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Krise

Wangens OB richtet sich in einem offenen Brief an die Bürger

Wangen / Lesedauer: 8 min

Wangens OB Michael Lang wendet sich wegen der Corona-Krise in einem Offenen Brief an die Bevölkerung. Hier lesen Sie den kompletten Wortlaut.
Veröffentlicht:20.03.2020, 18:20

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Wegen der Corona-Krise hat Wangens Oberbürgermeister Michael Lang am Freitagabend einen Offenen Brief an die Bevölkerung gerichtet. Nachfolgend der komplette Wortlaut.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wir haben wahrlich aufregende Zeiten, eine Lage, die uns allen große Sorgen macht. Die Ausbreitung des Corona-Virus schreitet in Europa rasch voran. In den letzten 14 Tagen haben sich die Ansteckungszahlen, die vom Robert-Koch-Institut festgehalten werden, in Deutschland von 530 (6.3.2020) auf 13 957 (20.3.2020) erhöht. Steigerungsraten von Tag zu Tag von 30 Prozent sind keine Seltenheit! Baden-Württemberg gehört zu den Regionen mit einer sehr hohen Dynamik. Im Gebiet unserer Stadt sind bisher 14 Fälle (20.3.2020) bekannt geworden. Innerhalb des Landkreises inzwischen über hundert. Das öffentliche Leben hat sich in diesen Tagen sehr verändert und es wird sich noch manches tun. In unserem Nachbarland Bayern wurde eine allgemeine Ausgangssperre verhängt.

Ich wende mich mit diesem offenen Brief an die Gemeinschaft in Wangen im Allgäu und allen Ortschaften:

Der starke gesellschaftliche Zusammenhalt und die Solidarität untereinander waren in der Nachkriegszeit wahrscheinlich noch nie so stark gefragt wie derzeit. Bitte respektieren Sie daher die aktuell geltenden Gebote und Verbote!

Es fällt uns allen schwer, nicht die Nähe zu unseren Mitmenschen zu suchen, in die Stadt zu gehen, Freunde zu treffen. Wir müssen uns sehr diszipliniert verhalten, um uns selbst und andere nicht in Gefahr zu bringen. Halten Sie Abstand zueinander!

Bei der Schwäbischen Zeitung , Lokalausgabe Wangen, bedanke ich mich dafür, dass ich mit Ihnen, den Leserinnen und Lesern, auf diesem Wege in Kontakt treten kann. Ich werde in den folgenden Abschnitten auf einige der wichtigen Themen und den aktuellen Sachstand eingehen.

Alle Veranstaltungen werden verschoben oder abgesagt

Durch die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg vom 17. März 2020 sind ganz viele Verbote bis zum 19. April 2020 festgeschrieben. Es dürfen im Moment grundsätzlich keine Veranstaltungen und Ansammlungen mit mehr als drei Personen auf öffentlichen Plätzen stattfinden. Dies gilt ab heute (21. März 2020). Für standesamtliche Trauungen versuchen wir einen kleinsten Rahmen zu ermöglichen. Ähnliches gilt für Beerdigungen. Das ist für uns alle sehr schmerzhaft.

Ganz schwer ist die Krise jetzt schon für alle diejenigen, die ausschließlich vom Betrieb von Veranstaltungen leben. Zum Beispiel Messebauer, Catering-Unternehmen, Künstler und Musiker. Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen gerade diese Berufsgruppen sehr direkt. Daher ist es auch so wichtig, dass die diskutierten staatlichen Soforthilfen gerade bei den Kleinstunternehmen und Selbständigen ganz schnell ankommen.

Auch die Vereinswelt steht durch Corona still. Konzerte fallen aus, der Trainings- und Spielbetrieb der Sportvereine ruhen. Einnahmequellen der Vereine fallen weg. Bitte unterstützen Sie Ihre Vereine und die Organisationen, mit denen Sie verbunden sind, vielleicht auch mit der einen oder anderen Spende oder dem Verzicht auf die Rückzahlung von Geld wegen eines ausgefallenen Angebots.

