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Kiesabbau

„Wir wollen keine Grube bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag“

Vogt / Lesedauer: 11 min

Wie der Kiesabbau in Grund, die Asphaltmischanlage in Grenis und die Trinkwasserversorgung in Baienfurt und Baindt zusammenhängen, erklärt Walter Sieger vom Landratsamt Ravensburg.
Veröffentlicht:07.03.2018, 16:59

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Der geplante Kiesabbau im Vogter Teilort Grund erhitzt die Gemüter. Im Interview mit SZ-Redakteur Philipp Richter spricht der Leiter des Dezernats Kreisentwicklung, Wirtschaft und ländlicher Raum im Landratsamt Ravensburg, Walter Sieger, über die Zusammenhänge des avisierten Projekts – vom Abbau bis zur Trinkwasserdebatte in Baienfurt und Baindt. Der 64-Jährige erklärt, warum es in Grenis rechtlich einen Kiesabbau und eine Asphaltmischanlage über 2025 hinaus geben wird und warum ein Wassergutachten von Baienfurt und Baindt wichtig ist. Das Landratsamt ist Genehmigungsbehörde für den Kiesabbau und die Asphaltmischanlage.

Herr Sieger, am Standort Grund ist von 40 Metern Kies in der Tiefe die Rede. Es ist aber davon auszugehen, dass dort noch viel mehr Kies schlummert. Wenn ein Kiesabbau genehmigt wäre, kann man dann so tief baggern, wie man Kies findet?

Eine Prognose, ob es ginge oder nicht, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich. Der Kiesunternehmer stellt beim Genehmigungsverfahren einen Antrag auf eine ganz genau definierte Geometrie, was die Neigung der Hänge, Ausdehnung des Gebiets und so weiter anbelangt. Er darf sich nur in den genehmigten Grenzen bewegen. Wollte er tiefer gehen, müsste er einen neuen Antrag stellen, der frisch genehmigt werden müsste.

Eine grundsätzliche Frage, die immer wieder gestellt wird, lautet: Wie kommt man überhaupt auf die Fläche in Grund im Altdorfer Wald, obwohl sie als Ausschlussgebiet im Regionalplan festgehalten ist?

Bei der Suche nach kieshöffigen Standorten ist das Landratsamt nicht tangiert. Bei der Aufstellung des Teilregionalplans Rohstoffe von 2003 war der Kies in Grund noch nicht bekannt. Es gab keine Notwendigkeit der Exploration. Auf die Fläche in Grund kam der Kiesunternehmer selbst. Die Unternehmer schauen natürlich selber immer wieder nach Flächen – und Herr Dr. Mohr hat gebohrt und gefunden.

Immer wieder wird eine Verbindung vom Kies in Grund zur Asphaltmischanlage in Grenis gezogen, deren Genehmigung – gekoppelt an den Kiesabbau in Grenis – bis 2025 befristet ist. Wieso hat man diese Anlage 2013 genehmigt, obwohl man wusste, dass die Vorräte in Grenis zur Neige gehen?

Über allem, was den Kiesabbau betrifft, steht das Prinzip, dass so lange Kies an einem Standort abgebaut wird, wie Kies vorhanden ist. Das hat aus verkehrlichen, naturschutzrechtlichen und Landschaftsgründen durchaus Sinn. Obwohl wir diesen Grundsatz verfolgen, genehmigen wir Kiesabbau nur auf eine bestimmte Zeit. Dann steht in der Genehmigung: „Der Kiesabbau ist zu beenden ...“ Das hat den einfachen Grund, dass wir an diesem Zeitpunkt die Gelegenheit haben, eine neue Genehmigung auszusprechen. Eine neue Genehmigung, die dann neue Auflagen und neue Bedingungen beinhalten kann.

Beenden heißt aber aufhören.

