Baumdiagramm

Bis zu Adam und Eva

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Weingartener Forschergruppe hat sich der Ahnen- und Heimatforschung verschrieben
Veröffentlicht:25.05.2018, 16:37

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Drei Meter misst die Wand im Wohnzimmer von Daniel Oswald. Und genauso breit ist das riesige Baumdiagramm, auf dem man die Wurzeln seiner Ahnen bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen kann. „Das“, sagt er, „ist aber nur ein Teil, eine Linie. Wenn ich alles zusammen nehme, dann komme ich auf 15 Meter.“ 15 Meter! Tausende von Namen, die über ganz Süddeutschland verteilt sind.

Suche nach dem Großvater

Wie lange hat er dafür gebraucht? Vor gut zehn Jahren hat sich Oswald auf den Weg gemacht. Seine Mutter bat ihn, doch etwas über ihren Vater, also Oswald Großvater, in Erfahrung zu bringen, der in den Wirren des Zweiten Weltkriegs 1944 an der Ostfront gefallen war. Mehr wisse sie nicht. So eifrig er sich auf die Suche machte, so arm war das Ergebnis. Nichts war mehr über den genaueren Verbleib des Großvaters herauszufinden. Doch eines blieb. Seine Forscherleidenschaft war geweckt worden und hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen.

Angesichts der Fülle von Menschen mit Namen, Geburts- und Sterbedaten, Heirat, Taufen stellt sich unweigerlich die Frage: Sind das für ihn tatsächlich alles seine „Verwandten“? „Das ist mein Blut“, sagt der 46-Jährige. „Das sind alles Gene, die auch in mir sind.“

Wenn man die Logik des Stammbaums konsequent zu Ende denkt, heißt das dann, dass wir alle irgendwie miteinander verbunden sind? Oswald nickt. Und: Wohin führt das dann? „Zu Adam und Eva“, antwortet er. Allerdings wird dieser Nachweis ausbleiben, denn real gibt es tatsächlich eine Grenze. Denn nicht immer gab es Aufzeichnungen, die ein Weiterforschen möglich machen. Ahnenforschung ist ein riesiger Trend. Manchmal ernte man in Kirchengemeinden ein genervtes „Schon wieder ein Sucher“, erzählt Oswald. Immer mehr Menschen machen sich auf die Suche nach ihren Vorfahren, wollen wissen, woher sie kommen, was sie gemacht haben und wie ihr Schicksal war. Warum? Was treibt die Menschen an?

Vor fünf Jahren hat Oswald zusammen mit Jürgen Sterk und Helmut Rothenhäusler den Verein Forschergruppe Oberschwaben mit Sitz in Weingarten gegründet. Mittlerweile hat der Verein 70 Mitglieder. Sicherlich sei die Suche von dem Glücksgefühl getrieben, wenn man wieder ein Puzzleteilchen findet, eine Lücke schließen kann und es weitergeht, sagt Oswald. „Das kann zur Sucht werden.“ Bei ihm selbst war das genauso.

Doch ab einem Punkt hat diese Arbeit ihn verändert. „Ich war ein verschlossener Typ, einer, der immer in der Ecke stand, den niemand gesehen hat“, sagt er. Heute ist das anders. Er habe gelernt, sich so anzunehmen, wie er ist. Die Arbeit in Archiven erfüllt ihn, gibt ihm Selbstvertrauen. Mittlerweile ist Oswald ein Experte für Handschriften und Suchstrategien. Früher hat er andere gefragt, heute fragen ihn die anderen, wenn sie nicht mehr weiterkommen. Er hält Vorträge vor 300 Zuhörern, hat mehrere Familienchroniken publiziert und schreibt derzeit an einer Chronik der Lehenshöfe des Klosters Weingarten.

Vor eineinhalb Jahren hat er beruflich noch einmal einen ganz neuen, einen eigenen Weg eingeschlagen. Nach zwanzig Jahren beim Arbeitsamt hat er mit Mitte vierzig eine Ausbildung zum Archivar begonnen. Die Entscheidung ist ihm nicht schwergefallen. „Als das Angebot kam, wusste ich sofort, dass ich das machen muss.“

Die Suche nach sich selbst

Die Forschergruppe widmet sich allerdings nicht allein der Ahnenforschung und unterstützt Suchende bei ihrer Recherche. Sie betreibt auch Heimatforschung und versucht Bücher und Dokumente zu digitalisieren. Auch um Nachlässe von anderen Forschern oder Unterlagen, die nicht mehr gebraucht werden, kümmert sich der Verein.

Was also treibt die Menschen auf ihrer Suche in der Vergangenheit. „Die meisten suchen sich selbst“, sagt Oswald. Er hat dabei ganz sicherlich etwas gefunden. Und vielleicht landet er ja irgendwann einmal selbst bei Adam und Eva.