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So kommt ein kleines Kino mit der großen Konkurrenz von Netflix und Co. klar

Wangen / Lesedauer: 6 min

Vor fünf Jahren eröffnete das Lichtspielhaus Sohler neu – Darum ziehen die Betreiber den Vergleich zur Tankstelle
Veröffentlicht:24.09.2019, 19:00

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Über mehrere Jahre hinweg war Wangen eine Art „Kino-Diaspora“. Vor fünf Jahren dann eröffnete das Lichtspielhaus Sohler neu. Im Interview mit SZ-Mitarbeiterin Lisa Mair äußern sich die Betreiber, Barbara und Markus Sohler, unter anderem, wie sie auf vergleichsweise neue Konkurrenten wie Netflix oder Amazon Prime reagieren. Aber auch, wie die Filme in das Kino an der Lindauer Straße kommen.

Sind Filmanbieter wie Netflix oder Amazon Prime eine Bedrohung für das Kino?

Barbara und Markus Sohler : Natürlich, ja, es wird immer mehr heruntergeladen. Und nicht nur Amazon Prime oder Netflix, sondern generell die Konkurrenz über das Handy ist sehr groß. Was wir feststellen ist, dass gerade das Konsumverhalten von Jüngeren sich insgesamt stark verändert. Das heißt, sie schauen oft gar nicht mehr anderthalb Stunden einen Film an.

Auf Netflix zum Beispiel sehen sie sich Filme in Form von Serien eher „häppchenweise“ an – und das geht im Kino natürlich nicht. Auf dem Handy kann man mal zehn Minuten schauen, dann macht man eine Pause und schaut anschließend wieder eine Viertelstunde weiter – das ist eher etwas, was uns im Kino wehtut.

Kann man daher sagen, dass es allgemein einen Zuschauerrückgang im Kino gibt?

Bei den jungen Leuten ja. Es gibt etliche Jüngere, die fast gar nicht mehr ins Kino gehen. Aber generell ist es im Kino immer ein Auf und Ab an Zuschauern. Das hängt natürlich stark von den Filmen ab, die angeboten werden.

 Dieses Bild ist fünf Jahre alt. Damals eröffneten Barbara und Markus Sohler das gleichnamige Lichtspielhaus neu. Heute ziehen sie Zwischenbilanz.

Spielt das Wetter auch eine große Rolle, wie viele Zuschauer kommen, etwa wenn es – wie im Sommer – heiß ist?

Ja, davon hängen die Zuschauerzahlen auch sehr stark ab. Ein Sommer wie letztes Jahr ist natürlich „tödlich“. In Kalifornien gehen die Leute aber am liebsten im Sommer ins Kino, weil es dort dann einfach am kühlsten ist. Aber das hat sich in Deutschland leider noch nicht durchgesetzt, dass es auch in einem heißen Sommer mal eine schöne Alternative ist, zwei Stunden in einem kühlen Kinosaal zu verbringen.

Wie sieht der Altersdurchschnitt Ihrer Besucher aus?

Das kommt auch ganz auf den Film drauf an. Aber bei uns hier in Wangen besteht das Hauptpublikum zum einen aus Erwachsenen und zum anderen aus Familien. Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren sind eher nicht so häufig da.

Wie stellen Sie Ihr Kinoprogramm zusammen?

Was für uns gesetzt ist, sind die ganz großen Filme wie beispielsweise „Fuck you Goethe“. Die müssen wir natürlich bringen, auch wenn es nicht immer gleich zum Start ist, weil wir eben nur zwei Säle haben. Außerdem sind die Auflagen von den Verleihern sehr hoch.

Die schreiben uns vor, wie wir Filme zu spielen haben. Wenn man zum Beispiel einen großen Film wie „Pets“ oder „König der Löwen“ am Start hat, dann darf man drei Wochen in dem selben Saal keinen anderen Film spielen. Und immer, wenn ich das Kino aufsperre, muss ich diesen einen Film drei bis vier mal am Tag spielen.

