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Technikwunder

Wanderung ruft Natur- und Technikwunder ins Bewusstsein

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Roland Knoll führt Interessierte auf dem „Wasserbauhistorischen Wanderweg entlang des Stillen Baches“
Veröffentlicht:19.08.2018, 14:18

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Viele Urlauber kommen aus Madeira oder Südtirol zurück und erzählen dann begeistert von Wanderungen entlang der „Levadas“ oder der „Waalwege“. Dabei muss man nur das Auto beim Freibad Nessenreben oberhalb von Weingarten parken und sich dann zu Fuß auf den Weg machen, um Ähnliches bewundern zu können: Den vor rund 1000 Jahren künstlich angelegten Stillen Bach. Ein in den folgenden sieben Jahrhunderten stetig verbessertes Bewässerungssystem von heute zehn Kanälen und fast 20 meist künstlich geschaffenen Weihern.

Es gilt als einzigartiges Dokument mittelalterlicher Wasserbautechnik in Oberschwaben und gehört zu den ältesten nichtrömischen Kanalsystemen nördlich der Alpen. Angelegt von technisch versierten Benediktinermönchen des Klosters Weingarten lieferte es dem Kloster Brauchwasser zur Viehhaltung, zur Bewässerung von Äckern und Wiesen und zum Betreiben von Mühlen. Auch Löschwasser stand dem Kloster damit zur Verfügung. Für Trinkwasser der Klosterbediensteten eignete sich die Mischung aus Moor- und Quellwasser nicht. Dafür sorgte eine kleine Quelle oberhalb des Klosterberges.

Hut auf, Hut ab – die 20 Teilnehmer der sonntäglichen Führung „Wasserbauhistorischer Wanderweg entlang des Stillen Baches“ wanderten knapp sechs Kilometer durch schattige, aber auch sonnig-warme Gefilde des Altdorfer Waldes zwischen Nessenreben und Rößlerweiher. Sie folgten dem mit flinken Schritten vorangehenden Weingartner Stadtführer Roland Knoll, der an verschiedenen Stellen historische und technische Erklärungen gab. Nach einem „Noch Fragen?“ und der entsprechenden Antwort ging es weiter. Die gut begehbaren Wege entlang des Stillen Baches führten durch Wald und teils moorige Wiesen, am Hofgut Nessenreben und am Rößlerhof vorbei. Sonnenstrahlen fielen durch die hohen Bäume des Waldes und ließen den Bach verspielt glitzern.

Früher führte der Stille Bach durch das Gelände des heutigen Freibades bis oberhalb des Sägewerkes und betrieb unzählige Mühlräder. Später wurde er hier gefasst und in Turbinen geleitet. Noch heute wird mithilfe von drei Turbinen und einem Wasserrad Strom erzeugt, der an die Firma Habisreutinger, die Schellinger Mühle, sowie an das Freibad geliefert wird.

Die zweistündige Wanderung vermittelte Informationen über den Bau und die historische Bedeutung des Bewässerungssystems, das sich über eine Fläche von 25 Quadratkilometern bis zum Einzugsgebiet der Wolfegger Ach ausdehnt. Als besonders interessant zeigte sich nördlich des Rößlerweihers ein Knotenpunkt, an dem verschiedene Kanäle und Wassergräben zusammenkommen. Je nach Wasserstand kann hier der „Fallenstock“ Wasser in den Rößlerweiher einleiten oder in einen weiteren Kanal daran vorbeileiten. Jeweils am zweiten Mittwoch im Oktober wird das Wasser zur Fischernte ganz abgelassen. Mehrere Tonnen Fisch, vor allem Karpfen, kommen dann zum Verkauf.

Der Stille Bach samt Rößlerweiher gilt als beliebtes Naherholungsgebiet. Die idyllische Natur zieht sommers wie winters Besucher an. Auch Nordic-Walker finden hier ein wahres Paradies. Obwohl im Naturschutzgebiet, ist das Baden im Rößlerweiher erlaubt. „Wenn wir Geld hatten, sind wir Kinder ins Freibad, wenn nicht, in den Rößlerweiher gegangen“, erinnert sich schmunzelnd Rolf Damoune. Am Ende der Tour hatte sicher so mancher Teilnehmer einiges zu erzählen.