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Heimatsuche

„Odyssey“ erzählt von Heimatsuche

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Studenten zeigen Parallelen zwischen Flüchtlingen heute und in der Geschichte
Veröffentlicht:15.03.2016, 10:48

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Sie sind vor Krieg und Gewalt geflohen – 20 Weingartener erzählen im Magazin „Weingartener Lebensgeschichten – Odyssey“ ihre Geschichte, wie ihre Flucht sie nach Weingarten führte. Einige von ihnen leben schon seit den 1940er-Jahren in der Stadt, andere sind erst seit wenigen Monaten hier. 25 Studenten haben zwei Semester lang Kontakt zu Flüchtlingen in Weingarten aufgenommen und sie gefragt, wie Weingarten zu ihrer neuen Heimat werden konnte.

Das Projekt fand im Rahmen der Ausstellung Flucht und Vertreibung statt. „Es sind verschiedene Gruppen vertreten: Kriegsflüchtlinge aus dem Zweiten Weltkrieg, Gastarbeiter, aktuelle Flüchtlinge, wie zum Beispiel aus Syrien, Menschen mit Behinderung und studierende Ausländer“, erklärt Maik Winter von der Hochschule Ravensburg-Weingarten und Leiter des studentischen Projekts. Alle Interviewten im Magazin haben eine Gemeinsamkeit – sie mussten unfreiwillig ihre Heimat verlassen.

Das Projekt hat seinen Anfang im Studiengang Soziale Arbeit an der Hochschule Ravensburg Weingarten genommen. Eine der teilnehmenden Studentinnen war im Sommersemester 2015 Manuela Fischer . Die 53-jährige Studentin hat eine 87-Jährige interviewt, die 1947 nach dem Krieg aus Ostpreußen fliehen musste und einen 27-Jährigen, der eine halsbrecherische Flucht aus Kamerun hinter sich hat und erst seit einigen Monaten in Weingarten lebt. Im Magazin heißen die beiden „Frau H.“ und „Joseph“ – beides Pseudonyme – ihre Namen sind erfunden, ihre Geschichten jedoch wahr. „Obwohl die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlich scheinen, ihre Fluchtgeschichten haben viele Parallelen“, sagt Manuela Fischer. Zum Zeitpunkt der Flucht war Frau H. 17 Jahre alt, Joseph 20. Beide sind über Gewässer geflohen. Frau H. über die Ostsee und Joseph übers Mittelmeer. Und beide haben dabei Menschen, die ihnen lieb waren, vor ihren Augen ertrinken sehen. Die Gespräche mit den Interviewten hinterließen bei Manuela Fischer einen tiefen Eindruck: „Ich hatte das Gefühl, dass Frau H. ihre Erfahrungen verarbeitet hat, sie konnte frei darüber reden. Bei Joseph war das anders – seine Flucht liegt noch nicht so lange zurück – er redete mit einer gewissen Distanz, über das was passiert ist.“ Das Magazin „Weingartener Lebensgeschichten – Odyssey“ zeigt auch die Perspektiven von vier Ur-Weingartener und thematisiert die verschiedenen Zuwanderungswellen durch Experten.

Ein Jahr Arbeit

Über ein Jahr Arbeit steckt hinter den aufgeschriebenen Fluchtgeschichten. Eine besondere Herausforderung war es an die Interviewpartner heranzukommen. „Wir haben Flyer erstellt und in der Stadt verteilt, mit dem Aufruf sich bei uns zu melden, wir haben uns an Vereine der Vertriebenen gewandt und nicht zuletzt hat uns die Integrationsbeauftragte der Stadt Christine Bürger-Steinhauser bei der Suche geholfen“, sagt Maik Winter. Bei ausländischen Studenten, sei die Bereitschaft für ein Interview sehr hoch gewesen, anders sehe das bei Kriegsflüchtlingen aus. „Da ist es eher problematisch, weil viele mit Angst besetzt sind“, sagt Winter.