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Erziehermangel

Wegen Erziehermangel: Weingartener Kindergartengruppe geschlossen

Weingarten / Lesedauer: 4 min

Erziehermangel lässt dem Träger keine Wahl – Eltern organisieren sich teils selbst
Veröffentlicht:22.06.2022, 11:00

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Dass händeringend Erzieher und Erzieherinnen gesucht werden, ist nicht neu – auch nicht in Weingarten. Doch dort ist es nun zum Extremfall gekommen: Eine Gruppe im Eduard-Mörike-Kindergarten musste von heute auf morgen geschlossen werden. Auf Facebook diskutieren Eltern und ein Mitglied des Gemeinderats darüber.

Gleich zwei Erzieherinnen sind schwanger, hinzukommen Krankheitsfälle. Sie gilt es zu ersetzen. Der Träger, die evangelische Kirchengemeinde, zeigt sich wenig zuversichtlich. Trotzdem konnte für die betroffenen Kinder und Eltern Alternativen gefunden werden.

„Es ist der Extremfall, den wir alle fürchten“, sagt Pfarrer Stephan Günzler von der evangelischen Kirche in Weingarten. In kurzer Zeit sind gleich mehrere Erzieher im Eduard-Mörike-Kindergarten ausgefallen – einem von dreien, die die Kirchengemeinde verwaltet. Zwei Leiterinnen seien schwanger.

Das bedeutet nach aktueller Gesetzeslage Beschäftigungsverbot ab dem Tag, an dem sie die Schwangerschaft bekannt machen. Hinzu kämen mehrere unvorhersehbare Krankheitsfälle. „Die kommen wieder. Doch diese Zeit müssen wir überbrücken“, so Günzler.

Schließung als einziger Ausweg

Zunächst hätten die Kindergärten der evangelischen Kirche versucht, einander auszuhelfen. Doch das Personal reicht nicht aus, um die vorgeschriebene Mindestanzahl an Aufsichtspersonen für die Kinder zu garantieren. Dieser Personalschlüssel richtet sich neben der Gruppengröße auch an den Öffnungszeiten der jeweiligen Einrichtung.

„In diesem Fall wurde der Personalschlüssel weit unterschritten. Dann muss man schließen“, betont Günzler. Der Personalschlüssel sei wichtig, um langfrisitig eine gute Betreuung bieten zu können. Seit dem Tag nach Pfingstmontag, dem 7. Juni, wird nur noch eine der beiden Hausgruppen im Eduard-Mörike-Kindergarten betreut. Das soll voraussichtlich bis September so bleiben.

Diese Alternativen haben die Eltern

Die evangelische Kirche habe bereits Anfang Mai die Stadt Weingarten über die Notlage informiert, wie die Stadtverwaltung auf Anfrage mitteilte. Gemeinsam habe man Lösungen für die von der Schließung betroffenen Eltern erarbeitet. Ihnen habe man ein sogenanntes Platzsharing angeboten. Dabei teilen sich mehrere Kinder einen Platz und wechseln sich an ausgewählten Tagen ab. Die verbliebene Gruppe wurde zusätzlich von 25 auf 28 Kinder aufgestockt.

Darüber hinaus habe die Stadt den Eltern alternative Betreuungsplätze im Waldkindergarten sowie im Kindergarten Paul Gerhard organisiert. Damit ging die Stadt ihrer Pflicht nach, Kindern ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Platz zu schaffen. Das schreibt eine bundesweite Regelung aus dem Jahr 2013 vor.

„Wir haben für alle Kinder eine Lösung gefunden“, sagt Pfarrer Günzler. Einige Eltern seien besonders kooperativ. Sie vernetzen sich untereinander und treffen sich nun privat, damit die Kinder sich weiterhin sehen können. Gerade für die Vorschüler sei das wichtig, damit sie noch einen schönen Abschluss in ihrem letzten Kindergartenjahr haben.

Aktuer Erziehermangel

Spätestens nach den Sommerferien soll der Kindergarten wieder unter Normalbetrieb öffnen. Falls sich neue Mitarbeiter finden, auch schon im Juli. Doch zuversichtlich ist Pfarrer Günzler nicht. Seit Anfang Mai schreibt die evangelische Kirche befristete Stellen aus, darunter zwei Leitungspositionen in Vollzeit. „Es ist fatal, wie wenig Rückmeldungen wir bekommen“, sagt Günzler.

Vorzüge wie deutlich mehr Lohn oder gar eine Wohnung, die vom Arbeitgeber gestellt wird, kann die evangelische Kirchengemeinde potenziellen Bewerbern nicht bieten, sagt Günzler. Es gebe von der evangelischen Kirche genaue Tarife, an die sie sich halten müssen. Das sei aus seiner Sicht aber nicht ausschlaggebend für den akuten Personalmangel. Schon seit zehn Jahren beobachte Günzler wie schwer es ist, qualifizierte Erzieher zu finden. Und das nicht nur in seiner Gemeinde.

Nach Angaben des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) werden bis 2025 schätzungsweise zusätzlich 40 000 Erzieher gebraucht. Das Land versuche seit zehn Jahren mit einem praxisnahen Ausbildungsmodell für Quereinsteiger dem Personalmangel entgegenzuwirken. Das reicht laut Günzler aktuell nicht aus. Die vergütete Ausbildung dauert mit Anerkennungsjahr immerhin drei Jahre. Inzwischen stelle die evangelische Kirche auch Studierende aus dem pädagogischen Bereich ein. Selbst in der Hochschulstadt Weingarten seien die jedoch nur schwer zu finden.