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Gemeindebroschüre

Wilhelmsdorf überschreitet 5000-Einwohner-Grenze

Wilhelmsdorf / Lesedauer: 4 min

Vor 30 Jahren wurden der Gemeinde nach der Volkszählung von 1987 rund 900 Menschen abgesprochen
Veröffentlicht:13.02.2018, 18:23

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Die Gemeinde Wilhelmsdorf hat zum Stichtag 31. Dezember 2016 eine Grenze überschritten. Laut Statistischem Landesamt zählte der Ort zu diesem Zeitpunkt genau 5003 Einwohner. In der aktuellen Gemeindebroschüre von 2017 war die zuletzt amtlich festgestellte Bevölkerungszahl zum 31. Dezember 2015 noch mit 4938 angegeben worden. In dieser Zahl nicht enthalten sind rund 500 Bewohner mit Nebenwohnsitz. „Wir haben eine magische Marke überschritten“, freute sich deshalb Bürgermeisterin Sandra Flucht in der jüngsten Gemeinderatssitzung über diese Zahl. Aktuell dürften deutlich über 5000 Menschen in Wilhelmsdorf leben, wenn die offiziellen Zahlen hochgerechnet werden. Auf ihr Gehalt habe das Überschreiten der 5000-Einwohner-Marke keinen Einfluss, antwortete Flucht lächelnd auf eine entsprechende Nachfrage aus dem Gremium.

Ein Blick in die Gemeindegeschichte zeigt, dass das Thema Einwohnerzahl vor genau 30 Jahren für politische Verwerfungen sorgte. Grund dafür waren die Ergebnisse der Volkszählung vom Frühjahr 1987. Die Auswertung, die erst ein Jahr später bekannt wurde, sorgte für einen Paukenschlag. „Auf einen Schlag 900 Einwohner weniger“ lautete eine der Überschriften in der Berichterstattung. In der Schwäbischen Zeitung hieß es „Volkszählung ergibt: Wilhelmsdorf fehlen gut 900 Einwohner – Hallenbau sofort gestoppt“. Eine der Auswirkungen war der Verlust von jeweils rund 700 000 D-Mark bei den Finanzzuweisungen des Landes in den Folgejahren. Die ursprünglich errechneten Verluste lagen weit höher, wurden später aber nach politischen Entscheidungen reduziert.

Bis heute hat Wilhelmsdorf keine klassische Festhalle

Der damalige Bürgermeister Bernd Schick und der Gemeinderat zogen sofort die Reißleine. Der erst wenige Tage vor Bekanntwerden des Zählungsergebnisses begonnene Bau einer neuen Gemeindehalle, die vier Millionen D-Mark kosten sollte, wurde sofort eingestellt. Wilhelmsdorf hat bis heute keine klassische Festhalle.

Bei einem zweiten Anlauf ergab ein Bürgerentscheid eine knappe Mehrheit gegen einen Hallenbau. Auf dem dafür vorgesehen Gelände steht heute das in die Jahre gekommene Feuerwehrgerätehaus.

Wie kam es damals zu dieser dramatischen Entwicklung? Nach den 1988 errechneten Zahlen waren knapp 900 Personen weniger mit ihrem Hauptwohnsitz in Wilhelmsdorf gemeldet als im Einwohnermeldeamt der Gemeinde festgehalten. Statt 4460 Menschen wurden nach den Zahlen der Statistiker nur 3563 Personen der Gemeinde zugerechnet. 308 Einwohner waren mit Nebenwohnsitz gemeldet.

Wie es zu dieser Bewertung der Volkszählung kam erläuterte damals Bürgermeister Bernd Schick im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Gemeinde sei bekannt gewesen, dass die Daten des Statistischen Landesamts vor der Volkszählung und die des örtlichen Einwohnermeldeamts um 200 bis 250 Einwohner differierten. Dieser Unterschied wurde durch Fehler bei der so genannten Wanderungsstatistik erklärt.

Viel stärker wirkte sich damals aber aus, dass die laut Gesetz meldepflichtigen Personen der damals Zieglerschen Anstalten, der Heime und des Fachkrankenhauses Ringgenhof der Gemeinde nicht vollständig zugerechnet wurden. Die meisten dieser Leute hatten in ihrer Heimatgemeinde noch einen Wohnsitz angemeldet und wurden dort den Einwohnerzahlen zugeschlagen. Außerdem, so erinnert sich Bernd Schick heute, gab es eine nicht unerhebliche Anzahl von Wilhelmsdorfern, die sich aus religiösen Gründen der Volkszählung widersetzten und sogar vor Gerichte zogen.

Bevölkerungsschwund bedeutete auch weniger Geld

Für die Gemeinde bedeuteten diese Zahlen, dass beim Finanzausgleich, über den jede Kommune Geld zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhält, nur die 3563 Personen mit Hauptwohnsitz angerechnet wurden. Der unerwartet hohe Bevölkerungsschwund war dafür verantwortlich, dass der Einnahmeverlust zunächst auf rund zwei Millionen D-Mark für die beiden Folgejahre errechnet wurde.

Bitter für die Gemeinde war allerdings, dass die Menschen, die nicht mehr angerechnet werden konnten, trotzdem in Wilhelmsdorf wohnten. Die Infrastruktur musste also vorgehalten werden, ohne dass es entsprechende Gegenleistungen gab.

Von dem Effekt, der Wilhelmsdorf finanziell ins Trudeln brachte, waren im Land vor allem die Universitätsstädte betroffen. Auch hier gab es unerwartete Überraschungen und finanzielle Verluste. Das Land reagierte in der Folge darauf und milderte die Einnahmeausfälle etwas ab. Wilhelmsdorf litt aber in der Folge noch jahrelang unter den eingebrochenen Finanzzuweisungen. Die Veränderungen von damals wirken bis heute nach.