Gaststätten müssen ebenfalls komplett schließen, viele Geschäfte haben bereits zu

Durch die Corona-Verordnung soll erreicht werden, dass die Menschen nur noch wegen der Arbeitsverpflichtung und für die eigene Versorgung außer Haus gehen. Gaststätten müssen nach der ganz aktuellen Entwicklung ab heute (21. März 2020) komplett schließen. Essen zum Mitnehmen und auch Bestellungen bleiben weiterhin möglich.

Auf alle Fälle sollten wir uns dafür engagieren, dass alle wieder ihre Geschäfte und Lokale eröffnen können, wenn die Corona-Zeit vorüber ist. In gleicher Weise sollten wir auch die übrige Geschäftswelt unterstützen. Das Hotel- und Beherbergungsgewerbe, die Reisebranche, Busunternehmen und Taxiunternehmen sind massiv betroffen. Die Lebensmittelgeschäfte bleiben wegen ihrer Versorgungsfunktion geöffnet. Läden anderer Branchen mussten schließen. Manche bauen einen Lieferdienst auf.

Viele befinden sich in einer existenziell schwierigen Lage. Daher bitte ich um Nachsicht und etwas Geduld. Wir sollten den Geschäften je nach Situation ein bisschen Zeit einräumen, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Die Verbote der Rechtsverordnung werden stringent verfolgt. Wir bleiben dabei aber menschlich!

Schule, Kindergarten und die Jugend in Wangen im Allgäu

Seit letzten Dienstag sind die Schulen und Kindergärten geschlossen. Ebenso die Volkshochschule. Inzwischen auch Spielplätze. Das Angebot von Notplätzen für die Betreuung von Kindern wird nur in ganz wenigen Fällen genutzt. Oft sind es nur drei bis fünf Kinder, die in einer Einrichtung betreut werden. Danke an die Eltern, die sich trotz aller Schwierigkeiten so flexibel gezeigt haben. Danke an das Personal in den Kindertagesstätten und die Betreuungskräfte.

Die Lehrerinnen und Lehrer stehen in engem Kontakt mit Ihren Schülerinnen und Schülern. So bekommen die Kinder per E-Mail oder über die Homepage der Schule Aufgaben gestellt. Die Schulen machen das vorbildlich! Vielen Dank dafür! Auch die Lehrkräfte an der Jugendmusikschule machen Unterrichtsangebote über das Telefon, Internet und auf anderen Wegen. Kinder und Jugendliche möchte ich dazu anstiften, in diesen Tagen ein Tagebuch zu führen, um die Entwicklung rund um Corona festzuhalten. So könnten wir Dokumente erhalten, die zu späteren Zeiten große Wertigkeit erfahren.

Die Jugendlichen haben jetzt viel freie Zeit. Immer wieder bin ich in den letzten Tagen kleinen Gruppen begegnet. Aber auch Kinder und Jugendliche müssen sich bitte unbedingt an die allgemein geltenden Regeln halten. Abstand halten, zuhause bleiben. Auch wenn junge Menschen wegen Corona bisher selten krank geworden sind: Als Überträger der Viren kommen sie trotzdem in Frage! Niemand sollte zur Gefahr für andere werden. Daher meine herzliche Bitte an die Jugend in unserer Stadt: Feiert bitte keine Partys! Auch nicht im kleineren Kreis.

Die Entwicklung der Pandemie: Eine große Herausforderung für alle im Gesundheitswesen

Die Bilder aus Italien stecken uns in den Gliedern. Dramatisch viele Menschen sterben dort an den Folgen von Covid-19. In Deutschland sind die Zahlen der Fälle mit schweren Verläufen noch gering. Wir müssen daher alles daransetzen, die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus’ zu drosseln und die Infektionsketten zu unterbrechen. Ich bedanke mich bei allen, die sich in Medizinberufen in dieser Zeit vorbildlich engagieren.

