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Ortsausgang

Lecker - Das Miller’s gehört ins Zentrum

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Wo isst man am besten? Unser Gastrokritiker Erich Nyffeneger war wieder unterwegs. Diesmal im Miller’s am Stadtrand von Ravensburg.
Veröffentlicht:05.10.2018, 16:18

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Niemand kann damit rechnen, wenn er am Ortsausgang einer Stadt – noch dazu aus Sicht von Fußgängern nicht besonders günstig gelegen – ein Lokal betritt, eine der besten französischen Zwiebelsuppen seines Lebens zu bekommen. Doch dann steht sie plötzlich dampfend auf dem Tisch, der aus grobem Holz besteht. Damit passt das Möbel wunderbar ins Konzept des Miller’s in Ravensburg, einer Art Tages-Café-Restaurant-Einrichtungshaus. Denn hier kann – neben einem wirklich bemerkenswert guten Espresso und liebevoll bereiteten Speisen – alles gekauft werden, was nicht niet- und nagelfest ist.

Dem Zeitgeist gemäß hat das Lokal viel nobel Abgewetztes zu bieten. Die Einrichtung besitzt – wenn auch nur eine künstliche – Patina. Absichtlich Gealtertes aus Holz, Metall und Kunststoff verbreitet den Charme des Shabby Chic, der davon lebt, liebenswürdig angeschrammt zu wirken. Auf eine heimelige Art unperfekt, alles nostalgisch verklärend.

Weder gealtert oder gar angeschrammt präsentieren sich die beiden Damen im Service, für die Gastronomie ganz offenkundig kein Job, sondern eine Herzensangelegenheit ist. Der achtsame Umgang mit dem Gast bleibt dabei wohltuend unaufdringlich. Das Miller’s versteht sich als Tageslokal, wobei der Tag morgens um acht mit Frühstück beginnt. Mittags entfaltet dann die kleine Auswahl warmer Speisen ihre kulinarische Wirkung. Viel steht zwar nicht auf der Karte, aber durch den wöchentlichen Wechsel, der durchaus saisonal bedingt ist, bildet die Küche sehr schön den jahreszeitlichen Verlauf am Gaumen ab. Wobei der Koch sich um die geographische Verankerung seiner Mahlzeiten überhaupt nicht schert, wie sich an diesem Tag offenbart: Da kommen nämlich Einflüsse aus Frankreich, Italien, Großbritannien und Asien zum Vorschein.

Ein Dessert, das in die Jahreszeit passt: Zwetschgencrumble mit Mandeln und einer Kugel Eis.

Zu besagter Zwiebelsuppe gibt es zu vermelden, dass der Sud durchdrungen ist von den massenhaft feingewürfelten Zwiebeln, duftig verbunden mit einer charaktervollen Brühe. Neckisch schwimmen zwei Brotscheiben darin, veredelt mit geschmolzenem Käse, begrünt von Schnittlauch und Lauchstreifen. Die Suppe ist so intensiv, dass sie – ein wenig abgebunden – sogar als Soße durchgehen würde. Der Geschmack lebt von einer gut ausgewogenen Aromatik aus kerniger Brühe und der leicht süßlichen Frucht der Zwiebeln. Gibt’s in Paris auch nicht besser.

Das Risotto schwächelt

Mit dem kleinen Superfood-Salat folgt ein knackig-grüner Kontrast, der im Dressing die Fruchtigkeit von Mango mit der angedeuteten Bitterkeit verschiedener Kräuter verbindet. Rettichsprossen, junger Spinat und Koriander lassen die Geschmacksnerven tanzen. Den Hauptgang bestreitet ein Risotto mit italienischem Taleggio. Dieser streng nach dem reifen Weichkäse duftende Teller lebt von seiner Üppigkeit. Gut dazu begleiten gegrilltes Gemüse, aus dem der Fenchel besonders hervorsticht, sowie Rindfleisch. Einziger Kritikpunkt: Mit einem kernigen Risotto hat das wenig zu tun – eher mit Reisbrei. Perfekt ist dann wieder das Dessert, ein Zwetschgencrumble – also eine Art Streuselnachtisch mit Mandeln. Auch für ihn gilt: Obwohl in Stadtrandlage serviert, hat er Zentrumsqualitäten. Wie das Miller’s insgesamt.