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Protest

Hitzige Kontroverse um den Kies

Vogt / Lesedauer: 8 min

Informationsabend bringt hitzige Debatten, aber wenig Annäherung zwischen Gegnern und Befürwortern
Veröffentlicht:20.06.2017, 17:56

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Die Gletscher haben vor langer Zeit in Oberschwaben Kies hinterlassen. Und der sorgt nun für hitzige Diskussionen : In Grenis zwischen Vogt und Amtzell sollen Kiesabbau und Asphaltherstellung fortgeführt werden, in der Nähe des Vogter Teilorts Grund soll ein weiterer Standort für Kiesabbau kommen. Anwohner protestieren dagegen, weil sie nicht noch mehr Lärm und Gestank wollen. Eine Interessensgemeinschaft hat 400 Unterschriften gegen die Vorhaben gesammelt. Bei einem Informationsabend am Montag setzten sich auf Initiative von Bürgermeister Peter Smigoc rund 300 Bürger mit Vertretern von Landratsamt, Regionalverband und Kieswerk auseinander. Drei Stunden wurde erklärt und diskutiert, die Stimmung war teilweise fast aggressiv. Die „Schwäbische Zeitung“ fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.

Was geschieht derzeit an den Anlagen in Grenis?

Es gibt dort zwei Anlagen: Das Kieswerk und eine Asphaltmischanlage . Das Kieswerk wird betrieben von der Firma Meichle und Mohr mit Sitz in Immenstaad. Betreiber der Asphaltmischanlage ist Strabag. Meichle und Mohr beliefert die Asphaltmischanlage mit dem geförderten Kies. In der Anlage wird damit Asphalt hergestellt, der zum Beispiel für den Bau von Straßen oder Gebäuden verwendet wird.

Was ist künftig geplant?

Im Regionalplan, der unter anderem die Versorgung der Region mit Rohstoffen sicherstellen soll, ist ein zusätzliches, rund elf Hektar großes Kiesabbaugebiet in der Nähe des Vogter Teilorts Grund vorgesehen. Der Kies von dort – aus heutiger Sicht rund 120 000 Tonnen pro Jahr – soll mit Lastwagen zur Asphaltmischanlage in Grenis transportiert werden. Der Standort Grenis soll in westliche Richtung erweitert werden. Die Planungen stehen noch am Anfang, beschlossen ist noch nichts. Die Vorbereitungszeit für das neue Abbaugebiet würde rund zwei Jahre dauern, sagte Wilfried Franke , Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben . Um die Planung zu beschleunigen, wird das Vorhaben in Grund als vorgezogenes Verfahren behandelt – abgekoppelt von der Fortschreibung des Regionalplans.

Warum soll ein zusätzliches Kiesabbaugebiet kommen?

„Mit Kies und Sand aus unserer Region wird halb Baden-Württemberg versorgt“, so Franke. Das Kiesvorkommen sei hier sehr hoch, dafür gebe es in anderen Regionen andere Rohstoffe, die wiederum nach Oberschwaben geliefert werden. Angesichts eines prognostizierten Bevölkerungswachstums und der benötigten Infrastruktur sei der Bedarf an Kies und Asphalt auch künftig hoch. „Die heute genehmigten Abbau-Vorräte reichen noch fünf bis sechs Jahre“, sagte er. Deshalb müsse man weitere Abbaugebiete ausweisen. Leider könne man nicht immer vermeiden, dass es dadurch zu Belastungen der Anwohner komme. „Den Anwohnern ist es zu viel, den Kiesfirmen ist es zu wenig“, so Franke. Und Rolf Mohr von der Firma Meichle und Mohr ergänzte: „Den Bedarf verursachen wir alle. Jeder von uns möchte Straßen, Freizeiteinrichtungen und Wohnraum haben.“ Mohr erklärte außerdem, dass das Material im Abbaugebiet Grenis vermehrt sandig werde. „Uns fehlen die Steine, und die könnten wir aus Grund bekommen.“

Welche Strecke sollen die Laster fahren, die den Kies von Grund nach Grenis transportieren und mit wie vielen Lkw muss man rechnen?

