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Rokokosaal

Das barocke Geburtstagskind

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Der Weingartener Schlösslenarr wird in diesem Jahr 40 – Barocke Figuren dienten als Vorbild
Veröffentlicht:24.01.2016, 19:24

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Er ist der heimliche Star der Fasnetssaison 2016: Der Schlösslenarr wird nämlich in diesem Jahr 40 Jahre alt. Entstanden ist die Narrenfigur 1975, als im namengebenden Stadtmuseum im Schlössle der barocke Rokokosaal renoviert wurde. Das erste Häs sprang bei der Fasnet 1976.

Dass Weingarten eine ausgeprägte barocke Seite hat, sieht jeder, der die Stadt besucht. Schließlich thront über den Dächern das größte und wohl auch eindrucksvollste barocke Kirchenbauwerk nördlich der Alpen – die Basilika St. Martin. Ausgehend von der barocken Klosterkultur finden sich im Stadtgebiet einige Beispiele barocker Architektur. Und so gibt es auch im Stadtmuseum im Schlössle einen Rokokosaal mit kunstvollen Verzierungen. Als der bekennende Barockliebhaber, Fasnetsexperte und Heimatkundler Jürgen Hohl den Saal bei seiner Renovierung im Jahr 1975 besichtigte, dämmerte ihm die Idee einer barocken Narrenfigur herauf.

Weißnarr als Vorbild

Das Häs verrät einiges über seinen Erschaffer. So hat Jürgen Hohl nicht nur viel für die Barockzeit übrig, sondern ist auch in die Tradition der Weißnarren, einer der ältesten Narrenfiguren im süddeutschen Raum, nach eigener Aussage „verliebt“. Außerdem legt der Heimatkundler bei allen Narrencharakteren, die er entwirft oder deren Entstehung er begleitet, auf einen historischen Hintergrund. Eine Narrenfigur soll nicht einfach so aus der Luft gegriffen sein, sondern eine Geschichte erzählen können, die bestenfalls noch mit der Historie des Ortes zusammenhängt.

Deshalb hat der Schlösslenarr auch einen historischen Urvater: Er geht zurück auf den Landrichter der Landvogtei Schwaben, der in der vorderösterreichischen Zeit Altdorfs seinen Sitz im heute Schlössle genannten Renaissancegebäude in der Scherzachstrasse hatte. Der Schlösslenarr ist ein abgeänderter Weißnarr, das zeigen die Form seiner Glattmaske und das Häs. Das Wams ist hell- und dunkelgrün und mit verschiedenen barocken Motiven von Hand bestickt.

Die Holzmaske ist im Übrigen eine Nachbildung der ältesten noch existierenden Drahtgazemaske der Plätzlerzunft aus dem 19. Jahrhundert. Sie zeigt ein freundliches Männergesicht mit Schnurr- und Kinnbart. Die Maskenhaube wird durch einen kleinen Zweispitz gekrönt, am Häs hängen die typischen Schnupftücher. Die Narrenfigur ist wegen der vier bis sechs schweren Schellenstränge beim Narrensprung nicht zu überhören. Die grünen Schlösslenarren tragen ebenfalls einen Säbel als Zeichen närrischen Rügerechts. Gerügt wird allerdings mit dem Säbel niemand. Vielmehr dient die Waffe als Tragehilfe für die Brezeln, die der Schlösslenarr an die Umzugsbesucher verteilt.

Nun feiert das Häs seinen 40. Geburtstag. Die Plätzlerzunft widmet ihrem Geburtstagskind deswegen ein eigenes Abzeichen. Mit dem Kauf werden die Fasnet und die dazugehörigen Bräuche in Altdorf-Weingarten unterstützt. Mit diesem Abzeichen beginnt die Zunft eine neue Serie. Der Schlösslenarr ist damit sozusagen auch ein Sammlerobjekt. Der „Schlösslesturm“ am Bromigen Freitag, 5. Februar, um 12 Uhr wird dieses Jahr einmalig öffentlich für die gesamte Bevölkerung stattfinden, verbunden mit einer kleinen Ausstellungseröffnung zur Geschichte der Narrenfigur. Es wird auch eine limitierte Anzahl von bestickten Buttons zum Verkauf angeboten und die Gäste erwartet eine besondere Geburtstagsüberraschung.

Die Fasnet ist in Weingarten eine Institution. Die „Schwäbische Zeitung“ stellt in einer Serie die Weingartener Fasnetsfiguren mit Häs und eigener Geschichte vor. Die Serie soll sich auf die klassischen Hästräger beschränken. Lesen Sie in der nächsten Folge, wie die kriegerischen Nordmannen über den Narrenverein Wikinger Einzug in die Weingartener Fasnet gehalten haben.