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Passagierjet

Vom Bauernsohn zum erfolgreichen Unternehmer

Weingarten / Lesedauer: 6 min

Heinrich Grieshaber entwickelte eine marode Spedition zu einer profitablen Logistikgruppe. Nun zieht er sich aus dem Geschäft zurück. Die Geschichte eines Mannes und seines Erfolgs.
Veröffentlicht:17.07.2018, 19:38

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Die silberglänzenden Passagierjets im Anflug auf den Flughafen Zürich sind es gewesen, die Heinrich Grieshaber als Jungen fasziniert haben – und ihn am Ende von zu Hause ausreißen ließen. Der Vater, Bauer und Fuhrunternehmer im Südschwarzwald, wollte, dass der Sohn als Landwirt den elterlichen Hof übernimmt. „Da habe ich gesagt, das mache ich nicht mit“, erzählt der 69-Jährige. „Ich werde Pilot, das war für mich damals klar.“

Damals, das waren die Aufbaujahre der Bundesrepublik. 1951 gründete Heinrich Grieshabers Vater auf dem Bauernhof in Rotzel im Hotzenwald eine Transportfirma, die vor allem die Milch der Bauern mit einem aus Kriegstrümmern zusammengebauten Büssing ins Rheintal transportierte, bevor die Familie 1961 selber ins Tal zog. 13 Jahre war Heinrich Grieshaber da. Nicht absehbar, dass der Bauernjunge ein bundesweit erfolgreiches Logistikunternehmen aufbauen und die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben lange Zeit später auf Jahre prägen würde. Schließlich hatte der Vater anderes mit ihm vor. Und der Sohn große Träume von großen Flugzeugen. „Aber ich war immer ein Getriebener.“

Automechaniker, Abendschüler, Lastwagenfahrer

Um Pilot zu werden, braucht Grieshaber Abitur und ein Studium – und zwar bis zum Alter von 23 Jahren. „Es war klar, ich muss Gas geben“, erzählt er. Er beginnt eine Lehre als Automechaniker, verkürzte sie, Abschluss als Kammerbester. Nebenher Abendschule, Vorbereitung auf die Mittlere Reife. Dann Berufsaufbauschule in Singen am Hohentwiel. Der 17-Jährige wohnt in einer Bäckerei, bis die Polizei vorbeischaut, um ihn nach Hause zu bringen. „Ich habe damals den Pfarrer als Bürgen gewinnen müssen“, sagt Grieshaber. Geld verdient er als Lastwagenfahrer, ohne Führerschein bis Basel, und mit dem Reparieren von Autos. „Das alles war gegen die Order vom Vater, aber die Mutter hat mich unterstützt.“

Der Hirnschlag der Mutter ändert alles

An der staatlichen Ingenieurschule Konstanz studiert Heinrich Grieshaber Maschinenbau, an der Fachhochschule Betriebswirtschaft. Doch der Hirnschlag der Mutter ändert alle Pläne. „Das mit der Lufthansa ging nicht mehr, als sie gelähmt zu Hause war“, sagt der Unternehmer.

Den Hof im Schwarzwald führt zu dem Zeitpunkt der Onkel, das Fuhrunternehmen in Luttingen der Vater und der Bruder. Die hatten im oberschwäbischen Weingarten gerade die Spedition Anton Heine gekauft, vom badischen Stammsitz aus der halbe Weg nach München. Die Zukunftsinvestition stellt sich aber schnell als Fehlgriff heraus: Kosten von 60 000 Mark bei einem Umsatz von 50 000 Mark, dazu ein zwielichtiger Geschäftsführer. „In der Situation habe ich mich um die Firma bemüht, Vater und Bruder meinten, was willste denn mit den Schwaben“, erinnert sich Grieshaber an die Zeit um 1970. „Ich antwortete, wenn sowieso alles schiefläuft, dann kann ich ja nicht viel falsch machen.“

Eine Niederlassung in Ehingen ist der Schlüssel

Der gebürtige Badener löst die Spedition aus der Abhängigkeit des Konkurrenten Dachser, für die Heine als Subunternehmer unterwegs war, er spricht mit allen Kunden persönlich, beginnt in Oberschwaben Holz, Steine, Papier, Glas zu fahren. 1975 wird die erste Lagerhalle in Weingarten gebaut. Ein Meilenstein ist die Nahverkehrslösung nach Stuttgart. Das Problem: Bis 1992 ist der Transportmarkt reguliert, die Preise pro Tonne staatlich vorgegeben, um die Bundesbahn zu schützen. Durch eine Niederlassung in Ehingen kann Grieshaber aber Stahltransporte von Stuttgart nach Ravensburg zu Escher-Wyss und zu Müller-Weingarten nach Weingarten zum Nahverkehrstarif anbieten. „Wir haben das Rad neu erfunden“, sagt Grieshaber. „Die Konkurrenz hat uns damals einfach nicht für voll genommen und daran einfach nicht gedacht.“

