere Mission für die Welt? Wir haben eine deutsche, brasilianische und afrikanische Kultur. Wir müssen in Gesprächsprozessen um eine gemeinsame Kultur als Franziskanerinnen von Sießen ringen.

Ist das der Beginn einer Abkehr von der eurozentrischen Orientierung der Kongregation?

Das ist es auf jeden Fall. Bisher war unser Verhältnis das einer deutschen Mutter mit je einem brasilianischen und afrikanischen Kind an der Hand. Jetzt sind wir Geschwister auf Augenhöhe.

Dann wäre es also denkbar, dass das Kloster Sießen irgendwann einmal von einer brasilianischen oder südafrikanischen Generaloberin geleitet wird?

Das wäre möglich ja. Auf jeden Fall bleibt aber der Sitz der Kongregation in Sießen. Ich sehe die Veränderungen sehr positiv. Wir sind ja nicht hier, weil wir uns nett finden, sondern weil wir uns von Gott gerufen wissen. Gott ist aber nicht einer, der alles kann. Im dreifaltigen Gott, in Vater, Sohn und Heiliger Geist, zeigt sich für uns das Miteinander in der Liebe der inneren Dreifaltigkeit. Es ist dieses Bild, das uns dazu bewegt in der Verschiedenheit unseres Alters, unserer Prägungen und des kulturellen Hintergrunds ins Gespräch zu kommen, damit etwas Gemeinsames entsteht, was uns trägt. Wir sollen und wir dürfen authentisch sein. Auch wenn wir alle das gleiche Kleid tragen, ist das alles andere als Uniformität.

Nun ist die Amtskirche aber der Meinung, dass sich, was Weiheämter betrifft, die Vielfalt auf Männer beschränkt. In Ihrer Gemeinschaft ist vermutlich hohe theologische Kompetenz versammelt. Von Weiheämtern in der Kirche sind sie ausgeschlossen, weil sie Frauen sind. Um Eucharistie zu feiern, brauchen Sie einen Mann als Priester. Wie stehen Sie dazu?

Nach meinem Verständnis feiern wir, die Gemeinde, Eucharistie, und der Priester steht der Feier vor. Das relativiert diesen Aspekt der Frage. Ich bin der Meinung, die Kirche braucht die weibliche Seite und sie hat sie auch. Es gibt viele Frauen, die in der Kirche ehrenamtlich tätig sind. Bei uns im Kloster sind alle Ämter von Frauen besetzt. Klar, der Bischof ist unser Chef. Die Frage des Zugangs von Frauen in Weiheämter ist wie in der Kirche auch bei uns ein großes Thema. Die Mehrheit der Schwestern findet es sehr unverständlich, dass sich die Kirche gegen jede Veränderung sperrt. Die Argumentation, die gegen die Weihe von Frauen ins Feld geführt wird, kann ich nur als ärgerlich bezeichnen.