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Amok-Fehlalarme

Schulen sollen keine Festungen werden

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

„Runder Tisch“ arbeitet Amok-Fehlalarme in Ravensburg auf
Veröffentlicht:27.11.2014, 18:07

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Die Schulen in Ravensburg sollen nicht zu aufwendig abgesicherten Festungen ausgebaut werden. Die Verantwortlichen wollen vielmehr die Alarmtechnik kritisch überprüfen und im Zweifelsfall eher „abrüsten“. Auf diesen Konsens haben sich alle Teilnehmer eines „Runden Tisches“ verständigt, den die Verwaltung nach einer Häufung von Amok-Fehlalarmen in Stadt und Kreis einberufen hat.

Zuletzt hatten die Fehlalarme in Wilhelmsdorf im Oktober und an den Ravensburger Gymnasien am 13. November (die „Schwäbische Zeitung“ berichtete) Großeinsätze der Polizei ausgelöst und Rektoren, Schüler, Lehrer und Eltern in Aufregung versetzt.

Mit dem „Runden Tisch“ hat am Mittwoch die sachliche Aufbereitung der Vorfälle begonnen. Das städtische Schulamt und das Amt für Gebäudemanagement haben alle Beteiligten zusammengerufen: Schulleiter, Polizei, Elternvertreter und Mitarbeiter der psychologischen Beratungsstelle, die nach den Fehlalarmen zahlreiche Kinder intensiv betreuen mussten.

„Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Noch mehr Technik wäre definitiv der falsche Weg, zumal Schulen sich in ihren Konzepten zunehmend als offene Bereiche verstehen. Darüber waren wir uns einig, nachdem die Emotionen wieder ein Stück weit raus sind“, sagt Karlheinz Beck , Leiter des städtischen Schulamtes, zu den ersten Ergebnissen.

Emotionen hatte es zuvor reichlich gegeben. Besonders für die Schüler der fünften Klassen an den Gymnasien sei die psychische Belastung während der Polizeieinsätze enorm gewesen, berichten Eltern, Lehrer und Psychologen. 200 Polizisten waren vor Ort, denn im Falle eines Amokalarms läuft ein detailliert geplantes „Programm“ ab. Die Schule wird von schwer bewaffneten Einheiten vom Keller bis zum Dach durchsucht, derweil müssen sich Lehrer mit ihren Schülern in den Klassenzimmern verbarrikadieren.

Alle Beteiligten haben sich vorbildlich verhalten, und doch bleiben viele Fragen offen. „Die Häufung dieser Vorfälle ist es, die uns große Sorgen macht“, sagt Beck. Denn: Enormen psychischem Stress der jüngeren Schüler steht eine zunehmend lässige Haltung der älteren Jahrgäng gegenüber, die diese Alarme schon nicht mehr ernst nehmen.

Der „Runde Tisch“ hat deshalb verschiedene Hausaufgaben verteilt, bevor sich alle Beteiligten Anfang Januar wieder treffen. Darum geht es: Gemeinsam will man zum einen prüfen, ob es an den Schulen zu viele „Auslösestellen“ für den Alarm gibt. Bisher sind es in der Regel drei Stellen, an denen theoretisch jeder, der einen Schlüssel hat, den Notruf absetzen kann. Ein Großteil der Fehlalarme in Ravensburg wurde in den vergangenen Monaten denn auch versehentlich ausgelöst - zum Teil auch außerhalb der Schulzeiten, beispielsweise durch Putzkräfte. „Wir überlegen, wie wir diese Auslössetellen besser schützen, vielleicht auch reduzieren können. Dazu stellt sich die Frage neu, wer überhaupt einen Schlüssel haben sollte“, sagt Beck.

Der zweite Prüfauftrag betrifft die Technik. „Das große Rätsel ist für uns, was diesen jüngsten Fehlalarm ausgelöst hat. Denn menschliches Fehlverhalten ist im Fall Spohn ausgeschlossen“, so die Stadt. Ein Test der Anlage aber hat ergeben, dass auch diese einwandfrei funktioniert. Beck: „Wir werden jetzt minutiös jede einzelne Leitung noch einmal überprüfen. Wüssten wir die Ursache, hätte ich ein viel besseres Gefühl.“ Zwischen 60 und 90 Sekunden lang war der Alarm am Spohn angesprungen und hatte sich dann selbst wieder abgeschaltet.

Die Polizei will parallel prüfen, ob die über den gesamten Einsatz ununterbrochen laufende Warnung der eingeschlossenen Schüler per automatischer Lautsprecherdurchsage nicht schneller abgeschaltet werden kann. „Man kann sich vorstellen, was das für eine Nervenbelastung ist“, so Karlheinz Beck. Wie massiv muss das Auftreten der Sicherheitskräfte routinemäßig sein? Auch diese Frage wird die Polizei nach den Vorfällen von Ravensburg in den nächsten Wochen noch intensiv beschäftigten.