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Brandanschlag

Prozess: Brandanschlag sei „spaßig gemeint“ gewesen

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Nach Brandanschlag in einer Flüchtlingsunterkunft in Reute stehen zwei Männer vor Gericht
Veröffentlicht:02.09.2016, 14:58

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Vor dem Amtsgericht Ravensburg müssen sich derzeit zwei Männer im Alter von 24 und 28 Jahren wegen des Vorwurfs der schweren versuchten Brandstiftung sowie der Volksverhetzung verantworten. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg legt ihnen zur Last, am 10. Januar dieses Jahres Feuerwerksraketen in eine Flüchtlingsunterkunft in Reute bei Bad Waldsee geworfen zu haben sowie rechtes Gedankengut zu kolportieren und zu unterstützen.

Eigentlich scheint die Sache zunächst relativ klar zu sein: Zwei junge Männer – Cousins, aus der Bodybuilderszene, dem Alkohol nicht abgeneigt – fühlten sich nach eigenen Angaben durch „Köln“, durch „Frust“ und dadurch „was man alles über den IS mitkriegt“ einer diffusen Angst ausgesetzt und wollten den Asylbewerbern in einer Flüchtlingsunterkunft in Reute einmal einen gehörigen Schrecken einjagen. „Abschreckung“ nennt es der Ältere der beiden. Der Jüngere gibt vor Gericht an, es sei „spaßig gemeint“ gewesen, als er zum Motiv für die Tat befragt wird.

Unter dem Codewort „Mission Rocket“ hatten sich die beiden schon Tage vorher zu dieser Tat verabredet, was Smartphone-Chats zwischen den Cousins eindeutig belegen. Unstrittig ist, und das geben beide vor Gericht auch zu, dass sie sich am Sonntagabend des 10. Januars gegen 22 Uhr dem Containerheim in Reute näherten und durch ein gekipptes Fenster im Erdgeschoss zwei brennende Feuerwerksraketen in eines der Zimmer warfen. Anschließend rannten sie lachend davon. Die Raketen verursachten Sachschäden an Bettlaken, Matratze und Linoleumboden aber vor allem erschreckten sie den dort sitzenden syrischen Flüchtling zu Tode.

„Ich habe Krieg erlebt“, sagt der 56-jährige Syrer im Zeugenstand, dass er unter massiven Herzproblemen leide und er anschließend zwei Nächte habe im Krankenhaus verbringen müssen.

Im Laufe der Verhandlung, die ursprünglich nur auf einen Tag angesetzt worden war, wird klar, dass sich offenbar beide Männer schon seit Jahren der rechten Szene zugehörig fühlen und der Brandanschlag auf die Asylbewerberunterkunft nur die Spitze eines Eisbergs sein könnte. Während der Verhandlung verliest Richter Ehrmann immer wieder Facebook-Posts und Auszüge aus Chats. So habe der 28-jährige, gelernte Maler und Lackierer mutmaßlich bereits im Jahr 2014 auf den Facebook-Seiten der Esslinger und der Überlinger Moscheen Hasskommentare hinterlassen wie „Abschaum“ und „das Volk wird euch zur Strecke bringen und ich werde dabei sein“. Außerdem habe er wohl versucht, eine scharfe Waffe, eine Uzi samt Munition, für etwa 3000 Euro zu kaufen, wirft ihm der Staatsanwalt vor.

Rechte Parolen

Auf dem Smartphone des 24-jährigen ungelernten Arbeiters stellten die Fahnder der Kriminalpolizei Fotos und Kommentare (in einem Gruppenchat der sich „Widerstand Schwaben“ nennt) sicher, die an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten sind: „Chipsfrisch – Arisch“ oder „Flüchtlinge, ihr wollt Rechte? – Hier sind wir“ sowie ein Foto, das ihn beim Hitlergruß zeigt sind noch die harmlosesten Auszüge. Auf die Frage des Staatsanwaltes „Sie sagen, Sie haben nicht generell eine rechtsextreme Einstellung?“ antwortet der 24-Jährige ohne Schulabschluss: „Kleine Mädchen anfassen, das machen die Asylanten, das hört man“.

Beiden Angeklagten haben ihre Anwälte offensichtlich angeraten, sich bei dem Opfer aus dem Asylbewerberheim zu entschuldigen. Das tut der 28-Jährige, der bereits seit Mai 2016 in Untersuchungshaft sitzt und mit Fußfesseln gesichert ist, rechnet jedoch ganz augenscheinlich nicht damit, dass das Opfer ihn anspricht und nach dem „Warum?“ fragt. „Es war nicht persönlich gegen Sie“, entgegnet der 28-Jährige. Sein 24-jähriger Cousin liefert ein vielleicht einstudiertes „Es tut mir sehr leid, ich hab ein sehr schlechtes Gewissen“ ab.

Die Verhandlung wird am 13. September um 13 Uhr in öffentlicher Sitzung fortgesetzt. Bis dahin wollen die drei Anwälte mit ihren beiden Angeklagten „die neuen Erkenntnisse besprechen“. Außerdem wollen sie sich ein Bild davon verschaffen, was die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft beim Landeskriminalamt Stuttgart während der vergangenen Monate unter dem Aspekt der Volksverhetzung ermittelt hat.