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Pilgereinkehr

Ein Abend à la Albert Bouley

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Auf Einladung der ehemaligen Wirtin des Ravensburger Waldhorns las Food-Autor Stevan Paul im Klostercafé in Weingarten aus seinem Roman
Veröffentlicht:14.05.2017, 15:15

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Vom Gourmet-Restaurant zur Pilgereinkehr. Seit knapp einem Jahr arbeitet Brigitte Bouley, einstige Chefin der Ravensburger Nobelgastronomie Waldhorn, im Martinus Klostercafé in Weingarten. Am Freitagabend lud die Serviceleiterin Stevan Paul , den ehemaligen Schüler ihres verstorbenen Mannes und Sternekochs Albert Bouley, zur Lesung aus seinem ersten Roman. Das Buch „Der große Glander“ hat der Food-Journalist seinem großen Lehrmeister gewidmet. Ein Genuss für Gaumen und Geist.

Gaumenfreuden und kulinarische Geschichtshappen, diese Menüfolge hätte Albert Bouley gefallen, dem Ravensburger Sternekoch, der vor vier Jahren verstarb. Überdies seine Frau in ihrem Element zu sehen, als liebenswerte wie kompetente Gastgeberin, die ihren Gästen ans Herz gewachsen ist, und die bei der Lesung mit Stevan Paul auf dem Martinsberg Waldhorn-Flair verbreitete. So viele Ravensburger sah man selten in Weingarten vom Wochenmarkt einmal abgesehen.

Neues Gastro-Konzept scheiterte

Über 30 Jahre war Brigitte Bouley die geschätzte Waldhornwirtin, bis ihr Mann im April 2013 verstarb und mit ihm die Sternenküche, die Ravensburg in der ganzen Republik und darüber hinaus bekannt gemacht hatte. Da Brigitte Bouley mit ihren Ideen bei der Erbengemeinschaft kein Gehör fand – diese setzte auf ein neues Gastro-Konzept, das dann kläglich scheiterte – kehrte die gebürtige Leutkircherin Ravensburg den Rücken. Nach zwei Jahren Restaurantleiterin in der Schweiz, landete sie im letzten Jahr nun glücklich wieder in Weingarten, im neu eröffneten, von der St. Elisabeth Stiftung betriebenen Martinus Klostercafé neben der Basilika.

Dieses freute sich bei der Lesung mit Stevan Paul über ein volles Haus. Die Kochlehre bei Albert Bouley Ende der Achtzigerjahre inspirierte den gebürtigen Ravensburger zu seinem journalistischen wie schriftstellerischen Tun. Nach zwei Erzählbänden und Kochbüchern widmete Paul, der seit 20 Jahren in Hamburg lebt, seinen ersten Roman „Der große Glander“, Albert Bouley. Mit diesem Werk wolle er seinem Lehrmeister ein letztes Mal danke sagen und sich vor einem großen Koch verbeugen. Bouley sei ein Intellektueller, ein Philosoph gewesen, der ihn nicht nur als Koch sondern auch menschlich weitergebracht hätte.

Krimi und Liebesgeschichte

Die Bouley’sche Philosophie durchzieht denn auch den fast 300 Seiten starken Roman, wo es um Kunst, Kochen und Kochkunst geht. „Der große Glander“ ist Krimi und Liebesgeschichte, vor allem aber eine Hommage ans Essen und seine Zubereitung. Ein Plädoyer für den Genuss, der selten eine Frage des Geldes, immer aber eine Frage des Stils sei, wie dem „charmant intriganten“ Oberkellner Adam schon früh in seiner Karriere klar wird.

Stevan Paul kann nicht nur schreiben, sondern auch wunderbar sinnlich erzählen. Die Zuhörer stehen unter permanentem Speichelfluss, wenn er eintaucht in Küchenwelten mit ihren Düften und Aromen. Wenn die Köche rühren in Farcen, Teigen, Fonds und Jus, schuppen, braten, verkosten, um den perfekten Teller zu zaubern, der alle Sinne berührt. Beim „Alten“ in der Geschichte dürfte Albert Bouley unter anderem Pate gestanden haben. Wie er sich mit der „Eleganz eines Zauberers“ durch die Küche bewegt, an jedem Kraut, an jedem Gemüse riecht, wie er die Zutaten berührt, beinah zärtlich das Messer führt und seine Mannschaft fordert, es ihm gleichzutun an Leidenschaft und Hingabe ans Kochen, das so zur Kunst wird.

Wenn auch Albert Bouleys Sternenküche kalt bleibt, dem Meister hat Stevan Paul im „Großen Glander“ ein Denkmal gesetzt.