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Ökumene

Der Baum Ökumene braucht Geduld

Wangen / Lesedauer: 4 min

Kardinal Walter Kasper hält im Gemeindehaus St. Martin einen Vortrag zu Martin Luther
Veröffentlicht:15.08.2017, 19:23

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Der Saal des Gemeindehauses von St. Martin fasste kaum die vielen Menschen, die Kardinal Walter Kasper sprechen hören wollten. Pfarrer Claus Blessing wertete diesen nicht erwarteten Besucherandrang als Zeichen dafür, „dass nicht irgendjemand anlässlich des Reformationsjubiläums spricht, sondern der profilierteste Theologe und Ökumeniker, den man sich dafür denken kann“.

Gleich zu Beginn seines Vortrages machte der Kardinal deutlich: „Es gibt kaum eine historische Persönlichkeit, die so elektrisierend anziehend ist und im Mittelpunkt des Interesses steht wie Martin Luther .“ Kasper erinnerte an die seit 500 Jahren währende Trennung der westlichen Christenheit, die sich mitten durch Freundeskreise und Familien gezogen habe, und an die „Schimpfworte der Kindheit“, die man sich gegenseitig zugerufen habe.

In einem ersten Abschnitt wandte sich der Redner „der uns fremden Zeit des 16. Jahrhunderts“ zu, die mit ihren Missständen wie Ablasshandel und Papsttum eine „Zeit des Niedergangs“ gewesen sei. Und doch hätten bereits vor Luther kirchliche Erneuerungsbewegungen und Aufbrüche eingesetzt. „Martin Luther war ein Reformkatholik und ein genialer Bibelausleger“, sagte der Kardinal und folgerte daraus: „Er hat das biblische Gottesbild neu entdeckt.“ Luthers existenzielles Problem, so Kasper weiter, sei die Frage nach einem „gnädigen Gott“ gewesen. Er habe dann entdeckt, dass die Gerechtigkeit Gottes nicht die aktiv ausgleichende, strafende und rächende Gerechtigkeit sei, sondern die passive, den Menschen gerecht und damit frei machende, vergebende und tröstende Gerechtigkeit. Und dies nicht nur durch äußerliche Frömmigkeitsformen wie den „Freikauf“, sondern durch den Glauben.

Luther, der sich „zunächst als Reformer und nicht als Reformator zeigte“, habe „etwas Urkatholisches wieder neu entdeckt“. Doch sein Ruf nach Buße und Umkehr sei ungehört verhallt. „Man hat aneinander vorbeigeredet“, so die Einschätzung von Kardinal Kasper, der die Schuld aber auch bei Luther selber sah. Wörtlich sagte er: „Es war nicht gut Kirschen essen mit ihm!“´Vor allem seine Rede vom Papst als „Anti-Christ“ sei wenig dialogfähig gewesen. Nach dem Verfassen und Verschicken seiner Thesen sowie seinem Auftreten beim Reichstag in Worms ist es der Adel und nicht das gemeine Volk, an den sich Martin Luther wendet. Hierzu Walter Kasper: „Ohne die Fürsten hätte sich die Reformation nicht durchsetzen können.“ Die sich anschließende Diskussion in den Städten habe „vieles wieder ins Lot gebracht.“ Und dennoch habe Luther am Ende seines Lebens „nicht mehr an eine Angleichung geglaubt.“

Nachdem der Geistliche von den „zwei getrennten Welten“ gesprochen hatte, „die es noch nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Wangen gegeben hat“, verwies er auf die bereits 1910 in Edinburgh stattgefundene Weltmissionskonferenz, „bei der das Beten um die Einheit eingesetzt hat“. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) habe dann „die Wende gebracht“.

Kardinal Kasper übersetzte den Begriff „Ökumene“ mit „vom größeren Gemeinsamen ausgehend“, sprach vom Ringen um das Papier zur Rechtfertigungslehre und schätzte sich glücklich, mit dem Glauben an das „Erlöst sein von Gott“ eine Formel gefunden zu haben, die beide Seiten unterschreiben konnten. „Man einigte sich auf eine Zusammenarbeit, nicht auf die Einheit“, hielt Walter Kasper vor Augen und freute sich: „Der Grundkonsens ist da.“ Was noch offen ist, das benannte der Redner mit dem Hinweis auf den Begriff „Kirche“, das Priester-, Bischofs- und Papstamt wie auf die einzelnen Sakramente. „Gerade in einer Welt der Krisen und der Gewalt ist die Einheit doppelt wichtig“, sagte Kasper und fasste zusammen: „In der Vergangenheit sind wir miteinander nicht immer christlich umgegangen, aber eine Versöhnung ist für uns möglich.“ Wobei er noch einmal dem „nicht alles gleich machen, sondern gegenseitig einen Lernprozess in Gang setzen“ das Wort redete.

Zum Abschluss stellte der Kardinal das Bild von dem Pflanzen eines Apfelbäumchens vor Augen und übertrug es in das Bemühen um das Pflegen der Gemeinschaft und das „Besinnen auf unseren gemeinsamen Glauben“. Walter Kasper zeigte sich überzeugt: „Dieses Bäumchen braucht Geduld, Pflege und das Geschenk des Heiligen Geistes. Denn Strukturen ohne Geist sind tot!“