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Heerschar

Revolution in Weingarten: Bürger wollten mehr Demokratie

Weingarten / Lesedauer: 5 min

Vor 170 Jahren erreichte die Revolution Weingarten
Veröffentlicht:24.09.2018, 18:19

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Konstanz, 13. April 1848. Der badische Revolutionär Friedrich Hecker verlässt mit einer Heerschar von 30 bis 50 Getreuen Konstanz. Auf seinem Weg nach Karlsruhe will er sich mit weiteren Gesinnungsgenossen vereinen, dort den Großherzog absetzen und eine Republik ausrufen. Bekanntlich scheiterte das Unternehmen bereits nach sieben Tagen. Heckers Aufständische wurden von hessischen und badischen Soldaten geschlagen, er selbst floh in die Schweiz und emigrierte dann in die USA.

Auch wenn der sogenannte „Heckerzug“ scheiterte, bevor es sich zu einer großen Bewegung zusammenziehen konnte, hinterließ er jedoch Spuren. Auch in Oberschwaben. Dort sorgte sich die Obrigkeit, nach bekannt werden des Aufstandes, um – wie man sich heute vielleicht ausdrücken würde - die „innere Sicherheit“ des Landes.

Der Tettnanger Oberamtmann – ähnlich einem Landrat – erhielt den Auftrag, die politische Stimmung im südlichen Oberschwaben zu erkunden. Sein Ergebnis: Falls in der Gegend ein „Ausbruch“ versucht werde, was nichts anderes als Aufstand bedeutete, so ohne Zweifel in einem mehr brodelnden Ort als Tettnang, nämlich in Ravensburg oder Altdorf-Weingarten.

Pressefreiheit führt zu erster Kritik am Bürgermeister

Die politische Stimmung in Altdorf-Weingarten war zweifelsohne schon vor dem Heckerzug aufgeladen und hitzig. Seit den Ereignissen in Frankreich, als dort am 24. Februar 1848 die Revolution gegen das Königtum Louis Phillipes ausgebrochen war, veränderte sich auch die Situation in Deutschland. Das Volk wollte Reformen, und zwar schnell. Es wollte mehr Rechte und ein deutsches Parlament. Am 4. März 1848 verkündete ein königliches Manifest die sofortige Pressefreiheit, was in Weingarten auch sofort umgesetzte wurde.

Zwei Tage nach dem Manifest erschien nämlich in der zensurfreien Montagsausgabe des „Intelligenzblatts für das Oberamt Ravensburg“ ein Leserbrief des Weingartener Schneiders Karl Baumann. In diesem griff er den Weingartener Schultheiß Konrad Prielmayer scharf an. Prielmayer, der seit 1844 auch im Württembergischen Landtag saß, habe Vorbehalte gegen Industrialisierung und Eisenbahnbau. Er warf dem Schultheiß Parteilichkeit vor, weil dieser im Gasthaus Bären logierte und nicht im Rathaus wohnte. Die Antwort auf Baumanns Kritik erfolgte prompt. Ein Unbekannter bewarf sein Haus mit Fäkalien. Kurz darauf forderte eine Bürgerversammlung die Neuwahl von Schultheiß und Gemeinderat.

Prielmayer war ein umstrittener Mann im Rathaus. Kurz nach seiner Wahl 1842 beschuldigte man ihn der „Amtsehrenbeleidigung“. Der Gemeinderat nahm ihn vor dieser Anschuldigung in Schutz und bescheinigte ihm, er sei ein uneigennütziger Mann von unbescholtenem Ruf und offenem Charakter.

Baumanns Attacke auf den Bürgermeister sollte nicht die Einzige bleiben. Am 10. August 1848 schimpfte der Maurer Alois Joos , ein angesehener und wohlhabender Mann im Gasthaus Lamm mit kräftigen Worten auch gegen den Schultheiß und den willfährigen Gemeinderat. Joos wurde angeklagt. Er entging einer Strafe und möglichen Benachteiligungen bei Auftragsvergaben, in dem er der Forderung des Bürgermeisters nach Abbitte nachkam. Joos tat dies und publizierte sie in einer Zeitungsanzeige.

Verhaftung nach Randale am „Bären“ wird zum Politikum

Knapp neun Monate später: Am Abend des 16. Mai, dem Mittwoch vor Blutfreitag sitzt Prielmayer mit einem Oberförster und einem Oberst im Gasthaus Bären. Plötzlich wurden Scheiben eingeworfen und es fielen mehrere Schüsse. Das Ziel war die Wohnung des Schultheiß im ersten Obergeschoss. Als Verdächtigen verhaftete man Xaver Hund, der schon in der Vergangenheit durch „Unbotmäßigkeiten“ aufgefallen war. Doch Hunds Verhaftung geriet zum Politikum.

Nach dem Blutritt, der erstmals nach 40 Jahren wieder stattfand, zog eine Anzahl junger Männer gegen elf Uhr zur Tanzlaube des Bären und forderten vom Bürgermeister mit drohender Geräuschkulisse die Freilassung Xaver Hunds. Prielmayer lehnte ab. Zwei Tage später zogen die Männer mit großem Anhang vor das Amtsgericht in Ravensburg und forderten erneut Hunds Freilassung. Hund kam frei, weil seine Verhaftung durch Prielmayers Einschreiten in eigener Sache ungesetzlich war. Zwei Wochen später richteten sich 140 Bürger in einer Erklärung gegen den Schultheiß. Dieser blieb bis zu seinem Tod 1855 im Amt.

Der Staatsautorität überdrüssig – Bekenntnis zur Republik

Ob die Anschuldigungen gegen Konrad Prielmayer nun gerechtfertigt waren, sei dahin gestellt. Deutlich wurde dadurch jedoch eines: Das Bedürfnis der Bürger nach mehr Rechten, mehr Demokratie. Sie waren der starren Autorität des Staates überdrüssig. Der „Volksverein Altdorf-Weingarten“, im Mai 1848 gegründet und schnell auf 130 Mitglieder angewachsen, schickte eine Gruß- und Treueadresse an das sogenannte „Rumpfparlament“ in Stuttgart. Er begrüßte die Absicht, „die Durchführung der deutschen Reichsverfassung endlich zu verwirklichen und hierdurch eine auf Freiheit gegründete Ordnung der Dinge in Deutschland herzustellen.“

Am 17. Juni fand in Weingarten unter freiem Himmel eine große Volksversammlung statt, an der auch Frauen und Jugendliche teilnahmen. 710 Bürger und Bürgerwehrmänner aus Altdorf, Ravensburg und der Umgebung unterschrieben eine Resolution, dass man die von der Nationalversammlung gewählte Reichsregentschaft als oberste vollziehende Gewalt ansah. Doch noch am selben Tag schlug das Militär zu. Riedlingen wurde besetzt. Am nächsten Tag löste das Militär die Nationalversammlung in Stuttgart auf.

Es blieb alles beim Alten – zunächst.