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Rechtspopulismus

Migration, Rechtspopulismus, Glyphosat: Das sagen die EU-Kandidaten aus der Region

Ravensburg / Lesedauer: 7 min

Sechs Kandidaten, sechs Parteien – und spannende Fragen unserer Leser. So antworteten die regionalen Kandidaten fürs EU-Parlament im Medienhaus der „Schwäbischen Zeitung“ in Ravensburg.
Veröffentlicht:17.05.2019, 18:00

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Vom 23. bis 26. Mai wählen über 60 Millionen Europäer ein neues EU-Parlament. In Deutschland stimmen die Menschen am kommenden Sonntag ab.

Sechs Kandidaten aus der Region, Vertreter von CDU, SPD , FDP, Linke, AfD und den Grünen hatten die Einladung der „Schwäbischen Zeitung“ zur “Langen Nacht der Kandidaten“ im Medienhaus Ravensburg angenommen.

Nach der Begrüßung der Gäste und Kandidaten durch Chefredakteur Henrik Groth stellten sich die Politiker im Live-Chat vonSchwäbische.deden Fragen der Leserinnen und Leser zu Europa .

Den gesamten Livechat im Original in der Nachlese finden Sie am Ende dieses Artikels

Migration,Klimawandel, Glyphosat und Europas Zukunft

Im Fokus standen Themen von Migration über Klimawandel bis Glyphosat , Rechtspopulismus und die Zukunft der europäischen Idee an sich.

Bei Schwäbisch Media diskutieren Wähler mit den Kandidaten zur Europawahl.

machte den Anfang. Auf die Frage, ob Europa mit den Dramen im Mittelmeer nicht seine Menschlichkeit verlieren würde, fand der Stuttgarter deutliche Worte.

Es muss eine Möglichkeit der geregelten Migration nach Europa geben.

Michael Bloss, Grüne

Bloss nannte es „eine Schande“, dass Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken würden, weil es keine „Möglichkeit der geregelten Migration nach Europa“ gebe.

Auf die Frage, warum man im Kampf gegen den Klimawandel nicht auf CO2-arme Kernenergie setzen würde, meinte Bloss, dass bereits „erneuerbare Technologien“ bereitstünden.

Windenergie aus der Nordsee könne unter einem Cent pro Kilowattstunde  kosten. „Das reicht, um eine tragfähige Energiewende zu schaffen“, so Bloss.

Wie geht Europa mit dem Rechtspopulismus um?

Eine brisante Frage wurde den Kandidaten im Medienhaus von mehreren Besuchern gestellt und auch unter den Zusendungen per Mail wollten einige Leser und Leserinnen wissen: Wie lautet die Antwort der EU auf den Rechtspopulismus in vielen Ländern Europas?

Die beste Antwort ist die Liebe zu Europa.

Andreas Glück, FDP

„Diese Frage scheint viele Menschen umzutreiben“, bestätigte Andreas Glück von der FDP und wurde emotional. Die beste Antwort auf den aufkeimenden Rechtspopulismus sei „die Liebe zu Europa“.

Bei Schwäbisch Media diskutieren Wähler mit den Kandidaten zur Europawahl. Chefredakteur Hendrik Groth (3.v.r.) moderiert.

Man müsse sich gemeinsam „um Dinge kümmern wie gemeinsames Asylrecht , ein gemeinsames Einwanderungsgesetz - dann nehmen wir den Populisten den Wind aus Segeln“, erklärte der Landtagsabgeordnete aus Münsingen.

Auf den Hinweis, dass die EU immer wieder in wichtigen Entscheidungen von dem Prinzip der Einstimmigkeit ausgebremst würde und das Mehrheitsprinzip doch sinnvoller sei, bestätigte Glück, dass dies in der Tat ein Problem sei.

Mehrheitsentscheide statt nur Einstimmigkeit

Wenn es beispielsweise um Fragen wie der Position der EU zu Libyen gehe, „dann kann es nicht sein, dass einzelne EU-Mitglieder verhindern können, dass die EU mit einer Stimme spricht“, so Glück.

„Wir sollten daher vom Einstimmigkeitsprinzip in vielen Bereichen wegkommen und Mehrheitsentscheiden den Weg ebnen.“

Spannend wurde es beim Thema Glyphosat . Eine Leserin konfrontierte Glück mit der Tatsache, dass wegen möglicher Gesundheitsschäden durch das Pflanzenschutzgift in den USA erfolgreich prozessiert werde, die EU den Einsatz des umstrittenen Mittels aber für weitere fünf Jahre erlaubt hat.

Verwunderung über Uneinigkeit der Wissenschaftler bei Glyphosat

„Solche Dinge wie Glyphosat gehören genau kontrolliert. Für mich ist es absolut erstaunlich, wie sich die Wissenschaft da streitet“, meinte der FDP-Politiker.

Er könne die Gefahren durch Glyphosat selbst schwer beurteilen. Wenn es belastbare Beweise für die Schädlichkeit gebe, müsse man „man auch mal die Hände von bestimmten Mitteln lassen“.

Der aktuelle Aktionismus wundere ihn aber sehr. „Und ganz nebenbei: Den Zeitpunkt der Klagen in den USA finde ich interessant. Gerade kurz nach der Übernahme von Monsanto durch Bayer.“

Es ist doch ein Witz, dass Kapitalspekulanten nur 25 Prozent Kapitalertragssteuer zahlen müssen.

Aus einer Leser-Zuschrift

Matthias Lamprecht von der SPD bezog gleich mal Position zur Finanztransaktionssteuer .

