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Dieselskandal

„Umweltprämie“: Der PR-Gag der Autokonzerne

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Verbraucherschützer kritisieren die Umtauschprämien für alte Dieselfahrzeuge
Veröffentlicht:11.08.2017, 19:22

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Unter der Überschrift „Umwelt- und Zukunftsprogramm“ stellte der Autobauer Volkswagen seine sogenannte „Umweltprämie“ von bis zu 10 000 Euro in dieser Woche vor. Auch BMW will mit einer Prämie die „Weichen für die Zukunft der Mobilität“ stellen. Alte Dieselautos sollen weg, neue her. Doch lohnen sich die Prämien für die Kunden überhaupt?

Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nennt die Prämienoffensive der Automobilhersteller einen „PR-Gag“, um den Umsatz anzukurbeln. „Die Industrie will den Verbraucher für dumm verkaufen“, sagt er. Die Automobilhersteller hätten anstatt dieser „Prämienwut“ auch die rund 6,4 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland mit der entsprechenden Hardware für rund 1500 Euro pro Fahrzeug umrüsten können. Eine „sogenannte Umweltprämie“ für einen VW Touareg, der in der Anschaffung 140 000 Euro koste, müsse schon hinterfragt werden, so Buttler.

Hersteller gehen unterschiedlich vor

Die Autohersteller wollen nach Ansicht der Verbraucherschützer damit aber wohl auch versuchen, ihren durch den Dieselskandal ramponierten Ruf wieder aufzubessern. Sie gehen dabei allerdings unterschiedlich vor: Volkswagen zahlt die Umtauschprämie nur, wenn ein altes Dieselfahrzeug mit der Abgasnorm Euro-4 oder älter verschrottet wird, Daimler und BMW nehmen Euro-4-Autos aber auch noch in Zahlung. „Eine Umweltprämie sollte schon dazu dienen, die Umwelt zu schonen“, sagt Buttler: „Da bringt es nichts, die alten Autos dann ins Ausland zu verkaufen.“

Ähnlich sieht das auch der ADAC , der nicht rät, einen Euro-6-Diesel zu kaufen. Für Verbraucher seien die Vergünstigungen der Autohersteller zwar interessant, der Neuwagenkäufer sollte aber genau darauf achten, ob das Gesamtangebot stimmt und der Restwert seines Altfahrzeuges angemessen berücksichtigt wurde. Beurteilungen der einzelnen Prämienangebote nimmt der ADAC zudem nicht vor. Ob sich eine Neuanschaffung für den Verbraucher, aber auch für die Umwelt am Ende lohnt, hänge vom Einzelfall ab, so ein Sprecher des ADAC auf Nachfrage.

„Kauf eines Euro-6-Diesels nicht empfehlen“

„Solange die im Schnitt 50 Mal mehr Stickoxide ausstoßen als ein Benziner, kann man den Kauf eines Euro-6-Diesel nicht empfehlen“, warnt auch Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die DUH treibt seit Beginn des Dieselskandals über eigene Abgasmessungen und Klagen die Autoindustrie vor sich her und hat erst vor wenigen Wochen ein Urteil vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erstritten, nach denen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge möglich sind, um die Luft rein zu halten.

Schadstoffarme neue Fahrzeuge würden jedoch grundsätzlich helfen, die Bilanz aufzubessern. Allerdings muss gegengerechnet werden, dass nach Berechnungen des Umweltbundesamtes bei der Herstellung neuer Fahrzeuge und Entsorgung alter Fahrzeuge auch Kohlendioxid-Emissionen anfallen – und zwar zwischen 15 und 20 Prozent aller Emissionen eines Autolebens. Der Rest des Kohlendioxids aber werde während des Betriebs ausgestoßen.

