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Beim Boxclub wird viel Integrationsarbeit geleistet

Wangen / Lesedauer: 4 min

Zwei Drittel der 220 Mitglieder sind nichtdeutscher Herkunft – Festim Kryeziu ist sportliches Aushängeschild
Veröffentlicht:02.03.2017, 14:44

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80 Jahre wird der Boxclub Wangen (BCW) im kommenden Jahr alt. Trotz acht bewegter Jahrzehnte ist der Verein allerdings jung geblieben und hat sich den Herausforderungen der Zeit immer wieder gestellt. Zuletzt auch beim Flüchtlingssport der Wangener Vereinsgemeinschaft, aus dem heraus zehn Neumitglieder geblieben sind. Auch für sie gilt die beim BCW bestehende Regel: Pflichtsprache ist Deutsch. Was im Gegenzug laut Vorsitzendem Jürgen Rölli bedeutet: „Alle haben sehr schnell Deutsch gelernt.“

Profiboxer Festim Kryeziu ist ein Paradebeispiel dafür, was der Boxclub zu leisten vermochte und vermag: Mit fünf kam er als Flüchtlingskind und als jüngstes von fünf Geschwistern mit seiner Familie nach Deutschland, mit sieben schließlich – über die Stationen Karlsruhe und Weingarten – nach Wangen. Bruder Urim heuerte relativ schnell beim BC Wangen an – und nahm „den Kleinen“ schließlich mit. „Ich wollte immer ins Training, habe ständig gefragt: Wann ist wieder Boxen?“, erzählt der heute 25-Jährige über seine Anfänge.

Boxen schuf Selbstvertrauen

Jürgen Rölli erinnert sich noch an eine Autofahrt, als er den damals 13-jährigen nach Singen fuhr: „Schon damals sagte Festim: Ich will Profi werden. Ich will mit Boxen meine Familie ernähren.“ Der Boxclub, sagt Kryeziu, war mitsamt seinen persönlichen Förderern Rudi Bufler und Stefan Rölli seine zweite Heimat. Und auch, wenn es in der Schule nicht immer so ganz nach Plan lief, schuf das Boxen Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen.

Mit knapp 14 verletzte sich das junge Nachwuchstalent schließlich (beim Fußball!) am Sprunggelenk so schwer, dass er – damals kurz vor dem Sprung in die Nationalmannschaft – für zwei Jahre mit dem geliebten Sport aufhören musste: „Danach habe ich aber wieder losgelegt, bin mit 17 zu meinem Trainer Conny Mittermeier nach Stuttgart gezogen.“ Der Rest ist bekannt: 17 Profikämpfe seit 2010, 16 Siege, Deutschlands Nummer eins in der Superleichtgewichtsklasse.

Doch auch jenseits der bunten Profiboxwelt leistete der BC Wangen vieles: Russlanddeutsche sind in seinen Reihen, adipöse Kinder aus den Fachkliniken. Früher waren es auch verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche eines nahen Kinderheimes. „Der Respekt voreinander, der Respekt zwischen Sieger und Verlieren – das ist im Boxen oberstes Gebot“, erklärt Jürgen Rölli, von Beruf Polizist und für die SPD im Wangener Gemeinderat aktiv.

Entsprechend gibt es beim Boxen und speziell beim BCW klare Regeln. Jene beispielsweise, dass die Fäuste ausschließlich im Training oder im Wettkampf, nicht aber auf der Straße fliegen dürfen. Oder auch jene, dass Grüppchenbildungen nicht erwünscht sind – und entsprechend von den Verantwortlichen durch Umgestalten der Trainingsgruppen auch aufgelöst werden, um eine „Durchsetzung“ aller Nationalitäten hinzubekommen.

Gerade eben haben Rölli und seine Trainer Zbigniew „Sigi“ Wojcik, Leonid Badinger und Robert Behr die Gruppen die Trainingsgruppen wieder auf jeweils 20 Boxer am Montag und Donnerstag reduziert: „Die restlichen 20 kommen am Freitag und haben Gelegenheit, sich durch gutes Verhalten und gutes Training für die Gruppen zu empfehlen.“

Der Boxclub leistet aber auch auf anderer Ebene laut Rölli Schützenhilfe: „Wir haben auch Familien, die sich den Jahresbeitrag in Höhe von 50 Euro nicht leisten können.“ Nicht selten ist Rölli deshalb „zu Gast“ beim Landratsamt, das sozial schwächeren Familien entsprechende Unterstützung gewährt. Rölli: „Wir sehen schon auch unseren sozialen Auftrag.“

Teil des Flüchtlingssports

Für den BC Wangen war es deshalb auch „selbstverständlich“, Teil des Wangener Flüchtlingssports zu werden. Und: Er hat davon profitiert. Von den anfänglich 15 bis 20 Afghanen, Syrern und Gambiern sind zehn „hängengeblieben“ – und integriert. 220 Mitglieder zählt der BCW derzeit. Rölli: „65 Prozent sind nichtdeutscher Abstammung.“

2018 wird der Traditionsverein 80Jahre alt. „Es gibt Pläne, dieses Jubiläum gebührend zu würdigen“, sagt Rölli. Zuvor aber freut er sich gemeinsam mit seinem derzeitigen, sportlichen Aushängeschild Festim Kryeziu auf das Profiboxevent am kommenden Samstag, bei dem der BCW seinen ehemaligen Amateur „natürlich“ unterstützt. Hochkarätige Kämpfe, sagt Rölli, seien zu erwarten.

Hochkarätige Kämpfe vor einer hoffentlich mit 1200 Zuschauern voll besetzten Argensporthalle. Rund die Hälfte der Karten sind für die Abendkasse reserviert.