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Diözese

Im Grau sind alle Farben enthalten

Weingarten / Lesedauer: 4 min

Neue Ausstellung in der Akademie der Diözese auf dem Martinsberg
Veröffentlicht:12.12.2017, 11:41

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Mit der Frage „Wer hat Angst vor Schwarz, Grau und Blau?“ legt der Titel der neuen Ausstellung in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart eine Anspielung an Barnett Newmans berühmte Serie „Who's Afraid of Red, Yellow and Blue?“ nahe. Kuratorin Ilonka Czerny inspirierten zu diesem Titel nicht nur die ausgestellten Werke der vier beteiligten Künstler Sabine Becker, Gerhard Langenfeld, Matthias Lutzeyer und Kurt Laurenz Theinert , sondern vor allem die Ausschließlichkeit ihrer Beschäftigung mit den Farben Schwarz, Grau und Blau. So wurde die Vernissage am Sonntagmorgen (15. Oktober) mit einer so konzisen wie anschaulichen Einführung von Herbert Köhler und einem musikalischen Beitrag des vierköpfigen „Ensemble Hörwerk“ aus Stuttgart zu einer anregenden Meditation über die Bedeutung und Wirkung von Farbe.

Indem die drei Sängerinnen und der Leiter Richard Spaeth auf seinem Instrument – einem Eigenbau aus einer Heidelberger Werkstatt und eine Form zwischen Oud, Theorbe und Laute – eine Welt feinster Töne in den Zwischenräumen der bekannten Tonleiter spinnen würden, erläuterte Herbert Köhler in einem kleinen Exkurs, vollbrächten sie etwas Ähnliches wie die Künstler mit den Farben Blau, Grau und Schwarz. Dass jede Farbe zudem unter dem Einfluss von Licht je nach Tageszeit und Wetter ihr Wesen verändert, wird in den monochromen Werken umso deutlicher. Im Erdgeschoss bieten die tiefen Fensterlaibungen, die vom Tageslicht erhellt werden, den Hochrechteckformaten von Sabine Becker in leuchtendem Kobaltpigment mit aufgebrachten Acrylstrukturen einen spannenden Auftritt. Die aus Lübeck stammende Wahl-Konstanzerin arbeitet bereits seit 1991 mit diesem besonderen hellen Kobaltblau. Beim Hineingehen in den breiten Flur sieht man die vertikalen Formate in einer Reihung hintereinander, beim Hinausgehen erblickt der Betrachter auf der Gegenseite eine Serie von kleinen Quadraten. Auf der gegenüberliegenden Wand spielen Querformate mit punktartigen Verdichtungen mit dem visuell taktilen Empfinden. Die Monochromie der geschichteten, matten Oberfläche wird durch diese Strukturen mal verstärkt und mal aufgebrochen.

Im Gang darüber wirken die Arbeiten von Gerhard Langenfeld wie große schwarze Wände zwischen den zahlreichen Türen, kleinere Arbeiten sind vom Licht abgewandt an der Gegenseite aufgehängt. Ihre Schwärze ist vielseitig: eine feine, kaum wahrnehmbare graue Linie trennt Schwarz von Tiefschwarz und öffnet den Bildraum der dritten Dimension. Im vollen Tageslicht spricht auch das Stoffmaterial unter der Acrylfarbe mit. Zwei große Lacktondi, eins ganz schwarz, eins mit zwei schmalen weißen Streifen mit vibrierendem Kontur, reflektieren den Umraum: So sinken die Farben der Umgebung in die Nichtfarbe Schwarz, die ähnlich wie die Nichtfarbe Weiß in der Natur so nicht vorkommt, deren Varianten jedoch unzählig sind.

Nicht fassbare Kraft

Auf gänzlich andere Art behandelt Matthias Lutzeyer das Schwarz. Er formt Rußpigmente und zum Teil auch Metalloxyde mit Leinöl zu einem zähen Teig, durchknetet diesen und bringt das bleischwere Material auf später unsichtbaren Holztafeln auf. Hier in Weingarten stellt er ausschließlich Wandobjekte aus, deren in den Raum vorstoßende Volumenhaltigkeit auch eine durchaus bedrohliche und einnehmende Energie vermittelt. Natürlich drängt sich einem beim Betrachten dieser knolligen „Gewächse“, die auf eine anarchische Art der Natur folgen, die Assoziation zu erkalteter Lava auf; faszinierend jedoch ist daran die Vermittlung einer nicht fassbaren, dynamischen Kraft.

Kurt Laurenz Theinert hat ebenfalls wie Langenfeld und Lutzeyer in Stuttgart studiert und arbeitet international als Fotograf und Lichtkünstler. Mit seinem „visual piano“ bespielt er öffentliche oder sakrale Räume in aller Welt, einige Arbeiten sind auf Youtube zu sehen. Für ihn ist alles dem Licht unterworfen, und auch sein den Künstlern Josef Albers, Kasimir Malewitsch und Mark Rothko gewidmetes Quadrat, das an der Stirnseite des Obergeschosses hängt, wird im Wechsel der RGB-Lichtfarben einer ständigen farblichen Veränderung unterzogen. In zwei anderen Arbeiten verwandelt er ein schwarzweißes Wolkenhimmelbild in ein Grau, aus dem Farben wie Blumen herausdrängen, denn im Grau sind alle Farben enthalten, sagt dazu die Farbenlehre.