„Es ist doch ein Witz, dass Kapitalspekulanten nur 25 Prozent Kapitalertragssteuer zahlen müssen“, hatte ein Leser moniert.

Sobald man eine entsprechende Mehrheit dafür habe, komme die Finanztransaktionssteuer, meinte der promovierte Physiker, der auch für den Ulmer Gemeinderat kandidiert. „Ansonsten kann ich Ihnen nur zustimmen. Wir wollen die gleiche Besteuerung von Arbeit und Kapital.“

Eine Frage, die ebenfalls viele Menschen umtreibt, ist Deutschlands Rolle als Nettozahler , das mehr einzahlt, als es ausbezahlt bekommt.

Und dennoch heiße es, Deutschland profitiere von der EU – wie passt das zusammen?, wollte ein Leser wissen.

Wir bekommen auch viel Geld durch Exporte in andere europäische Länder zurück.

Matthias Lamprecht, SPD

Das sei in der Tat kein Widerspruch, antwortete SPD-Kandidat Lamprecht und erklärte.

„In der Betrachtung von Nettozahlungen zahlen wir tatsächlich viel Geld. Aber wir bekommen auch viel Geld durch Exporte in andere europäische Länder zurück. Den Erlös davon sieht man am Ende in den Exportüberschüssen.“

Norbert Lins von der CDU musste ebenfalls die Frage nach der Glyphosat -Zulassung beantworten, nachdem es sein Fraktionskollege Christian Schmidt war, damals CSU-Landwirtschaftsminister, der Ende 2017 für einen Eklat gesorgt hatte, als er entgegen der Absprache mit SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks für den Einsatz von Glyphosat gestimmt hatte.

Keine plausiblen Gründe gegen Glyphosat

Es gebe „keine plausiblen Gründe“, eine Wiederzulassung nicht zu erlauben, verteidigte der Verwaltungsfachmann aus Pfullendorf das damalige Votum . „Jetzt sind die entsprechenden Mittel bis zu einem neuen Stichtag in der EU zugelassen.“

CDU-Mann Lins verwies zudem darauf, dass Glyphosat auch in den USA weiterhin erlaubt sei, „auch wenn einzelne Gerichte solche Schadenersatzurteile fällen“.

Er selbst habe beide Seiten berücksichtigt und weitere Studien angefordert.

Ein Leser erklärte, er fände es schön für seine Kinder, „wenn es eines Tages ein vereinigtes, föderales Europa geben würde, einen europäischen Bundesstaat “. Sei das nur eine Vision oder möglicherweise das Happy End der europäischen Integration?

Bleibt ein föderales Europa, ein europäischer Bundesstaat, nur eine Vision?

Aus einer Leser-Zuschrift

„Ja, das könnte wirklich am Ende der EU-Integration stehen“, meinte Lins. „Aber das bleibt noch lange Zeit eine Vision.“ Bis dahin sei es noch ein weiter Weg. „Ich selbst kann es mir am Ende aber vorstellen.“

Mit Blick auf die Fluchtbewegung aus Afrika nach Europa wollte ein Leser wissen, ob Europa die Grenzen verstärken müsse oder wie man mit der Herausforderung umgehen wolle.

Wie geht Europa mit Migration um?

Rebecca Weißbrodt von der AfD plädierte für „eine Antragstellung vor Ort für Asylfälle “. Dadurch könnten auch Menschen Anträge stellen, die gar nicht aus Krisenländern fliehen könnten.

Antragstellung vor Ort ist das deshalb das Humanste für alle.

Rebecca Weißbrodt, AfD

„Oft können nur junge starke Männer fliehen, Antragstellung vor Ort ist das deshalb das Humanste für alle“ und würde zudem Mehrfachanträge in Deutschland unterbinden.

Der Frage, was die EU wegen des Klimawandels unternehme, wich die Steuerfachangestellte aus Biberach aus und verwies auf den Streit um Dieselfahrverbote und Schadstoffmesswerte.

Vom Klimawandel zur Diesel-Debatte

„Dieselautos dürfen hier in Deutschland nicht fahren, in anderen Ländern aber schon. Da muss bessere Abstimmung her, da darf Deutschland nicht EU-Vorreiter sein auf Kosten der eigenen Wirtschaft.“

Zum Abschluss des Live-Chats vonSchwäbische.deging Heidi Scharf, Europa-Kandidatin der Linken , auf den Vorwurf ein, Deutschland sei nur der Zahlmeister Europas.

Es sei richtig, dass Deutschland Nettozahler sei, so Scharf, aber man bekomme „zugleich jede Menge Subventionen zurück. Zum Beispiel in der Landwirtschaft oder für Kommunen im Klimaschutz .“

Es gibt da keine Gewinner oder Verlierer.

Heidi Scharf, Die Linke

Allein im Raum Sigmaringen gebe es aktuell fünf von der EU finanzierte Projekte. „Es gibt da also keine Gewinner oder Verlierer. Dieses Spiel ist EU-weit ziemlich ausgewogen.“

Mit der Frage nach der Finanztransaktionssteuer traf man bei Scharf wenig überraschend einen Punkt. „Wir fordern diese Steuer schon lange“, betonte sie. „Spekulative Gewinne müssen versteuert werden.“

Die Einführung einer solchen Steuer auf Kapitalgewinne wie etwa aus dem Aktienhandel sei aber nur mit einer Mehrheit zu schaffen.

„Bis jetzt haben wir es nicht durchsetzen können. Aber es bleibt immerhin in der Diskussion.“ Die Menschen hätten nun sprichwörtlich die Wahl, dieses Vorhaben zu beschleunigen.