Ich gebe an diesem Punkt zu, dass das schwer verständlich ist. Aber wenn wir reinschreiben würden, dass es irgendwie weitergehen wird, dann hätte jeder Genehmigungsempfänger das Recht auf eine weitere Genehmigung. Dieses Recht wollen wir ihm aber nicht einräumen. Das Ablaufdatum ist ein gewisses Druckmittel. Wir haben in den vergangenen Jahren beispielsweise die Regeln für Rekultivierung deutlich geändert gegenüber den Altgenehmigungen. Früher hat man gesagt: zuschütten, herstellen, fertig. Man hat keine naturschutzfachlichen Aspekte berücksichtigt. Heute haben wir moderne Rekultivierungsmöglichkeiten. Diese haben wir aber nur, wenn wir neu genehmigen.

Das heißt: 2025 geht ein komplett neuer Genehmigungsprozess für die Kiesgrube und die Asphaltmischanlage los?

Für den Kiesabbau ja, aber nicht für die Asphaltmischanlage, weil sie im Geleit zum Kiesabbau in Grenis arbeitet. Im Übrigen ist das Gerücht, dass Grenis ausgebeutet ist, nur ein Gerücht. Der genehmigte Standort in Grenis hat – Stand heute – noch 1,1 Millionen Kubikmeter Kies zur Verfügung. Die Option in Richtung Felder See hat weitere 400 000 Kubikmeter Kies. 100 000 Kubikmeter pro Jahr werden abgebaut.

Aufgerechnet müsste also in rund 15 Jahren Schluss sein.

Wenn in Grenis kein Kies mehr abgebaut werden kann, dann muss die Asphaltmischanlage woanders hin.

Auch wenn Grund kommt?

Grund wird eine eigenständige Genehmigung werden, die nicht an die Asphaltmischanlage Grenis gebunden ist. Das wäre Unsinn.

Kann es also sein, dass in 15 Jahren die Asphaltmischanlage wegmuss?

Oder früher oder später. Das ist Sache des Unternehmers.

Dann ist die Sache ja einfach: Der Kiesunternehmer fährt die Abbaumenge runter, und die Asphaltmischanlage bleibt ewig dort.

Jein. In unserer Genehmigung ist immer ein Abbauziel enthalten. Wenn er wesentlich davon abweicht, muss er begründen und von uns genehmigen lassen, weil wir keine Grube bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag wollen. Er darf nicht zu viel und nicht zu wenig abbauen. Das Landratsamt ist hier nicht steuernd, aber begleitend.

Ist denn eine Asphaltmischanlage in Grund ausgeschlossen, wenn sie in Grenis wegmuss?

Diese Frage hat noch niemand gestellt oder diskutiert. Aber von „ausgeschlossen“ kann an keinem Standort die Rede sein. In unserem Rechtssystem kann jeder an jedem Standort alles beantragen. Ob er sie genehmigt bekommt, ist eine andere Sache. Denn auch eine Asphaltmischanlage muss schlichtweg die jeweiligen Bedingungen erfüllen.

Warum brauchen wir Grund?

Diese Frage wird nicht im Landratsamt entschieden, die Vorsorgeplanung Kies wird ausschließlich vom Regionalverband gesteuert. Der hat den Überblick, wie groß die Reserven sind, wie lange sie halten und wann man dem gegensteuern muss, um für die Zivilgesellschaft den absolut notwendigen Rohstoff Kies zu sichern. Kies braucht man für den Bau und die Asphaltherstellung, und Asphalt ist kein Luxusprodukt für wenige Reiche, sondern für uns alle. In der Fortschreibung des Regionalplans sind viele weitere neue Kiesgebiete vorgesehen, ein Teil dieses großen Mosaiks ist Grund.

Wie sind Sie in diese Planung eingebunden?

Nicht wesentlich. Die Erarbeitung der Grundlagen macht der Regionalverband selbstständig. Wir sind natürlich in Gesprächen mit ihm, wenn es um unsere Belange geht – zum Beispiel Artenschutz, Grundwasser, Landschaftsbild –, dann werden wir gefragt, und der Regionalverband verarbeitet unsere Informationen.

