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Blutfreitag

„Der Segen am Blutfreitag gilt allen“

Weingarten / Lesedauer: 4 min

Dekan Ekkehard Schmid über integrativen Charakter, Sicherheit und persönliche Highlights
Veröffentlicht:22.05.2017, 21:50

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Tausende versammeln sich am Freitag, 26. Mai, wieder in Weingarten, um bei Europas größter Reiterprozession dabei zu sein. SZ-Redakteur Markus Reppner sprach im Vorfeld mit Dekan Ekkehard Schmid.

Herr Dekan, inwiefern hat der Blutfreitag einen integrativen Charakter?

Integrativ ist der Blutfreitag schon in der Hinsicht, dass er kein lokales sondern ein regionales Ereignis ist. Er verbindet Menschen, Dörfer und eine ganze Landschaft. Das ist schon sehr speziell. Je offener die Gesellschaft wird, desto größer wird die Aufgabe für die Religion, nicht zu spalten, sondern segensreich und konstruktiv zu wirken. Der Segen am Blutfreitag gilt allen. Das ist ein Zuspruch Gottes an die Menschen, aber auch ein Anspruch an die, die an der Prozession teilnehmen. Habe ich meine Hausaufgaben gemacht? Bin ich einer, der Segen bringt und wo fällt es mir schwer Brücken zu bauen? Theologisch gesehen ist der Tod Jesu, wie es in den Paulus-Briefen heißt, etwas, das die trennende Mauer der Feindschaft niedergerissen hat. Und wenn wir das vergossene Blut Jesu verehren, dann geht es darum, dass er für alle gestorben ist. Gleichzeitig ist das eine Zusage und die Aufgabe zu fragen, wo bin ich für alle da? Da kann ich mich nicht einmauern. Als Katholiken wollen wir damit Menschen zusammenbringen. Zudem findet der Blutfreitag ja nicht hinter verschlossenen Türen statt. Jeder darf sich dazu verhalten.

Für viele ist der Blutritt etwas Heiliges. Heiliges in dem Sinne, dass zu bewahren ist, wie es ist und wie es schon vor 500 Jahren war. Wie sehen Sie das?

So starr, wie Sie es jetzt sagen, ist es, wenn man genau hinschaut nicht. Auch der Blutritt hat sich in seinen Ausdrucksformen gewandelt. Sicherlich ist manches in den letzten 40, 50 Jahren altehrwürdiger erschienen als es in den letzten Jahrhunderten war. Aber der Blutfreitag, so wie wir ihn heute feiern, hat sich im 18. Jahrhundert, vor allem aber im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verändert. Es gab immer wieder Akzentverschiebung im Programm. Was gleich geblieben ist, sind die Pferde. Das ist eigentlich etwas Archaisches, weil Pferde ein Arbeitsmittel und ein Herrschaftszeichen waren. Da stimmen die Wirklichkeit und das, warum man ursprünglich Pferde zum Blutfreitag mitgenommen hat, nicht mehr zusammen. Dafür rückt heute dadurch der Schöpfungscharakter in den Vordergrund. Wer am Blutritt teilnimmt spürt sehr elementar, dass wir Menschen in einer Mitwelt leben und als Geschöpfe für die anderen Kreaturen mitverantwortlich sind.

Steht der Blutritt für Sie diese Jahr unter einem besonderen Vorzeichen?

Im guten Sinne des Wortes ist es ein Blutritt wie jeder Blutritt. Oder anders herum gesagt, jeder Blutritt ist immer gleich groß und klein in seiner Gewichtung, weil das eigentliche Thema immer dasselbe ist. Die Festgäste sind unterschiedlich und damit auch bestimmte Konstellationen und Schwerpunkte. Aber eigentlich ist jeder Blutritt immer dasselbe Ritual und hat eine zeitlose Botschaft.

Thema Sicherheit: Mit welchem Gefühl gehen Sie in den Blutritt?

Grundsätzlich ist eine offene Gesellschaft überall angreifbar und überall kann etwas passieren. Das ist dieser irrationale Faktor, mit dem wir leben müssen. Das gilt für alle Ereignisse, also auch für den Blutfreitag - nicht mehr und nicht weniger. Deshalb mach ich mir jetzt weniger Sorgen. Das ist eine Grundumstellung, mit der wir auch in unseren Breiten leben müssen. Wir erwarten nicht, dass real etwas passiert, können es aber auch nicht ausschließen. Der Blutritt ist eine komplexe Veranstaltung mit Mensch und Tier. Wir müssen da verschiedene Fragen immer wieder bedenken, auch das Wetter. Was wäre bei einem Unwetter? Wie löst sich so eine Prozession auf? Kann sie auch kurzfristig abgesagt werden? Es gibt viele Szenarien, die man klären muss, die in ein Sicherheitskonzept einfließen. Diesen hat man sich jetzt endlich gestellt.

Was ist Ihr persönlicher Höhepunkt in diesem Jahr?

Schwierig zu sagen. Ich bin jetzt seit zehn Jahren hier Pfarrer und darf zum siebten Mal Blutreiter sein. Ich kenne also einiges und schwanke immer, ob wirklich die großen Highlights bedeutend sind. Natürlich ist der Blutritt für einen Blutreiter, der die Reliquie trägt, immer die Hauptsache. Aber ich bin auch jemand der kleine Dinge schätzt, eher Zufälliges, wo man plötzlich überrascht ist. Das kann eine schöne Begegnung im Quartier sein, während der Betstunde oder in einem Gespräch. Eigentlich müsste man diese Frage erst nach dem Blutfreitag stellen. Dann kann ich sagen, was mein schönstes Erlebnis war.

Was wünschen Sie sich für den Blutfreitag?

Ich wünsche mir einfach, dass die Menschen, die mit ihren Erwartungen nach Weingarten kommen - unabhängig vom Wetter - erfüllt nach Hause gehen.