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Platzregen

Da wippte so mancher Kopf oder Fuß

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Belgischer Organist Thierry Smets spielt an der Gabler-Orgel ein romantisches Programm
Veröffentlicht:29.07.2019, 16:25

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Während sommerlicher Platzregen an die Butzenscheiben geschlagen hat, entwickelte Thierry Smets auf der Gabler-Orgel ein ganz romantisches Programm. Der belgische Organist und Professor für Komposition in Mons bildete damit zum ersten Konzert der Reihe einen großen Kontrast, das sich im 17. und frühen 18. Jahrhundert bewegt hatte. Mendelssohn und Rheinberger waren die Fixpunkte und wurden durch moderne Stücke und eine eigene Improvisation aufgelockert.

Vor fünf Jahren hatte Thierry Smets bereits auf der Gabler-Orgel gespielt, seine charmante Frau, die Amerikanerin Susan Carol Woodson, gab hier im vergangenen Jahr ein beeindruckendes Konzert. Ein „paar Tage Urlaub in dieser wunderschönen Gegend“ müssten einfach sein, meinen die beiden Musikprofessoren, die auch als Organisten in Châtelet und in Brüssel tätig sind, im Gespräch nach dem Konzert. Der frankophone Thierry Smets wundert sich, dass hier in Weingarten keine „bis“ oder „encore“, also Zugaben, üblich sind. Aber das ist schon lange Tradition und hat auch seinen Sinn: Eine Stunde Orgelmusik ist für einen Sonntagnachmittag genau die richtige Zeit.

Mendelssohns „Präludium und Fuge d-moll“ von 1836 machen den Anfang und führen sogleich in eine üppige Klangwelt. Musikalisch ist das Präludium wie eine Spirale angelegt, die sich immer weiter in die Höhe schraubt; auch die Fuge ist voluminös in ihrer Vielstimmigkeit. Das Werk eignet sich wunderbar für die Klangfarben des barocken Instruments. Das merkt man auch bei Josef Rheinbergers „Sonate Nr. 1 c-moll“ in drei Sätzen von 1869, die interessanterweise auch mit einem Präludium beginnt und mit einem fugenartigen Finale schließt, zugleich aber ein Andante umfasst, das auf den kompositorisch eher tastenden ersten Satz mit klangschöner Romantik antwortet, bevor der streng gegliederte Fugensatz beginnt.

Ein ganz anderes Element bringt eine Bearbeitung von Alexander Borodins berühmten „Polowetzer Tänzen“, eine Balletteinlage für die 1890 uraufgeführte Oper „Fürst Igor“, hier die Nummer 17, arrangiert von Felix Blumenfeld. Und obwohl die Orgel natürlich nicht so geschmeidig tönen kann wie eine Gruppe Streicher, wurde doch das weltbekannte Motiv sofort erkennbar und brachte Folklore und Rhythmus als Bindeglied zum nächsten Stück. Dieses „Postludium“ aus den „Trois Pièces“ des französischen Komponisten Paul Barras, über den außer einer längeren Werkliste wenig zu erfahren ist, kam einem bekannt vor – vielleicht hat man es schon einmal als „Rausschmeißer“ nach einer Messe gehört? Es war ein rasantes, heiteres, aber nie plakatives Stück mit Tonartwechseln, rhythmisch und markant – da wippte so mancher Kopf oder Fuß dazu, was in der ehrwürdigen Basilika auch nicht so häufig ist.

Noch einmal dann Mendelssohn mit der Sonate Nr. 2 c-moll in vier Sätzen, sehr getragen beginnend, mit einem langsamen Adagio, an ein Kirchenlied erinnernd, einem bewegten Allegro und einer zusammenfassenden Fuge. Ein Höhepunkt wurde dann die abschließende Improvisation von Thierry Smets, die mit ihren dumpf-warmen Registern, in die sich immer mehr helle mischten, zunächst rhythmisch oft den Tonfall wechselte, dann sich mit unzähligen Registern bald breit auffächerte und in einem Grave und Ritardando zu einem großen Plenum anschwoll. Herzlicher langer Beifall des zahlreichen Publikums.