Diese Frage interessierte viele Anwesende. Kritik wurde laut, dass die Verkehrsbelastung bereits jetzt zu hoch sei. Laut Rolf Mohr ist geplant, zwei Lkw einzusetzen, die jeweils neunmal zwischen den beiden Standorten hin- und herfahren. Die geplante Fahrtroute führe über Wassers und Vogt nach Grenis, Fahrten durch Grund seien für Lkw nicht machbar. Er würde außerdem gerne die Möglichkeit prüfen lassen, ob man einen Feldweg ausbauen könne, dann müssten die Laster nicht durch Wassers fahren. Durch die vorgesehenen Lkw-Fahrten würden die Richtwerte für Lärm und Staub nicht überschritten, so Mohr.

Darf im Altdorfer Wald bei Grund überhaupt Kies abgebaut werden?

Dazu erklärte Matthias Schappert von der Forstdirektion, dass Wald befristet umgenutzt werden könne, wenn ein öffentliches Interesse vorliege. Im vorgesehenen Gebiet sei ein Abbau sinnvoll, da ein großes Kiesvorkommen vorliege und die darüber liegende Erdschicht eher dünn sei. Im betreffenden Waldstück würden außerdem keine Biotope und Tierkorridore liegen, es sei auch als Naherholungsgebiet nicht sehr frequentiert. Nach dem Kiesabbau könne die Kiesgrube wieder zu Wald umgewandelt werden.

Wie lange laufen die Genehmigungen für Kiesabbau und Mischanlage?

Die Interessensgemeinschaft kritisiert, dass der Kiesabbau über eine festgelegte Befristung hinaus fortgeführt und erweitert werden soll. Die Genehmigung für den Kiesabbau in Grenis läuft derzeit bis 31. Dezember 2025. Nach den aktuellen Plänen soll dieser Zeitraum verlängert werden. Die Asphaltmischanlage, die seit 2013 steht, ist bezüglich ihrer Laufzeit an den Kiesabbau in Grenis gebunden.

Bruno Werner von Kreit wirft den Verantwortlichen „geschickte Lenkung“ vor, die Befristung soll aus seiner Sicht ausgehebelt werden. In der Genehmigung stehe, ein weiterer Betrieb der Asphaltmischanlage über die Zeit des Kiesabbaus hinaus, sei „nicht akzeptabel“. „Ich weiß, dass das für die Bürger schwer verständlich ist, wenn erst eine Befristung festgelegt wird und es nachher trotzdem weitergeht“, sagte Walter Sieger vom Landratsamt, dessen Behörde solche Genehmigungen erteilt. Er erklärte, dass Genehmigungen für Kiesabbau immer befristet für 15 Jahre ausgestellt würden, damit nach dieser Zeit die Möglichkeit bestehe, Rahmenbedingungen wie Grundwasserschutz und Verkehrsaufkommen zu kontrollieren. In der Regel werde dann auf Antrag des Betreibers eine Folgegenehmigung erteilt, da es „gesellschaftspolitischer Unsinn“ wäre, eine Kiesgrube, die noch genutzt werden kann, zu renaturieren, um dann eventuell an einem anderen Standort eine neue aufzubauen. Auch für die Betreiber sei ein Zeitraum von 15 Jahren nicht wirtschaftlich. Die Formulierung „nicht akzeptabel“ habe man gewählt, um Betreibern von solchen Anlagen klar zu signalisieren, dass nach endgültigem Auslauf der Genehmigung keinerlei weitere Aktivitäten möglich seien. Die Reaktion der Interessensgemeinschaft habe ihm gezeigt, dass solche bürokratischen Formulierungen von Bürgern missverstanden werden könnten, so Sieger, er werde künftig andere Formulierungen wählen.

Hätte vor dem Bau des Asphaltmischwerks die Bevölkerung informiert werden müssen?

