StartseiteRegionalRegion AllgäuWangenWenn Anwohner denken, am Nürburgring zu wohnen

Praßbergsteig

Wenn Anwohner denken, am Nürburgring zu wohnen

Wangen / Lesedauer: 4 min

Die Kreisstraße zwischen Beutelsau und Kißlegg ist eine beliebte Rennstrecke für Motorradfahrer. Anwohner können den Krach nicht mehr ertragen und verlangen Besserungen.
Veröffentlicht:02.03.2018, 18:13

Von:
Artikel teilen:

Noch ist es ruhig entlang der K8007, jener Straße, die von Beutelsau über die Praßbergsteige nach Allewinden und weiter Richtung Kißlegg führt. Bald aber wird die Motorrad-Saison wieder losgehen – und vermutlich auch das, was die Anwohner „Rennen“ nennen. Schon seit vielen Jahren ersuchen sie laut eigener Angaben Behörden und Verwaltungen um Verbesserungen. Bei der jüngsten Ortschaftsratssitzung in Leupolz hat sich das Gremium voll und ganz hinter ihren Wunsch nach Normalität gestellt und nach „kreativen Ideen“ Ausschau gehalten.

Um es vorweg zu nehmen: „Wir haben nichts gegen Motorradfahrer“, sagt Georgia Mühleis, Anwohnerin der K8007 aus Allewinden, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Wenn da jemand mit der Harley vorbeischnettert, hat kein Mensch was dagegen.“ Es geht schließlich nicht um die „Schmetterer“. Es geht um jene, die auf der kurvigen und welligen Kreisstraße kräftig am Gas drehen und laut einigen Anwohnern oft mehrmals auf und ab oder gar illegale Rennen fahren. „Manchmal denken wir, wir wohnen am Nürburgring “, sagt Mühleis. Ein Zustand, der seit vielen Jahren anhält und zumindest bislang auf wenig Gehör stieß.

Es „gärt“ schon länger

Dass es schon lange „gärt“, bestätigte auch Ortsvorsteher Anton Sieber bei der jüngsten Ortschaftsratssitzung und seinem „Rückblick“: „Schon mein Vorgänger Josef Werder hat 2010 eine Verkehrsschau beantragt und damals eine Unterschriftenliste aus dem gesamten Gebiet beigelegt.“ Die Verkehrsschau kam. 2010 und laut Sieber 2015 erneut. Ergeben habe sich, so Sieber, dass die „Sicherheit dort gewährleistet“ sei – mit Ausnahme der Praßbergsteige, an der in der Folge (auch einiger Unfälle) ein Leitplanken-Schutz angebracht wurde. Die „Rennen“ aber blieben – und damit auch die Wut der Anwohner, die sich nicht gehört und verstanden fühlen.

Einer dieser Anwohner ist Steffen Kauper . Er wohnt in Hintersaamen, ist also nicht „direkter“ Anlieger, sondern einer, der von der kleinen Nebenstrecke auf die Praßbergsteige ab- und einbiegen muss, wenn er in Richtung Beutelsau oder Allewinden möchte. „Wir machen das in der Zwischenzeit so, dass wir vorne an der Straße anhalten, das Autofenster öffnen und hören, ob etwas den Berg herauf kommt, weil die Sicht allein nicht reicht“, erzählt er am Rande der Ortschaftsratssitzung.

Ebenso berichtet er von zahlreichen „Fast-Unfällen“, Schrammen am Auto wegen Ausweichens und einem Spaziergang, „bei dem mir fast der Kinderwagen aus der Hand rausgeblasen wurde“. Einiges davon habe er auch der Polizei gemeldet. Im vergangenen Sommer hat sich Kauper an einem sonnigen Sonntag die Mühe gemacht, drei Stunden an der K8007 die Motorradfahrten zu zählen. Auf 512 ist er gekommen. Auch er sagt: „Das Problem sind nicht die Motorräder insgesamt, sondern die ,Rennfahrer.’“

Dass dem so ist, bestreitet im Ortschaftsrat Leupolz niemand. Nahezu jeder kann von eigenen Erfahrungen und Ereignissen berichten. „Es gibt jetzt auch die Autokameraden“, sagt Ortschaftsrat Dietmar Mergenthaler: „Auch ein Ferrari macht die Runde.“ Laut Ortsvorsteher Anton Sieber steht eine neue Verkehrsschau im April an. Das Dilemma aus seiner Sicht: „Die typischen Voraussetzungen für eine Veränderung haben wir nicht.“ Dazu gehören seiner Aussage zufolge beispielsweise Straßenschäden, fehlende Schilder oder Unübersichtlichkeiten.

Die Stadt habe einen „Runden Tisch“ ins Gespräch gebracht, an dem sich Sprecher der Anwohner, Ordnungsamt und Oberbürgermeister zusammensetzen und Gedanken machen wollen, wie man in der Sache weiterkomme, erklärt Sieber. Auch dafür wollte sich das Ortschaftsrats-Gremium in seiner jüngsten Sitzung mit Argumenten rüsten – und darüber hinaus überlegen, was sonst noch getan werden könne.

Schild, Sperrung oder Tempolimit

Die Vorschläge reichten von einem an die Vernunft appellierenden Schild am Treffpunkt der „Rennfahrer“ an der Argenbrücke Beutelsau über einen Rad-/Gehweg, Geschwindigkeitsbegrenzungen bis hin zum nicht von allen geteilten Wunsch, die Strecke am Wochenende für Motorräder zu sperren. Angesprochen wurde auch die Gefahr der Raserei für andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere der „schwächeren“ wie Schulkinder, Spaziergänger, Radfahrer (die K8007 ist Teil des Donau-Bodensee-Radweges) oder auch ältere Anwohner, die in ihre Grundstücke ein- und auspendeln müssen.

Ortschaftsrat Josef Müller schlug vor, die Geschehnisse zu dokumentieren und in Schriftform zu bringen, um die Dringlichkeit zu untermauern und besser wahrgenommen zu werden. Auf diese Idee ist auch Georgia Mühleis gekommen. Sie weiß von vielen „am Haus Vorbeikommenden“, die ihr schon von Beinahe-Unfällen berichtet, aber nicht bei Stadtverwaltung und Polizei angerufen haben. Ihre Geschichten möchte sie aufschreiben.

Und auch eine neue Unterschriftenaktion soll initiiert, der Druck gegenüber Verwaltungen und Behörden damit erhöht werden. Noch einmal wollen sich die lärm- und Raser geplagten Betroffenen nicht vertrösten lassen. Nicht noch einmal.