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Enteignungsverfahren

Streit um Gehweg mündet in Enteignungsverfahren

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Stadt Ravensburg und Ortschaft Schmalegg können sich mit einem Grundstückseigentümer nicht über einen Verkaufspreis einigen
Veröffentlicht:12.02.2016, 10:45

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Der Bau eines Radwegs an der Ostseite der Straße, die unterhalb von Kirche, Schule und Rathaus in Schmalegg entlang führen soll, steht schon seit vielen Jahren weit oben auf der Wunschliste des Ortschaftsrats. 2015 wurde das Vorhaben endlich in den Haushaltsplan aufgenommen. Jetzt soll ein Enteignungsverfahren für einen baldigen Baubeginn 2016 sorgen.

„Wir haben lange Grundstücksverhandlungen geführt, zunächst mit einer Erbengemeinschaft, zuletzt mit einer Einzelperson, in deren Eigentum sich das fragliche Grundstück befindet. Aber die Preisvorstellungen beider Parteien liegen so weit auseinander, dass wir keine andere Möglichkeit mehr sehen als ein Enteignungsverfahren einzuleiten“, sagt dazu der Ravensburger Kämmerer Gerhard Engele. Nach dem Ortschaftsrat hat nun auch der Gemeinderat dieser Vorgehensweise zugestimmt.

Kommunen greifen äußerst selten zu diesem Rechtsmittel, welches das Regierungspräsidium vollziehen muss. Sollte die übergeordnete Behörde dem Antrag der Stadt auf Enteignung zustimmen, sieht das Verfahren noch eine mündliche Anhörung vor. Wenn es auch dann zu keiner Einigung kommt, kann das Regierungspräsidium die Enteignung verfügen und grünes Licht geben zum Bau des Geh- und Radwegs. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür hat die Stadt bereits vor Jahren geschaffen, indem sie einen inzwischen rechtsgültigen Bebauungsplan verabschiedet hat.

„Gegen die Enteignung hat der Grundstückseigentümer zwar noch eine Klagemöglichkeit. Aber da es in diesem Fall nur um die Höhe des Kaufpreises geht, hätte eine solche Klage keine aufschiebende Wirkung. Wir könnten sofort mit dem Bau beginnen“, erklärte Engele gegenüber der SZ.

Er sieht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Enteignung als gegeben an: „Das öffentliche Interesse liegt hier eindeutig über dem Privatinteresse einer Einzelperson. Gemeinwohl geht über Eigentumsrecht.“ Es besteht zwar bereits ein Gehweg auf der Westseite der Straße. Aber er führt über eine mehrstufige Treppe unterhalb der Kirche. Wer einen Kinderwagen oder Rollator schiebt, kann ihn daher nicht benutzen. Außerdem führt die Straße zur Sammelstelle für Grünmüll. Gartenbesitzer, die ihre Grünabfälle mit Schubkarren oder Handwagen anliefern, sind gezwungen, auf die Fahrbahn auszuweichen.

Seit die drei Mehrfamilienhäser bezogen sind, für die das ehemalige Gasthaus „Zum Kreuz“ weichen musste, ist das Verkehrsaufkommen auf diesem Straßenabschnitt deutlich gestiegen.

Der Grundstücksstreit hat im Übrigen eine lange Vorgeschichte. Die damaligen Wirtsleute hatten zu Beginn der 1980-er Jahre einen Grundstücksverkauf an die Stadt verweigert, weil sie darüber verärgert waren, dass an die Ringgenburghalle eine Gaststätte angegliedert wurde. Die Halle wurde an einer anderen Stelle gebaut. Es blieb eine Grünfläche, die einen freien Blick auf Kirche, Schule, Rathaus – und bis vor kurzem auch auf das historische Dorfgasthaus gewährte. Einige Jahre später veräußerten die Erben der Wirtsleute das Grundstück an einen privaten Bauträger. Mit ihm verständigte sich die Stadt auf einen Grundstückstausch, so dass der größte Teil der Dorfwiese inzwischen in städtischem Besitz ist.

Als für viele Schmalegger überraschend der historische Dorfgasthof von der Denkmalliste genommen worden war und Ortschafts- wie Gemeinderat den Weg frei gemacht hatten für einen Abriss und den Bau von drei Mehrfamilienhäusern mit Eigentumswohnungen, keimte neue Hoffnung, dass man sich über den Bau des lange ersehnten Geh- und Radwegs gütlich einigen könnte. Aber offensichtlich waren die Fronten so verhärtet, dass Ortschaft und Stadt keinen anderen Ausweg mehr sahen, als zum letzten Mittel eines Enteignungsverfahrens zu greifen. Der Stadtkämmerer bemüht dazu ein altes Sprichwort: „Die Gegenseite wollte nicht nur den Spatz in der Hand, sondern auch noch die Taube auf dem Dach. Wir sind nicht bereit, beides zu geben.“