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Missbrauch im Kinderheim: Der Aufarbeitungsprozess stockt

Wilhelmsdorf / Lesedauer: 3 min

Missbrauch im Kinderheim: Der Aufarbeitungsprozess stockt
Veröffentlicht:19.05.2016, 18:29

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Nachdem Detlev Zander mit seiner Geschichte 2013 an die Öffentlichkeit gegangen ist, begann für die Brüdergemeinde ein langwieriger und schwieriger Aufarbeitungsprozess. Doch der stockt momentan. Den Grund dafür sehen die beteiligte Brüdergemeinde und die Opfervertreter unterschiedlich. Das erst im März gestartete Meldetelefon für die Opfer der Gewalt in den Heimen in Korntal und Wilhelmsdorf wurde am 15. April wieder abgeschaltet, was der Pressesprecher der Evangelischen Brüdergemeinde, Manuel Liesenfeld, bedauert: Eine Chance sei vertan worden. Jetzt müssen die Beteiligten wieder an einen Tisch kommen und einen Weg finden, wie weitergemacht werden kann.

Zum Hintergrund: Der Aufarbeitungsprozess begann im Jahr 2014, als sich die Opferhilfe Korntal gegründet hat, ein Interessenverband, in dem auch Nicht-Opfer vertreten sind. Es wurde eine Steuerungsgruppe gegründet, in der Vertreter von Brüdergemeinde und von Betroffenen sitzen. Sie sollten über das Vorgehen der Aufarbeitung entscheiden. Als wissenschaftliche Leiterin berief die Steuerungsgruppe Mechthild Wolff, Professorin an der Universität Landshut. Am 1. März dieses Jahres schaltete sie ein Meldetelefon frei, bei dem sich betroffene Heimkinder melden konnten. Das Ziel: Sie sollten das Erlebte erzählen, damit man erfuhr, was alles vorgefallen ist. Alle geführten Interviews mit den Betroffenen werden derzeit bearbeitet, auch wenn das Meldetelefon nicht mehr läuft, versichert die Wissenschaftlerin. Am Ende soll ein Bericht darüber stehen.

Persönliche Angriffe

Noch im März hat Mechthild Wolff allerdings die Zusammenarbeit aufgekündigt. Warum, das erklärt Wolff im Gespräch mit der SZ so: „Es gab Misstrauen mir gegenüber. Ich sehe das nach wie vor als unbegründet an. Das alles ist sehr unglücklich, weil wir an dem Punkt waren, als das Konzept stand und es richtig losgehen konnte.“ Auch die Vorwürfe Wilhelmsdorf betreffend sollten in der Runde aufgearbeitet werden, so Wolff. In einer Pressemitteilung der Brüdergemeinde hieß es dazu: „Insbesondere die gegen Frau Wolff gerichteten persönlichen Angriffe seitens Betroffener und ihrer Unterstützer haben zuletzt ein unzumutbares Maß erreicht.“

Die Opfervertreter haben schon länger die Zusammenarbeit mit Mechthild Wolff in der Steuerungsgruppe kritisiert. „Sie ist nicht 100-prozentig neutral gewesen“, wirft Detlev Zander ihr vor, Vertreter des „Netzwerks Betroffenenforum“, das wiederum aus der Opferhilfe Korntal wegen Unstimmigkeiten hervorgegangen ist. Zander berichtet auch von einem unfairen Umgang seitens der Brüdergemeinde. Die Wünsche und Sorgen der Betroffenen würden nicht ernst genommen.

Der Sprecher Manuel Liesenfeld beteuert im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, man wolle immer noch, dass „alles auf den Tisch kommt“, genau deswegen habe man ja auch mit der Aufarbeitung begonnen. „Am Ende soll eine Dokumentation der Taten, Täter und des gesellschaftlichen und pädagogischen Umfeldes der damaligen Heimerziehung stehen“, so Liesenfeld.

Jetzt soll es also weitergehen. Wie, steht noch nicht fest. Ein „Weiter so“ kann es aus Sicht von beiden Parteien nicht geben. Detlev Zander hat als zentrale Figur in der Aufarbeitung den Rechtsanwalt Ulrich Weber ins Gespräch gebracht, der bereits mit dem Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen betraut ist. Die Brüdergemeinde lehnt diesen aber ab. „Wir sollten nicht wieder den Fehler machen, die Lösung in einem bloßen Austausch von externen Sachverständigen zu suchen“, sagt Liesenfeld.

Mechthild Wolff: „Ich kann den Betroffenen nur wünschen, dass es weitergeht und sie bald zu ihrem Recht kommen.“