Ein Anwohner aus Abraham kritisierte, man sei damals über den Bau des Werks und die möglichen Lärm- und Geruchsbelastungen nicht informiert worden. Dafür erhielt er starken Applaus. Walter Sieger vom Landratsamt sagt dazu, dass es für den Bau solcher Anlagen umfangreiche Genehmigungsprozesse gebe, um sicherzustellen, dass zum Beispiel Umweltbelange und Grenzwerte für Lärm eingehalten werden. Eine Information der Anwohner sei nicht zwingend vorgeschrieben, seine Behörde empfehle dies jedoch dem Betreiber. Letztlich entscheide aber dieser, wie er dies handhaben wolle.

Entstehen bei der Asphaltherstellung gesundheitsschädigende Stoffe?

Eine Bürgerin berichtete, sie kenne drei unmittelbare Anwohner des Asphaltmischwerks, die an Krebs erkrankt seien. Die Menschen in der Nachbarschaft der Anlage seien „massiv beeinträchtigt“. Rolf Mohr sagte, in solchen Anlagen werde heutzutage nicht mehr mit Teer, der krebserregende Substanzen enthalte, sondern mit Bitumen gearbeitet. Dieses Material sei nicht krebserregend . Er warf der Interessensgemeinschaft vor, ein „bewusstes Geschäft mit der Angst“ zu machen. Walter Sieger ergänzte, dass ein unabhängiges Institut einmal jährlich Messwerte an der Anlage überprüfe. „Diese lagen bisher immer bei einem Viertel oder einem Drittel des Grenzwertes“.

Ist der Mindestabstand zwischen der Asphaltmischanlage und den benachbarten Häusern eingehalten?

Bei mehreren Wortmeldungen wurde kritisiert, die Mindestabstände seien nicht eingehalten, die Anlage stehe zu nahe an Wohnhäusern. Dazu sagte Walter Sieger vom Landratsamt, dass es hierfür keine expliziten Abstandsregelungen gebe, der Schutz der Anwohner werde über den Immissionsschutz geregelt. Das heißt, dass vor dem Bau individuell kontrolliert werden muss, ob durch die Anlage am geplanten Standort die Grenzwerte für Lärm- und Geruchsbelästigungen überschritten werden. Beim geplanten neuen Kiesabbaugebiet wiederum gebe es einen festgelegten Mindestabstand zur Wohnbebauung, sagte Wilfried Franke, dieser betrage 300 Meter.

Amtzeller Rat will Asphaltwerk besuchen

Amtzells Bürgermeister Clemens Moll konnte bei der Informationsveranstaltung am Montagabend in Vogt nicht dabei sein, will aber zusammen mit dem Amtzeller Gemeinderat das Asphaltwerk in Vogt besuchen. Dazu habe er bereits Kontakt mit der Geschäftsführung aufgenommen und eine positive Rückmeldung erhalten. Amtzells Bürgermeister erhofft sich durch den Besuch ein besseres Bild der Lage vor Ort zu machen. Dies gab er in der Sitzung des gemeinsamen Ausschusses der Verwaltungsgemeinschaft Wangen, Achberg und Amtzell bekannt. Gleichzeitig lud er Interessierte aus dem Wangener Rat ein sich anzuschließen.

Vorschlag: weiteres Werk bauen

Wangens Oberbürgermeister Michael Lang begrüßte das Vorhaben. „Wir sollten uns im Rahmen der Regionalplanänderung überlegen, wie wir zur Verlängerung stehen“, sagte Lang. Er wünsche sich, dass die betroffenen Kommunen einen gemeinsamen Standpunkt finden, so Lang weiter.

Achbergs Bürgermeister Johannes Aschauer machte den Vorschlag ein weiteres Werk direkt oben im Grund zu bauen um Transporte zu vermeiden. „Die stellen schließlich das Hauptproblem dar“, sagte Aschauer. (jasc)

Alle Unterlagen, die beim Informationsabend präsentiert wurden, sind eingestellt auf

www.vogt.de

Die Unterlagen, die im Planungsausschuss des Regionalverbands vorgestellt wurden, können auf der Homepage des Regionalverbands eingesehen werden:

www.rvbo.de unter Sitzungen, Planungsausschuss 05.04.2017. Die Einsichtnahme ist auch im Rathaus Vogt möglich (Flur vor Zimmer 5, Erdgeschoss).