Das sind alles Themen, die in der Kritik zu Grund immer wieder angesprochen werden: der Altdorfer Wald als Naturraum und Trinkwasserspeicher für Baienfurt und Baindt. Hat ein solcher Austausch schon stattgefunden?

Im Vorfeld des Zielabweichungsverfahrens gab es in diesem Bereich wenig Kontakte. Der Regionalverband betrachtet diese Belange durch eigene Gutachter. Das gilt nicht nur für das Thema Kies. Wir als Landratsamt werden dann wieder angehört, was wir von diesen Gutachten halten. Das ist ein Dialog.

Das heißt: Ein solcher Austausch kommt erst noch.

Das eigentliche Verfahren Regionalplan kommt noch. Der Regionalplan soll ja im Dezember in die Offenlage und die Anhörungsphase eingehen.

Heißt das, der Protest ist zu früh, weil die genaueren Untersuchungen, die gefordert werden, erst noch kommen werden?

Im Prinzip ja. Die Gelegenheit, Stellungnahmen, Bedenken und Vorschläge abzugeben, gibt es, wenn das Anhörungsverfahren gestartet ist. Das ist jetzt alles sehr früh, was natürlich durch das beantragte Zielabweichungsverfahren ausgelöst worden ist.

Wie hat sich das Landratsamt Ravensburg zum Zielabweichungsverfahren positioniert?

Der Grund für das Verfahren ist, dass man vom Ziel der Forstwirtschaft abweichen will. Dazu haben wir keine Stellung genommen, das macht das Regierungspräsidium als höhere Forstbehörde. Das Zielabweichungsverfahren fragt aber alle Träger öffentlicher Belange ab, ob es auf irgendeinem Sektor wie Artenschutz, Grundwasser oder Landschaftsbild ein Totschlagargument gegen diese Zielabweichung gibt. Wir haben aber keine wesentlichen Hinderungsgründe für einen Kiesabbau festgestellt. Wichtig ist, dass das nur ein Vorverfahren ist, was noch keine ausreichende Tiefe für eine Genehmigung hätte. Alle vier Belange – Grundwasser, Straße, Arten und Boden – haben aber dann, wenn es in ein tatsächliches Genehmigungsverfahren münden würde, weiteren Untersuchungs- und Klärungsbedarf.

Der Wasserzweckververband Baienfurt-Baindt lässt jetzt ein hydrogeologisches Gutachten erstellen, um Aufschluss über die Grundwassersituation zu bekommen. Ist das also umsonst?

Wir haben ein Wasserschutzgebiet, das vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) auf der Grundlage der vorhandenen hydrogeologischen Erkenntnisse, Kartierungen und Quellschüttungsmessungen bemessen wurde. Das LGRB kam zu dem Schluss, dass das Wasserschutzgebiet für die Trinkwassergewinnung in Weißenbronnen so ausreicht. Das LGRB und wir behaupten aber nicht, dass das Wasserschutzgebiet das tatsächliche Einzugsgebiet der Quelle umfasst. Da gibt es eine Wissenslücke. Es ist also durchaus legitim, mit einer weiteren Untersuchung diese Erkenntnisse zu gewinnen. Uns liegt auch ein Antrag des Zweckverbandes Wasserversorgung auf Neuausweisung des Schutzgebietes vor, dazu wären diese Untersuchungen eh notwendig.

Sie sprechen von einer Wissenslücke, betreffend das Einzugsgebiet der Quelle.

Das ausgewiesene Wasserschutzgebiet ist nach unserer heutigen, nach wie vor gültigen Erkenntnis ausreichend für den Schutz der Wasserversorgung. Es kann schon sein, dass das Einzugsgebiet größer ist, aber der abgegrenzte Einzugsbereich der Quelle, also der Bereich, in dem die Wassergewinnung stattfindet, ist durch das Schutzgebiet ausreichend groß, um den Schutz der Quelle zu garantieren.