Umweltbonus der Bundesregierung

Zur Förderung der umweltfreundlichen Antriebsarten hat die Bundesregierung einen Umweltbonus von 3000 Euro für Hybrid- und 4000 Euro für E-Autos in Aussicht gestellt. Dieser staatliche Bonus gilt zusätzlich zu den Prämien der Hersteller, die den Umstieg auf alternative Antriebsarten auch mit einer Zukunftsprämie fördern wollen.

Ein Fallbeispiel: Will ein Kunde seinen Euro-3-Diesel los werden und sich einen neuen Euro-6-Diesel kaufen, erhält er eine Umweltprämie von 5000 Euro. Entscheidet er sich für einen e-Golf im Wert von rund 37 000 Euro, kann noch eine Zukunftsprämie des Herstellers von 2380 Euro dazu kommen. Durch den staatlichen Umweltbonus für ein E-Auto erhöht sich die Förderung auf insgesamt 11 380 Euro. Der normale Diesel-Pkw würde rund 30 000 Euro kosten.

Rabattaktionen ab sofort beim jeweiligen Vertragshändler

Daimler bietet für Diesel-Pkw der Euro-1- bis Euro-4-Norm eine Umtauschprämie von 2000 Euro, wenn man noch in diesem Jahr einen neuen Mercedes kauft; für einen neuen Smart Electric Drive gibt es 1000 Euro. Als Neuwagen gelten alle Diesel-Pkw der Euro-6-Norm sowie Plug-In-Hybride und die Smart-Electric-Drive-Modelle. Die Prämie kann mit dem staatlichen Umweltbonus kombiniert werden. Die Diesel-Gebrauchtfahrzeuge, die mindestens sechs Monate auf den Kunden zugelassen sein müssen, können in Zahlung gegeben werden. Die Höhe des Wertausgleichs legt ein unabhängiges Institut fest.

BWM zahlt beim Kauf eines BMW- oder Mini-Neuwagens eine Umtauschprämie von 2000 Euro für Diesel-Pkw der Euro-4-Norm oder älter. Die Voraussetzung: Der Neuwagen ist ein Elektroauto (BMW i3), ein Plug-In-Hybrid oder ein Neufahrzeug mit Euro-6-Norm mit einem Kohlendioxid-Wert von maximal 130 Gramm pro Kilometer. Die Prämie gibt es bei allen BMW-Händlern und gilt zusätzlich zum staatlichen Umweltbonus beim Kauf von Elektrofahrzeugen. Die in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagen werden nicht automatisch verschrottet. Der BMW-Händler entscheidet, was mit dem alten Diesel-Pkw passiert.

Audi zahlt für Diesel-Pkw der EU1- bis Euro-4-Norm eine Prämie, die sich am Modell des Neuwagens orientiert. Sie variiert zwischen 3000 und 7000 Euro. Wird der Gebrauchtwagen vom Händler in Zahlung genommen, entfällt die Prämie. Handelt es sich beim Neuwagen um einen Plug-In-Hybrid oder ein mit Erdgas betriebenes Modell, erhöht sich die Prämie. Den staatlichen Umweltbonus für den Kauf von elektrischen Fahrzeugen gibt es zusätzlich. Als Neuwagen gelten auch Audi-Gebrauchtwagen. Je nach Alter und Zustand des neuen Fahrzeugs reduziert sich auch die Umtauschprämie.

Volkswagen bietet für Diesel-Pkw der Euro-1- bis Euro-4-Norm eine Umwelt- und eine Zukunftsprämie. Die Umweltprämie variiert je nach Modell zwischen 2000 (für den Kleinwagen up!) und 10 000 Euro (für einen Touareg). Der Neuwagen muss die Euro-6-Norm oder einen alternativen Antrieb haben. Für alternative Antriebsarten gilt zusätzlich eine Zukunftsprämie. Für den Erdgasantrieb gibt es 1000, für Hybrid 1785 und für Elektro 2380 Euro. Der staatliche Kaufbonus für Elektroautos gilt extra. Eine Inzahlungnahme des gebrauchten Diesel-Pkw wird nicht angeboten, die Pkw werden verschrottet.