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Mord

Kopfschuss-Prozess: Beide Angeklagte gestehen

Weingarten / Lesedauer: 5 min

Erster Verhandlungstag vor dem Landgericht Ravensburg – Im Juni sollen sie einen Mann in Weingarten getötet haben
Veröffentlicht:11.01.2017, 20:01

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Im Prozess wegen gemeinschaftlichen Mordes gegen einen 60-jährigen Mann und eine 40 Jahre alte Frau vor dem Ravensburger Landgericht haben beide Angeklagte die Tat, beziehungsweise die Beteiligung daran, eingeräumt. Beiden wird vorgeworfen, am 21. Juni 2016 in einer Wohnung im Weingartener Möwenweg einen 49 Jahre alten Mann erschossen zu haben. Während die Angeklagte nur wenig von ihrem Leben preisgab, schilderte der Tatverdächtige ausführlich sein von Straftaten geprägtes Leben. Für ihn sei Töten „dann und wann notwendig“, sagte er bei seiner Erklärung. Die Verlesung der Anklageschrift durch Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl brachte zudem weitere Details zum Tatablauf an die Öffentlichkeit.

So soll der Angeklagte bereits am 11. Juni – also zehn Tage vor der Tat – die 40-Jährige gefragt haben, ob er das spätere Opfer „wegmachen soll“. Sie habe, laut Diehl, gegenüber Dritten erklärt, „dass er erschossen gehöre“. Am 21. Juni habe der Angeklagte dann erneut angeboten, den 49-Jährigen „nun endgültig wegzumachen“. Sie soll gesagt haben: „Ja, mach ihn weg.“

Schuss durch Kissen

Daher machten sich die beiden mutmaßlichen Täter auf den Weg zur Wohnung des Opfers, der sie hereinließ und „nicht mit einem tödlichen Angriff rechnete“, wie es Diehl beschrieb. Daher habe er sich mit dem Rücken zum Raum auf einen Schreibtischstuhl gesetzt. Während die Frau den 49-Jährigen in ein Gespräch verwickelte, schoss der Angeklagte dem Opfer durch ein Kissen in den Kopf.

Er selbst äußerte sich auf Anraten seines Verteidigers Norbert Kopfsguter beim Prozessauftakt nicht weiter zu der Tat, als dass er der Anklageschrift zustimmte. Die 40-jährige Tatverdächtige hatte dagegen gemeinsam mit ihren Anwälten Nicole Pfuhl und Uwe Rung eine Erklärung vorbereitet, die Rung vortrug. Sie räume die Beteiligung an der Tötung ein und sei sich bewusst, dass dies ein Geständnis sei. „Ich sehe ein, dass ich nicht ganz unschuldig bin“, ließ sie verlauten. Am Tatabend habe sie viel Alkohol getrunken. Sie hätte einschreiten müssen, doch alles sei viel zu schnell gegangen: „Er hat es gemacht.“

Angeklagter prahlt mit Taten

Während sich der Angeklagte zum Tatablauf nicht äußerte, gefiel er sich in der Rolle des Erzählers, als es um seine Lebensgeschichte ging. Der deutsche Staatsbürger, geboren in Maribor in Slowenien, berichtete fast schon stolz und in eineinhalb Stunden von zwei weiteren Tötungen und einigen schweren Körperverletzungen in Heilbronn und Bregenz.

Nachdem er in Heilbronn in den 1980er Jahren einen Mann getötet und einen weiteren schwer verletzt hatte, floh er über Frankreich und Italien nach Österreich. Dort wollte er sich neue Munition für seine Pistole holen und überfiel ein Waffengeschäft, tötete den Inhaber, der sich ihm in den Weg stellte und nahm die Tochter des Besitzers zeitweise als Geisel. Als er aber zwei Polizisten überwältigen wollte, um deren Auto und Uniformen zu stehlen, wurde er überwältigt. „Da war es aus. Da hatte ich verloren. Nach zwei, drei Minuten hatte ich 50 Polizisten um mich herum“, erzählte er.

Auch seine gescheiterten Ausbruchsversuche aus dem Gefängnis trug der Angeklagte stolz vor sich her: „Die ersten zehn Jahre habe ich Vollgas gegeben“, sagte der heute 60-Jährige, der laut eigener Aussage insgesamt 29 Jahre und zwei Wochen bis zum Jahr 2012 in Haft saß. Unverblümt gab er auch zu, dass er gegen die Vermischung von Rassen sei. „Ich bin ein Rassist, aber nicht im negativen Sinn. Ich bin kein Nazi.“ Unübersehbar in diesem Zusammenhang ist aber auch sein Hang zu Waffen und Gewalt. Daher hatte er auch wenig Verständnis dafür, dass ihm sein Bewährungshelfer – nach abgesessener Haftstrafe, als er nach Weingarten gezogen war, da er sich in Oberschwaben sozial verwurzelt und wohlfühle – ein Messer und eine Soft-Air-Pistole abnahm. Obwohl der Besitz gegen seine Auflagen verstieß, bezeichnete er sie als „normales Metzgermesser“ und „Plastikpistole“.

Zerrüttete Kindheit

Bezogen auf die Redseligkeit scheint die 40 Jahre alte Angeklagte – ebenfalls schon viermal, aber deutlich kürzer im Gefängnis – genau das Gegenteil zu sein. Zumindest gab sie sich bei ihrer Anhörung schüchtern, zurückhaltend und wortkarg. Mit brüchiger Stimme ließ sie sich jedes einzelne Wort von Richter Hutterer herauslocken. Die Ursachen dafür scheinen tief zu liegen. Eine zerrüttete Kindheit, ab dem fünften Lebensjahr ein Leben bei den Großeltern und kaum ein Verhältnis zu den eigenen Eltern. Auch sprach der mutmaßliche Täter davon, dass sie in jungen Jahren sexuell missbraucht worden sei. „Die Ursache ihrer Traurigkeit – sexueller Missbrauch“, sagte er. Sie verneinte dies auf Nachfrage des Gerichts.

All das trieb die Angeklagte schon früh in den Alkohol. Seit ihrem 17. Lebensjahr trank sie viel, ab 19 Jahren massiv. Waren es anfangs noch einige Bier, trank die Angeklagte zuletzt bis zu fünf Liter Bier pro Tag. Dazu kam täglich mehr als eine Schachtel Zigaretten. Nach eigener Aussage will sie keine anderen Drogen genommen haben. Doch gab die Angeklagte zu, dass die Kombination von Alkohol und Frust bei ihr teilweise zu Aggressionen führe. „Ich kann nicht mit jedem trinken“, sagte sie. „Meistens bin ich höflich, wenn ich Alkohol trinke.“ Dass das nicht immer der Fall war, belegt auch ein Angriff im April 2016. Damals hatte sie dem späteren Opfer betrunken eine Glasflasche über den Kopf gezogen.

Tatverdächtige will in Psychiatrie

Und auch am eigenen Körper machte sich die Alkoholsucht immer stärker bemerkbar. Laut Gericht war sie in den vergangenen Jahren bis zu 20-mal im Zentrum für Psychiatrie Weißenau (ZfP). Kreislaufprobleme und Appetitlosigkeit auf körperlicher, Psychosen, Schizophrenie und Stimmen im Kopf auf psychischer Seite. „Ich brauche schon Hilfe“, sagte sie, und Verteidiger Rung erklärte hinsichtlich ihrer Unterbringung im Gefängnis: „Sie sieht sich eher in der Psychiatrie aufgehoben.“