Die anderen Filme suchen wir aus einem Art brancheneigenen Fachblatt aus, in dem die Angebote für die Woche inklusive Umsatzzahlen drin sind. Aber wir sprechen vor allem viel mit dem Publikum, weil wir so gut wie jeden Tag selbst vor Ort sind. Und da achten wir dann immer darauf: Passt der Film bei uns ins Programm? Gefällt er unserem Publikum?

Spielt dabei Ihr persönlicher Geschmack eine Rolle?

Ganz selten suchen wir uns auch einen Film aus, den wir selber gerne sehen wollen. Wir achten aber auch darauf, dass wir manchmal etwas anspruchsvollere Filme zeigen, die dann besonders für das Publikum zwischen 30 und 60 gedacht sind. Denn diese Altersgruppe gehört zu einer unserer treuesten Kunden.

Das liegt daran, dass sie warten, wenn wir einen Film aufgrund der hohen Auflagen nicht sofort zum Start, sondern erst später spielen können. Nach der dritten Woche können wir die Filme dann meistens so spielen, wie sie in unser Programm hineinpassen. Aber das junge Publikum, das fährt woandershin, wenn wir beispielsweise „Fuck you Goethe“ nicht zum Start bringen – die haben wir dann für den Film verloren.

Sind Einnahmen aus den Kinokarten ihr finanzielles Hauptstandbein?

Bei uns ist es fast wie bei einer Tankstelle. Wir leben überwiegend von dem Verkauf von Popcorn, Süßwaren und den Getränken. Denn von dem Geld der Kinokarten müssen wir bis zu 56 Prozent an den Verleiher abtreten. Zudem kommt dann noch die Filmförderabgabe obendrauf. Am Ende bleiben nur zwischen 20 und 25 Prozent tatsächlich für uns übrig.

Davon sind aber noch die Stromkosten, der Hausunterhalt und andere Kosten zu bezahlen. Darum mögen wir es auch nicht, wenn Besucher die Regeln missachten und ihre Getränke oder Süßwaren selber mitbringen und zusätzlich noch ihren Dreck auf den Boden werfen.

Was unterscheidet das Lichtspielhaus Sohler in Ihren Augen von großen Kinoketten?

Wir sind ein kleines Kino und haben nur die zwei Säle. Und ich denke, es macht einen Unterschied, ob man in ein großes Kino wie in Memmingen oder Ravensburg geht, wo nur Angestellte arbeiten. Denn hier in Wagen sind wir eigentlich fast immer selber vor Ort. Daher bemühen wir uns auch mehr und anders, auf die einzelnen Zuschauer einzugehen und wir haben auch mehr Zeit für sie.

Falls wir jedoch auch mal eine Pause brauchen, haben wir eine kleine aber dafür sehr engagierte, kompetente, freundliche und zuverlässige Mannschaft, über die wir sehr froh sind und ohne deren Unterstützung wir es nicht geschafft hätten, seit fünf Jahren tagtäglich ohne einen Ruhetag den Wangenern schöne Filme zu zeigen. Außerdem denke ich, dass es auch unser persönlicher „Stempel“ ist, der auf dem Ganzen drauf ist.

Wir sind eben keine Kette, bei der es in jedem Ort gleich aussieht, sondern so wie hier ist es nur bei uns. Aber auch durch die persönliche Filmauswahl wird das Gesamtbild ein bisschen geprägt. Man bemüht sich, dass man auf das Publikum eingeht.

Persönliche Frage: Was ist am Kino generell reizvoller, als an einem Filmabend zuhause?

In erster Linie ist es das Gemeinschaftserlebnis. Neben der großen Leinwand und der vermutlich besseren Tonqualität ist es auch die Tatsache, dass man zwei Stunden lang nichts anderes macht, außer den Film anzuschauen. Zuhause klingelt mal das Telefon, es kommt jemand vorbei oder man spielt doch eher mit seinem Handy.

Wenn man hier im Kino zusammen mit ein paar Freunden sitzt, dann konzentriert man sich nur auf den Film und macht nichts nebenher. Und ich denke, das macht das Ganze besonders.