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Dreck

Städtische Mitarbeiter als Müllsünder?

Weingarten / Lesedauer: 4 min

Wie ein Leser berichtet, zählen zu den Müllsündern wohl auch emeritierte Professoren und städtische Mitarbeiter
Veröffentlicht:08.01.2018, 17:55

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Es ist der Weingartener Kampf gegen die Windmühlen: Die Stadtverwaltung lässt nichts unversucht, die wilde Ablagerung von Müll am Festplatz und in der Lazarettstraße in den Griff zu bekommen. Ob Hinweisschilder, die Einführung von Strafgebühren oder gar ein unstet patrouillierender Müllsheriff: Keine der Maßnahmen trägt Früchte. Unverblümt und ohne jeden Skrupel legen einige Weingartener Bürger einfach ihren Müll an den Ablagestellen ab – allerdings nicht zu den vorgesehenen Zeiten. Das vermeintliche Kavaliersdelikt nervt. Da kann auch der zahnlose Müllsheriff nichts machen. Er erinnert ohnehin vielmehr an Don Quijote – allerdings ohne Lanze und Esel.

Dreistigkeit kennt keine Grenzen

Aber natürlich ist dieser ungleiche Kampf auch schwer zu führen, wenn der Feind kaum auszumachen ist. Doch SZ-Leser Dieter Detsch hat unlängst einige Beobachtungen gemacht, die ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Wer nun glaubt, er hätte komische Menschen bei der illegalen Müllablage erwischt, der irrt. Vielmehr hat er binnen weniger Minuten zahlreiche Vertreter aus gut bürgerlichen Kreisen auf frischer Tat ertappt. Vom emeritierten Professor bis hin zu einer städtischen Mitarbeiterin. Die Dreistigkeit kennt dabei keine Grenzen – und macht vor keiner Gesellschaftsschicht Halt. Daher erzählt an dieser Stelle Dieter Detsch eindrücklich die Geschichte des Weingartener Kampfes gegen die Windmühlen, die in Echtzeit ganze fünf Minuten dauerte:

Vor einigen Wochen hätte ich mir die Anwesenheit des Müllsheriffs in der Lazarettstrasse in Weingarten gewünscht. Es war an einem Freitag kurz nach 17 Uhr und da war er sicher schon im Feierabend. Außerdem wäre er ja dann auch nur eine stumpfe Waffe ohne Kompetenzen gewesen. Auf jeden Fall fuhr ich an diesem Freitag zum Platz der „Rollenden Wertstoffkiste“ in der Oberstadt, um einige Flaschen in die dort befindlichen Container zu werfen. Gerade als ich auf den Platz einfuhr, legte eine Dame einen gelben Sack ab – es lagen schon weitere Säcke da. Ich stieg aus meinen Auto aus und sagte zu der Dame: „Also so sehen Müllsünder aus“. Die Dame entfernte sich wortlos.

Während ich also meine Flaschen einwarf, kam eine weitere Dame mit dem Auto angefahren, öffnete den Kofferraum und wollte ebenfalls ihren gelben Sack zu den anderen Säcken stellen. Ich sprach sie an und wies darauf hin, dass es nach 17 Uhr sei und dass es auch ein Freitag ist, an dem gar keine Wertstoffkiste da ist. Die Dame sagte dann zu mir: „Also lieber Herr Detsch. Sie kennen mich doch, ich bin die Frau S. vom .....amt. Werden Sie mich jetzt anzeigen?“

Emerierte Professoren als Müllsünder

Nun, ich hatte die Damen tatsächlich nicht erkannt und ich war auch nicht gewillt, als Sheriff aufzutreten. Doch während wir miteinander sprachen, kam ein weiteres Auto angefahren, ein älterer Herr stieg aus und öffnete den Kofferraum, in dem sich ebenfalls ein gelber Sack befand. Nun sagte ich: „Sogar emeritierte PH-Professoren treten hier als Müllsünder auf. Das überrascht mich dann doch. Es ist doch angeschrieben, an welchen Tagen und Zeiten hier die gelben Säcke angeliefert werden können. Weshalb bringen Sie die Säcke nicht zu den vorgesehenen Zeiten zur Firma Baumgärtner , zum Beispiel morgen, am Samstag?“

Solange die Dame noch anwesend war und der Professor nachdenklich wurde, kam ein kleiner Junge mit dem Roller angefahren und legte den mitgebrachten gelben Sack auf den Haufen der anderen bereits abgelegten Säcke und entfernte sich wieder. Die Dame legte dann ihren Sack ebenfalls da hin und der Professor nahm seinen Sack wieder mit. Ich setzte mich in mein Auto und bevor ich den Platz verlassen konnte, kam ein anderes Auto hereingefahren. Der Fahrer stieg aus, öffnete den Kofferraum, in dem sich zwei gelbe Säcke befanden und – ich fuhr dann ab.

„Wir kommen nicht mehr ohne Anzeige aus“

Dass viele Bürger kein Unrechtsbewusstsein haben, wenn sie ihren Müll einfach ablegen zeigt ich auch im Alltag von Entsorgungsunternehmer Rudolf Baumgärtner in der Schussenstraße. „Grundsätzlich hat sich an der Situation bei uns nichts geändert“, schreibt Baumgärtner auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. „Nach wie vor werden bei uns die Säcke trotz Absperrketten und Beschilderungen außerhalb der Öffnungszeiten der Raweg-Annahmestelle abgelegt. Viele sehen ihr Handeln nicht als illegal, sondern als ihr Recht an. Es sei ja nur ein Sack und dieser wird nicht nochmals mit nach Hause genommen, entgegnet man unseren Mitarbeitern täglich, wenn ein ertappter Übeltäter darauf angesprochen wird. Wir kommen nicht mehr ohne Anzeige aus.“