Wird das Einzugsgebiet der Quelle im Genehmigungsverfahren noch mal untersucht?

Wenn es jetzt keine weitere Untersuchung gäbe, würden wir davon ausgehen, dass das Wasserschutzgebiet so richtig ist und die Kiesgewinnung außerhalb stattfindet. Also gibt es keine Ablehnungsgründe für den Kiesabbau. Wäre die Kiesgewinnung innerhalb des Wasserschutzgebietes, würden noch vertiefte Untersuchungen mit dem LGRB folgen. Klar ist aber: Der Schutz der Wasserversorgung steht über allem. Es gibt keine Nutzung, die die Wasserversorgung beeinträchtigen oder gefährden würde.

Welchen Einfluss wird das Gutachten, das Baienfurt und Baindt erstellen lassen, auf das Genehmigungsverfahren haben?

Das spielt ganz sicher mit rein, weil wir verpflichtet sind, alle verfügbaren Erkenntnisse in unseren Entscheidungsprozess reinzunehmen. Welche Rolle es spielt, lässt sich, bevor das Gutachten auf dem Tisch liegt, überhaupt nicht beantworten.

Wieso ist man überhaupt der Meinung gewesen, dass diese Kenntnisse ausreichen, um die Sicherheit für die Quelle Weißenbronnen zu bestimmen? Geologen sind der Auffassung, dass das zu wenig ist.

Das muss eigentlich unser Gebietsgeologe beantworten, der die Gegend in der Tiefe besser kennt als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Er war damals, und ist es heute noch, mit unseren Spezialisten der Meinung, dass der derzeitige Kenntnisstand zum Schutz der Quellen völlig ausreichend ist. Es wird ein mineralischer Rücken im Bereich der Landesstraße vermutet, der die unterirdischen Wassereinzugsgebiete nördlich und südlich der L 317 voneinander trennt.

Sie sprechen von „Verifizierung des Kenntnisstandes“, muss es hier nicht um den Ausschluss von Gefahren gehen?

Wenn ich mich unter der Erde bewege, habe ich nie den 100-prozentigen Kenntnisstand, wo genau was ist. Die Geologie des Altdorfer Waldes ist nicht ganz unbekannt. Wir haben ein Wissen über die eiszeitliche Geologie, alle diese Erkenntnisse fließen mit ein. Und der Geologe war der Meinung, wenn man an bestimmten Stellen bohrt und die Ergebnisse so sind, wie er vermutet, dann stimmt der Rest auch.

Im Landkreis gibt es viel Kiesabbau – zum Beispiel in Leutkirch sogar im Wasserschutzgebiet. Wie stellen Sie als Landratsamt die Wasserversorgung sicher?

Es ist absolute Lagersicherheit geboten, das heißt, es dürfen nur biologisch abbaubare Öle eingesetzt werden. Es wird genau untersucht, wo der höchste Grundwasserstand ist, von dem ein Sicherheitsabstand zur Abbausohle eingehalten werden muss. Aber auch im Nassabbau muss die Sohle unter Wasser genau festgelegt werden, um die Gefährdung absolut zu minimieren.

Was passiert mit einer Kiesgrube in Grund, wenn sie ausgebeutet ist?

Das ist eine Frage des Genehmigungsverfahrens, dort wird das festgelegt. Stand heute gehe ich am Standort Grund davon aus, dass man die Topografie und Morphologie durch Wiederverfüllung wiederherstellen muss – mit geeignetem, sauberem Material.

Mit was?

Mit Baugrubenaushub aus Gegenden, die nicht belastet sind. Zum Beispiel, wenn irgendwo ein Wohngebiet entsteht und Erde übrig ist. Dann kommt eine durchwurzelbare, organische Oberschicht darauf, die je nach Standort durchaus zwei Meter betragen kann. Und dann kommt die klare Wiederbegrünung durch Wald. In der Leutkircher Heide wird man aber eher landwirtschaftliche Flächen herstellen. Das ist an jedem Standort unterschiedlich.