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Recyclingbein

Ein Recyclingbein für Entdecker

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Warum der „Iron Man“ von Mirko Siakkou-Flodin die interaktivste Skulptur in Weingarten ist
Veröffentlicht:25.02.2016, 18:11

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Sie stehen im Stadtgarten, in der Fußgängerzone, an Straßenecken: Skulpturen gibt es in Weingarten vielerorts. Woher kommen sie? Weshalb zieren sie den jeweiligen Standort? Und wie lange schon? Julia Marre hat sich in Weingarten umgesehen. Die Ergebnisse dieser Spurensuche stellen wir in loser Folge vor. Heute: „Iron Man“ von Mirko Siakkou-Flodin.

Wer Kunst aus Treibholz baut, der kann etwas erleben: Erst war’s der Specht, der die Nordic-Walking-Skulptur von Mirko Siakkou-Flodin so sehr mochte, dass er ständig Löcher hineinhackte. Dann gab es eine große Grillparty in Nessenreben – und das hölzerne Bein lag auf einmal zerbrochen auf der Wiese am Waldrand. Das war im Sommer 2013. Und es hat kein halbes Jahr gedauert, bis Siakkou-Flodin eine neue, übergroße Figur fertiggestellt hatte. Aus Metall. „Die ist jetzt wirklich unkaputtbar“, sagt der Künstler, „wenn nicht gerade jemand mit dem Auto vorfährt und sie mit einer Kette umreißen will.“ Wie ein Stück übriggebliebene Hollywood-Kulisse aus den „ Transformers “-Filmen sieht er aus, der „Iron Man“ von 2014: In den Weingarten-Farben Rot und Weiß ist der überdimensionale Unterschenkel samt Fuß und Walking-Stock aus Recycling-material geformt. Doch hier haben sich keine Roboterteile in den Wald verirrt, sondern vorwiegend Übrigbleibsel von Autos. Die Idee hinter der Skulptur: Erst die moderne Mobilität macht Sportarten wie Nordic Walking notwendig – und das erzählen ausgerechnet Reste von Audi, Volvo, Opel, Ford, VW und Hyundai. Außerdem Reifen, Relikte der einstigen vorwiegend hölzernen Treibholz-Skulptur.

Autowerkstatt liefert Material

Und viele, viele Schrauben. „Eine Autowerkstatt in Kasernen ist meine Hauptquelle für Fahrzeugteile“, sagt Siakkou-Flodin. Außerdem stöbert er gern in den Containern der Schrottplätze. Besonders faszinieren ihn Kotflügel: „Das sind meine absoluten Lieblingsteile vom Auto, weil sie durch den Radkasten so viel Schwung haben.“

Der rund 250 Kilo schwere „Iron Man“, an dem regelmäßig der Weingartener „Nordic Walkathon“ startet, ist das interaktivste Exponat, das die Stadt zu bieten hat. Nicht nur wegen seines Standorts zwischen Freibad und Nordic-Walking-Strecken. Auch wer gern mit dem GPS-Empfänger „Schnitzeljagd 2.0“ spielt, der landet dort: Denn irgendwo an, in, unter oder auf der Skulptur befindet sich ein Logbuch für Freunde des sogenannten Geocachings, einer Schatzsuche mit dem Smartphone. „Solche Strömungen greife ich gerne auf“, sagt der Künstler, der beim Wiederaufbau der Skulptur das Geocaching-Zubehör entdeckte und in seine neue Arbeit integrierte. Außerdem hat er am vier Meter hohen Bein etliche Plätze geschaffen, an denen Spaziergänger ihre Liebesschlösser anbringen können: Sieben Stück mit gravierten Initialen hängen dort bereits.

Dass Passanten an der Skulptur „immer wieder etwas zu entdecken haben“, ist Siakkou-Flodin bei Kunst im öffentlichen Raum wichtig. Wenn es nicht Geocaching-Schätze oder Liebesschlösser sind, so stößt manch einer vielleicht auf ein Relikt seines alten Autos. Der gelernte Schmied geht seinem eigentlichen Handwerk heute nur noch sporadisch nach. „Für mich liegt der Reiz im Recycling“, sagt er. „Weil es alles schon gibt, muss man weniger Energie aufwenden; ein ausrangierter Kotflügel ist bereits rot und in Form gebracht und hat allein schon dadurch eine Aussage.“

Zurzeit fertigt der vielseitige Künstler aus Wilhelmsdorf-Zußdorf als Auftragsarbeit eine Baumskulptur aus Metall. Was er ebenfalls gern macht: „viele Leute einbinden“. So arbeitet er gemeinsam mit Schülern oder Studenten an Projekten, hat beispielsweise für die Aula der Gewerblichen Schule in Ravensburg eine Wandgestaltung gefertigt oder an der Westseite des Ravensburger Bahnhofs eine Turbinen-Skulptur.

Lesen Sie demnächst, weshalb Frimut Husemanns „Körperlandschaften“ auf dem Martinsberg einst so umstritten waren.