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Weingarten

Offener Brief an Ministerin: „Bauer Ciao“

Weingarten / Lesedauer: 3 min

200 Lehramtsstudenten fordern Reform des Studiums
Veröffentlicht:25.10.2018, 17:53

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„Es war ihr erster Schritt auf uns zu, ein symbolischer“, sagt Ufuk Secilmes, Student an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, und freut sich mit seinen Mitstreitern über den ersten Erfolg ihrer Demonstration. Gemeint ist die Baden Württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Sie ist am Mittwoch zu Besuch an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten gewesen – eigentlich, um sich die „Start Up Stories“ anzuschauen und mit Gründern ins Gespräch zu kommen. 200 Studierende nutzten diesen Besuch, um ihrem Ärger Luft zu machen und, um einen offenen Brief an die Ministerin zu übergeben.

Dass Lehrer eine fundamentale Rolle bei der Entwicklung und Erziehung einer Gesellschaft spielen – und zwar von der Grundschule bis zur Oberstufe – steht außer Frage und wird von Experten regelmäßig gepredigt. Was aber, wenn sich der ohnehin schon knappe Lehrer-Nachwuchs nicht vernünftig auf den Beruf vorbereitet fühlt?

„Wir werden nicht auf das Führen einer Klasse vorbereitet“, sagt David Löwe , Lehramtsstudent und Mitorganisator der Demonstration. „Wir sind nach dem Studium zwar Profis in der jeweiligen fachlichen Richtung, es fehlt uns aber an Kompetenzen beim Management einer Klasse.“ Harte, selbstkritische Worte von einem Studierenden. Doch die 200 Demonstrierenden in Weingarten sind nicht allein. Schon jetzt haben vier Universitäten in Baden Württemberg den offenen Brief unterschrieben, weitere würden folgen. „Weingarten spricht hier für das ganze Land“, ist sich Löwe sicher.

„Mehr Praxis“

Mehr Praxisbezug während des Studiums könnte die Lösung des Problems sein. Seit der Änderung der Prüfungsordnung 2015 sammelten die Nachwuchs-Lehrkräfte ihre ersten nennenswerten Praxiserfahrungen frühestens im siebten Semester, erklärt Löwe. „Wenn man dann erst merkt, dass der Beruf im Alltag der falsche ist, steht man nach sieben Semestern ohne verwertbaren Abschluss da. Deshalb fordern wir regelmäßige Schulpraxis von Beginn an. Eine Art duales Studium ist vermutlich notwendig.“ Auch die Inhalte von Seminaren sollen weg von der Theorie, hin zum praktischen Schulalltag verändert werden. „Fünf verschiedene Definition von Erziehung helfen mir nicht, wenn ich noch nie mit 25 jungen Menschen zusammengearbeitet haben“, so der 33-Jährige weiter. Der offene Brief zitiert den Psychologen und Lehrbuchautor Christoph Eichhorn, der Klassen als komplexe und dynamische Systeme und den Lehrerberuf als einen der anspruchsvollsten Berufe der Welt bezeichnet. Integration und Inklusion sorgen freilich für keine Erleichterung der Aufgaben.

Doch die Studierenden ärgern sich nicht nur über die inhaltlichen Defizite des Studiums. Sie wünschen sich mehr Sicherheit: „Seit der Umstellung des Studiums auf das Bachelor- und Mastersystem bangen viele Studierende nach dem Bachelor, ob sie einen Masterplatz erhalten“, erklärt Löwe weiter. Bei den meisten Fächerkombinationen genügt der Bachelor nicht als Berufsqualifikation. Die Forderung nach einer Art Mastergarantie liegt demnach nah. Außerdem werden viele Lehrer nicht verbeamtet, arbeiten befristet an Schulen und sind in den Sommerferien wieder arbeitslos. „Dann gibt es nicht einmal Arbeitslosengeld, weil man dafür zuvor zwölf Monate am Stück gearbeitet haben muss“, ärgert sich Löwe, „unser Beruf ist von solch großer Bedeutung für die Gesellschaft: Wir fordern eine bedingungslose Verbeamtung für alle Absolventen!“

Theresia Bauer hat sich, anders als bei vergangenen Demonstrationen, zumindest zwei Minuten Zeit genommen, um den offenen Brief in Empfang zu nehmen. Sie hat versprochen zu antworten.