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Talschule

Märchenfiguren in der Krise – oder nicht?

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Schwimmnudeln inklusive: 400 Talschüler bringen Musical-Event auf die Bühne
Veröffentlicht:24.06.2018, 15:48

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Das Musical „Erzähl uns doch (k)ein Märchen“ hat am Freitagabend im Kultur- und Kongresszentrum (KuKo) eine bunte, mitreißende Premiere gefeiert. Der Clou an der Sache: Nicht Darsteller großer Musical-Ensembles aus Hamburg oder Berlin standen auf der Bühne – sondern alle 400 Grundschülerinnen und -schüler der Weingartener Talschule. Und Eltern, Großeltern, Geschwister und Freunde staunten nicht schlecht, denn das war großes Musik-Theater. Es wurde zu Recht umjubelt.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Ein paar der Größen aus dem Märchen-Land treffen sich, klagen einander das Leid der modernen Zeit, in der sie quasi überflüssig werden. Denn jeder gucke lieber ständig in ein kleines Gerät als sich zu unterhalten, und abends hocken alle „vor einem Kasten, in dem kleine Menschen Theater spielen“. Das Problem: Die Eltern haben kaum mehr Zeit für Märchen-Vorlesestunden. Es scheint also, als sterbe die Tradition der Märchen und damit auch die Figuren aus. Ja, die Märchenfiguren sind tatsächlich in der Krise!

Auf der Bühne wird diese Botschaft, die so locker-leichtfüßig daherkommt und gleichzeitig irgendwie traurig stimmt, in einem bunten und ansprechenden Reigen, kindgerecht und mit sehr viel Augenzwinkern umgesetzt. Der gestiefelte Kater (Lilo Arnold) singt mit großer Leidenschaft und glasklar – grad so, dass wohl der ehrwürdige große Saal denken muss „hier haben schon dünnere Stimmen die Bühnenbretter betreten“. Die Kostüme – alle selbst erdacht und handgefertigt von Dutzenden von Grundschul-Müttern und Großmüttern – schillern, strahlen, zeigen Klasse. Und obendrein scheint es in den Grundschulklassen der Talschule überdurchschnittlich viele talentierte Kinder zu geben.

Seit Oktober wurde geprobt

Seit Oktober letzten Jahres haben die sechs- bis elfjährigen Mädchen und Jungen geprobt, nach den Vorgaben und unter der Regie von Schulsozialarbeiterin Tina Lensler (die mit Körpereinsatz an der Bühnenkante nicht nur die Souffleuse sondern auch die Vortänzerin gibt) und getreu der Geschichte aus der Feder von Silvia Wiggenhauser. Die fein abgestimmte Musik hat Rainer Möser komponiert, umgesetzt wird sie von einer neunköpfigen Live-Band der Musikschule Ravensburg, die am Premierenabend noch von einem jungen Klassenlehrer am Bass unterstützt. Und was wäre das ganze Musical ohne den Chor? Wohl nur die Hälfte, denn die allerliebsten Grubenzwerge schmachten und summen, damit auf der Bühne die Akteure auf einen breiten Stimmteppich treffen.

Überhaupt: die Akteure. Ob die gute Fee (Alissa Quint), das tapfere Schneiderlein (Sophia Winkel) oder der böse Wolf (Talia Zakel), ob Rumpelstilzchen (Lukas Tauscher), der Froschkönig (Lara Schmid) oder Anna Krause als Zauberspiegel – die Hauptrollen sind prima besetzt und von den Kostümbildnern ideenreich ausstaffiert. Die Bühnenausstattung ist schmal gehalten. Dafür aber sind die tanzenden und singenden Sonnenanbeter (zu denen sich das Rumpelstilzchen vorübergehend zurückzieht) in Flossen, mit Schwimmnudeln und bunten Auftriebshilfen eine Freunde. Und die Unterwasserwelt, in der der Froschkönig vorübergehend sein Glück sucht, die ist nicht nur der schillernden Quallen wegen ein Fest für die Augen.

Der Vielfältigkeit der Welt und auch an der Talschule zollt schließlich die Gruppe der „Nein-Sager“ subtil Tribut: Auf den Latzhosen der Tänzer prangt „hayir“, „Jo“, „Het“ oder „No“. Und „Nein“ ist am Ende auch die Botschaft. Es darf und soll kein Märchen-Sterben geben, aufzugeben kommt nicht in Frage. Und so endet das Musical fulminant und mit der Erkenntnis, dass Märchen – adaptiert und auf den „Märchen sind cool-Status“ gebracht – wieder und immer noch im Trend sind. Es kommt lediglich darauf an, wie man sie verpackt.