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Parkfriedhof

Mit Johannes Steinhauser auf dem Parkfriedhof

Wangen / Lesedauer: 4 min

Der Stadtführer informiert über die veränderte Bestattungskultur am Beispiel von St. Wolfgang in Wangen
Veröffentlicht:15.06.2018, 17:56

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Auf Einladung der Calendula-Hospizgruppe Wangen ist Johannes Steinhauser mit 25 Personen über den Friedhof St. Wolfgang gegangen. Die zwei Stunden standen unter dem Thema „Bestattungskultur im Wandel der Zeit“.

Wer trotz strömendem Regen mit dabei war, der konnte mit Johannes Steinhauser eine Führung durch 100  Jahre Geschichte des Friedhofs St. Wolfgang erleben. Als die Wangener 1913 den Alten Gottesacker wegen Platzmangels und der zunehmenden unruhigen Umgebung stilllegten, da hatte Gartenarchitekt Otto Berz in Stuttgart den Parkfriedhof St. Wolfgang angelegt. Obwohl auch dieser in der Tradition gläubiger Erinnerungspflege steht, so fand laut Steinhauser dennoch „keine totale Fortschreibung der Bestattungskultur des 16. bis ins 19. Jahrhundert statt“.

Ein Spiegel des 20. Jahrhunderts

Auf St. Wolfgang spiegeln sich laut Steinhauser „Glaube, Sozialstrukturen, Kunst und Handwerk des 20. Jahrhunderts“ wieder. Maler, Bildhauer, Kunstschmiede, Gärtner wie auch die Angehörigen der Verstorbenen „haben das Gesicht dieses Waldfriedhofes geprägt“. Die einhergehenden Veränderungen seien an den Grabsteinen ablesbar, sagte Steinhauser. Hätte einst der Jenseitsgedanke bei den Inschriften und Symbolen eine große Rolle gespielt und sei der Alte Gottesacker noch von der Dreifaltigkeit Gottes sowie von Maria auf den Epitaphien geprägt, so begegne man jetzt „eine Vielzahl von Themen der Heiligen Schrift“.

Kapelle wurde nie verwirklicht

Bevor es auf den Rundgang ging, erfuhren die Besucher etwas über die Konzeption des als Parkfriedhof angelegten Ortes mit seiner Ummauerung, dem Leichenhaus und der Läutekapelle, den Familien- und Einzelgräbern, dem Hochkreuz und den Heiligenhäuschen wie auch der geplanten, aber nicht verwirklichten Kapelle. Hier befinden sich heute die von Wolfgang Glöckler entworfenen drei Urnenzimmer „Feuer, Wasser und Erde“.

Interessant zu erfahren, dass die Begräbnis-Ordnung von 1913 vorschrieb, die Leichen nicht vor Ablauf von sechs Stunden nach Eintritt des Todes vom Sterbelager zu entfernen. Für Wöchnerinnen, die während oder unmittelbar nach der Entbindung starben, galt die Zwölf-Stunden-Regelung. Erst dann durften sie in die Leichenhalle gebracht werden. Mehr noch: Jeder Verstorbene musste bis zum Beerdigungstag bewacht werden, „damit sogleich Hilfe bei der Hand war, wenn irgendeine Lebensregung sich zeigen sollte.“

Auf dem Weg von der von Willi Blaser geschaffenen Pieta ging es zunächst links des Hauptweges an einer Reihe großer Gräber und Grabkapellen vorbei. Wie auf dem Alten Gottesacker, so liegen die Gräber der meist alteingesessenen Familien der Stadt direkt an der Mauer. Johannes Steinhauser benannte sie alle und gab detaillierte Erklärungen über den jeweiligen Stand und die Bedeutung innerhalb der Gesellschaft.

Als Beispiel soll hier das Grabmal der Familie Fakler genannt werden. Als Motiv für das Gemälde wurde der „Grablegechristus aus der Rochuskapelle“ gewählt. Josef Braun erweiterte das Bild zu einer Pieta und stellte die „Mater Dolorosa“ an die Seite des Leichnams Christi. Im krassen Gegensatz dazu ist dahinter eine liebliche Allgäulandschaft zu sehen. Sie verstärkt die Dramatik des Dargestellten. „Es findet hier statt, nicht weit weg in Jerusalem“, verdeutlichte Steinhauser.

Vorrang für Handwerkliches

Im weiteren Verlauf des Rundgangs machte der Sachkundige auf die von Werner Gürtner angefertigte Pieta als „Gedächtnis der Kriegstoten“ aufmerksam, ermöglichte den Gästen, die von Josef Braun im expressionistischen Stil gemalten Kreuzwegstationen auf sich einwirken zu lassen, ließ noch einmal Künstler Diether Domes zu Wort kommen, der bei der Einweihung zu seiner Steinskulptur auf dem Berghügel gesagt hatte, dass er „den Anonymen wieder ein Gesicht geben will“.

Mit Blick auf die kleinen Gräber, auf die Urnenbestattungen und das Rasengräberfeld sagte Steinhauser: „Man sieht an diesem Friedhof, wie sich die Gesellschaft verändert.“ Nicht ohne noch darauf hinzuweisen, dass von Beginn an keine industriell gefertigten Grabsteine aufgestellt werden sollten. Geschmiedeten, geschnitzten und besonders gestalteten steinernen Grabmalen wurde der Vorrang eingeräumt.