Seit dieser Woche unterstützen wir das Gesundheitsamt bei der Betreuung der positiv getesteten Menschen. Wir führen Interviews mit den infizierten Personen und verfolgen die Historie. Kontaktgruppen werden ermittelt, Telefonnummern werden gesucht, Gespräche werden geführt. In einigen Fällen ist Quarantäne zuhause nötig. Bitte seien Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, nicht überrascht, wenn Sie einen Anruf von unseren Mitarbeitern und kommunalen Vertretern bekommen, die Sie als Kontaktperson ermittelt haben. Als Kontaktpersonen gelten vor allem diejenigen, die im direkten Kontakt – „face to face“ – mit einer positiv getesteten Person standen. Auf alle Fälle appelliere ich an alle Mitbürgerinnen und Mitbürger: Wenn Sie Symptome wie Fieber haben, bleiben Sie vorsorglich zuhause und suchen Sie den telefonischen Kontakt zum Arzt oder zur Ärztin Ihres Vertrauens!

Die Arbeitsweise der Stadtverwaltung, Sitzungen der kommunalen Gremien

Seit einigen Tagen sind die Verwaltungsgebäude der Stadt und in den Ortschaften abgeschlossen. Einige Angebote mussten auch komplett eingestellt werden. Vor allem die Angebote des Gästeamts und der Bücherei werden schmerzlich vermisst. Hinter den geschlossenen Türen laufen die Geschäfte aber weiter. Termine gibt es aus Sicherheitsgründen nur auf Absprache. In den Aufgaben der kritischen Lebensbereiche (Wasser, Abwasser usw.) wird jetzt ein Sicherungssystem umgesetzt. So auch im Bauhof. Auch in anderen Tätigkeitsfeldern der Stadt wird dies jetzt nach und nach eingesetzt, um jederzeit die Funktionsfähigkeit des Betriebes der Stadt Wangen zu sichern. Mit einem eingeschränkten Dienstbetrieb muss dennoch gerechnet werden. Danke für Ihr Verständnis. Unsere Stadtbücherei im Kornhaus arbeitet derzeit an Möglichkeiten für einen Bücher-Bringdienst ( www.buecherei-wangen.de ). Auch zahlreiche Online-Angebote der Bücherei sind ein Tipp.

Die Sitzungen des Gemeinderats werden wir auf Sicht nur in größeren Zeitabständen und voraussichtlich nur in kleinerer Besetzung abhalten. Notwendige kommunale Beschlüsse müssen gefasst werden. So wird es voraussichtlich die nächste Sitzung des Gemeinderats am 30. März 2020 geben. Aktuelle Entwicklungen zwingen uns jedoch immer wieder zu Anpassungen bei unseren Plänen. Über Veränderungen halten wir Sie weiter auf den Ihnen bekannten Wegen auf dem laufenden. Unsere Homepage „wangen.de/corona“ ist auch hier eine wertvolle Quelle.

Bitte bleiben Sie gesund, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Wir alle sind für uns selbst verantwortlich. Aber auch für die große Gemeinschaft in unserer Stadt insgesamt. Bitte helfen Sie alle mit, unserer Verantwortung gerecht zu werden. Befolgen Sie die Regeln! Die Senioren gilt es besonders zu schützen. Deshalb auch ein großer Dank an alle Kräfte in den Pflegeheimen, den Pflegediensten für Ihre so wichtige Arbeit. Danke an alle Ehrenamtlichen, die ihre Hilfe anbieten.

Bleiben wir gemeinsam konzentriert, solidarisch und aufmerksam! Deshalb bedanke ich mich auch für alle Hilfsangebote, die in den letzten Tagen gemacht wurden und auf die wir sicher noch dankbar zurückgreifen werden.

Ihr Michael Lang, Oberbürgermeister