Enge Partnerschaft mit Vetter

In der Logistik fasste Grieshabers Spedition Fuß durch die Kooperation mit dem inzwischen weltweit größten Abfüller von aseptischen Spritzsystemen: Vetter Pharma aus Ravensburg. „Helmut Vetter war wie ich. Rührig, umtriebig“, erinnert sich Grieshaber an seinen im Jahr 1999 verstorbenen Geschäftsfreund. „Als er aber in den 1980er-Jahren mit den Spritzen anfing, ist er erst mal an Grenzen gestoßen.“ Der Wareneingang musste organisiert, alle Chargen kontrolliert werden. Nach der Produktion: Lagerung, Verpackung, Etikettierung. „Ich habe ihm gesagt, lass’ uns das und das machen“, sagt der Unternehmer. Es war der Ausgangspunkt für eine Partnerschaft, von der nicht nur Heinrich Grieshaber profitierte. „Im hochkomplexen Pharmaumfeld, in dem wir uns bewegen, können wir nur mit verlässlichen Partnern an unserer Seite erfolgreich sein“, sagt Vetter-Geschäftsführer Thomas Otto. „Einen solchen haben wir bereits vor vielen Jahren in der Firma Grieshaber gefunden.“

600 Mitarbeiter, 13 Logistikzentren

Das Unternehmen, das Heinrich Grieshaber aus der bankrotten Spedition Anton Heine formte, erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von 79,6 Millionen, das ist ein Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr von 16 Prozent. „70 Prozent vom Umsatz kommen aus dem Transport, 30 Prozent aus der Logistik“, erklärt Grieshaber. „Beim Gewinn ist es umgekehrt, da steuert die Logistik 80 Prozent bei.“ Mit einer Nettoumsatzrendite im mittleren einstelligen Bereich ist das Unternehmen hochprofitabel und mit einer Eigenkapitalquote von mehr als 60 Prozent kerngesund. 600 Mitarbeiter arbeiten an acht Standorten mit 13 Logistikzentren, fahren 125 Lastwagen und bewirtschaften 167 000 Palettenstellplätze. Die Kunden kommen aus der Auto-, der Pharma-, der Chemie- und der Lebensmittelindustrie. So hat Grieshaber in den Zeiten der Fußball-Weltmeisterschaft täglich mehr als 120 Lastwagen mit Kartoffelchips für „funny-frisch“ gefahren – sonst sind jeden Tag nur 50 bis 70 unterwegs.

Eine Stiftung für Mitarbeiter und Kinder in Not

Im Oktober feiert Heinrich Grieshaber seinen 70. Geburstag, dann wollen er und seine Ehefrau Gabriele die Geschäftsführung an den jetztigen Mitgeschäftsführer Roland Futterer sowie die Grieshaber-Manager Gregor Schnell und Alexander Tesch übergeben. Das Unternehmen selbst gehört Heinrich Grieshaber dagegen schon seit einigen Jahren nicht mehr: Der Unternehmer hat die Anteile in eine gemeinnützige Stiftung übergeben, die die Förderung von Kindern und in Not geratenen Mitarbeitern zum Ziel hat. „Andere hätten die Firma versilbert und sich ans Mittelmeer zurückgezogen“, sagt Grieshaber. „Ich glaube, man muss ein Teil des Geldes wieder dahin geben, wo es her kommt – aus der Region, aus der prosperierenden Wirtschaft.“ Fünf bis zehn Prozent des Nettogewinns sollen in Zukunft jährlich in die Stiftung und in gemeinnützige Projekte fließen.

Und er flog doch

Trotz aller Arbeit, allen Ackerns und Kämpfens: zu kurz gekommen sei er nie. „Ich konnte viel verwirklichen“, sagt Grieshaber. „Und irgendwann war ich auch Pilot.“ Nicht von den großen Passagierjets, die im Anflug auf Zürich über der Heimat kreisen, sondern von kleinen Sportflugzeugen, mit denen Heinrich Grieshaber vom Flughafen Friedrichshafen gen Süden startet.