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„Meister der Konzentration“ freut sich über Silber

Wangen / Lesedauer: 3 min

Paralympics-Medaillengewinner Thomas Brüchle wird im Dorfgemeinschaftshaus Deuchelried empfangen
Veröffentlicht:30.10.2016, 18:14

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Die große Torte lagerte noch im Kühlraum. Die Musikkapelle Deuchelried stand im Dorfgemeinschaftshaus parat, spielte aber noch nicht. Kurz vor fünf Uhr rollte Thomas Brüchle, der in Rio gemeinsam mit Thomas Schmidberger Mitte September im Tischtennis-Team-Wettbewerb Silber geholt hat und Vierter im Einzel wurde, im Kreise seiner Tischtennis-Kameraden des SV Deuchelried herein: lächelnd, sympathisch, bescheiden.

Vor zwei Jahren wechselte der 40-jährige Lindauer zum SV Deuchelried, spielt dort seither auf hohem Niveau gegen sogenannte „Fußgänger“ (also Nichtgehandicapte) Tischtennis. Zweimal hintereinander wurde Brüchle in Wangen Sportler des Jahres. Nun also Rio , Brüchles zweite Paralympics-Teilnahme.

Wie vor vier Jahren in London wurde es erneut Silber, musste sich das deutsche Team wieder gegen die Großmacht China geschlagen geben. Eine Niederlage, die Brüchle ärgert, zumal er im entscheidenden Einzel lange vorne lag und nach eigener Aussage noch nie so gut gespielt habe wie zu jenem Zeitpunkt. Auch wenn er, wie er sagt, bis heute nicht weiß, wie er die entscheidenden Spiele noch aus der Hand geben konnte, hat er sich inzwischen mit dem zweiten Platz arrangiert: „Wenn du als Sportler kurz davor stehst, Gold zu holen, musst du enttäuscht sein. Mittlerweile freue ich mich schon über die Silbermedaille und weiß, dass es ein Riesenerfolg ist.“

So sah es auch die Stadt Wangen, zumal Brüchle, neben der Fußballerin Melanie Leupolz aus Ratzenried, der einzige Vertreter der Region ist, der es überhaupt nach Brasilien geschafft hat. Gemeinsam mit der Ortsverwaltung wurde zum Empfang geladen, angesetzt kurz vor der sechsten Verbandsklassenbegegnung in dieser Saison. OB Michael Lang freute sich über Brüchles „tollen sportlichen Erfolg“ auch für den und mit dem SV Deuchelried: „Er ist auch schön, um zu zeigen, was beim SV Deuchelried gemacht wird und welche Begeisterung hier fürs Tischtennis vorhanden ist.“ Brüchle selbst bezeichnete Lang als „unglaublich fleißigen Sportler“, der ein hohes Maß an Disziplin und Durchhaltevermögen besitze – und als vorbildlichen Botschafter des SV Deuchelried und des Sports allgemein.

Behindertensport im Vordergrund

Auch Ortsvorsteher Theobald Harlacher erinnerte an die bewegenden Momente der Paralympics 2016: „Keiner hätte je gedacht, dass Deuchelried dort einen Teilnehmer haben wird“, sagte Harlacher und freute sich auch darüber, dass der Behindertensport heute deutlich präsenter ist als noch vor 15 bis 20 Jahren. „Die Leistungen der Sportler, gerade der behinderten Sportler, kann man nicht genug honorieren“, meinte Harlacher – und drückte seine Bewunderung für Brüchle und dessen Rollstuhl-Tischtennis aus.

Im Namen des SV Deuchelried blickte Vorsitzender Wolfgang Umhau zurück auf die Wettkämpfe in Rio, das Verfolgen und Mitfiebern am TV-Gerät, schlaflose Nächte und die „transatlantische Fernwirkung“. Dass ein Spiel im Kopf entschieden werde zeige sich besonders bei Sportarten, bei denen die Konzentration entscheidend sei, es auf Genauigkeit der Bewegungsabläufe ankomme, auf exaktes Timing und – im Tischtennis – darauf, den Schläger kraftvoll, aber nicht verkrampft zu führen. „In Rio, warum und wieso auch immer, zwei Punkte von der Goldmedaille entfernt, haben dich diese Tugenden, die eigentlich die deinen sind, auf tragische Weise im Stich gelassen“, sagte Umhau an Brüchle gewandt. Und weiter: „Normalerweise bist du der Meister der Konzentration, der mit Intelligenz und Strategie versucht, den Gegnern sein Spiel aufzuzwingen.“

Umhau bezeichnete Brüchle durch dessen sportlichen Charakter und Mannschaftssinn als ein „ganz großes Vorbild“. Er durfte dann die große „Tischtennisplatten-Torte“ anschneiden, die Glückwünsche jener, die gekommen waren, annehmen. Und so mancher freute sich auch an der mitgebrachten Medaille, die am Ende hervorgeholt wurde.

Im Laufe des Montags wird es unter www.schwaebische.de/wangen ein Video zum Empfang von Thomas Brüchle geben.