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Geldnot überschattet das Jubiläum

Pfullendorf / Lesedauer: 3 min

Das Werkstättle feiert 25-jähriges Bestehen – Ziel ist es, den Menschen Teilhabe am Leben zu geben
Veröffentlicht:20.10.2013, 20:39

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Im Zeichen des Metermaßes als Zeichen des Handwerklichen und der Rose als Symbol der Liebe haben Pfarrer Hermann Billmann, der am Sonntag erstmalig nach seinem Eintritt in den Ruhestand vor 18 Monaten wieder auf der Kanzel der Christuskirche stand, und Rüdiger Semet vor einem Vierteljahrhundert das Werkstättle gegründet. Damals aus dem „Backhäusle“, der Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Problemen, mit vier Mitarbeitern entstanden, entwickelte sich das Werkstättle in den vergangenen 25 Jahren zu einer ausgewachsenen Werkstatt, die derzeit 150 Menschen, denen aus unterschiedlichen Gründen der Weg auf den ersten Arbeitsmarkt versperrt ist, Beschäftigung bietet.

Damals wie heute ist die oberste Prämisse, den Menschen Arbeit und damit Teilhabe am Leben zu geben. „Wir versuchen, in Liebe tätig zu sein“, sagte Semet bei der Feierstunde beim Sonntagsgottesdienst in der Christuskirche. „Die Menschen, die zu uns kommen, haben Probleme, bei deren Bewältigung wir ihnen helfen wollen.“

Rüdiger Semet und die weiteren Vorstandsmitglieder des Werkstättles, Joseline Gräbner-Reutter und Thomas Spähler, ließen in einer Art Interview mit Pfarrer Hans Wirkner in aller Kürze die Geschichte der Einrichtung Revue passieren. Gestartet in einer leer stehenden Fabrikhalle im Neidling, zog man 1994 in den Neubau im Gewerbegebiet Goldäcker um, eröffnete neue Geschäftsfelder, damit die Menschen einer Aufgabe nachgehen können, die ihren Fähigkeiten entspricht. Man erlebte Höhen und Tiefen, baute als zusätzliches, finanziell attraktives Standbein die Abenteuergolf-Anlage und die Fußballgolf-Anlage und stand immer wieder vor großen Geldsorgen, so auch jetzt infolge von politisch gewollten Kürzungen bei den Fördergeldern.

„Es wird uns noch geben und wir hoffen, dass wir dann wieder besser unserem Anspruch des diakonischen Helfens gerecht werden können und nicht, wie jetzt, auf jeden Heller und Pfennig schauen müssen“, sagte Gräbner-Reutter. Gedacht wurde in diesem Zusammenhang auch der vor wenigen Tagen verstorbenen Gisela Franke, die nicht nur viele Jahre lang dem Verwaltungsrat der Einrichtung angehörte, sondern auch eine große Gönnerin des Werkstättles war und immer wieder mit finanziellen Zuwendungen einsprang, wenn die Not besonders groß war.

Kritische Worte zur schwierigen Situation des Werkstättles und deren Ursachen fand Billmann in seiner Predigt. Die wahre Liebe sei zur Ware Liebe verkommen. Das Wort Liebe sei verschlissen und Teil von Verkaufsstrategien geworden. Dabei sei Liebe, wie sie das Werkstättle den ausgegrenzten Menschen gebe, eine christliche Hauptaufgabe.

Landrat Dirk Gaerte verwies – nach dem von Wirkner verlesenen, ebenfalls nicht mit Kritik an den Kürzungen der Politik im sozialen Bereich sparenden Glückwunschschreiben der Dekanin Regine Klusmann – auf die Partnerschaft des Landkreises als Träger des Jobcenters mit dem Werkstättle. „Wir wollen mithelfen, dass die Menschen weiterhin gut untergebracht sind“, sagte er.

„Die Qualität der Gesellschaft sieht man daran, wie sie mit den Schwachen umgeht“, sagte Bürgermeister Thomas Kugler. Auch die Stadt sei Partner des Werkstättles, denn es seien Menschen aus der Stadt und der Region, denen geholfen wird. „Es gilt zu kämpfen“, sagte Kugler. „Wir stehen nach wie vor hinter dem Werkstättle, nicht nur ideell, sondern auch finanziell.“

Zuletzt ergriff Bert Geurten, der Initiator der Meßkircher Klosterstadt, das Wort. Er hob die gute und „sehr erfolgreiche“ Zusammenarbeit mit dem Werkstättle hervor, die zwischenzeitlich dazu geführt habe, dass sieben langzeitarbeitslose Menschen beim Klosterstadt-Projekt in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden konnten. „Ohne das Werkstättle wären wir noch nicht so weit gekommen“, sagte Geurten. „Die Behauptung, dass Langzeitarbeitslose faul sind, ist ein Gerücht.“

Eine besondere Ehrung erhielt Anita König. Ihr wurde für ihr Engagement das Kronenkreuz in Gold der Diakonie verliehen.