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Rutentheater

Kostüme lassen Kinder in andere Rollen schlüpfen

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Ruth Siessegger entwirft seit Jahren die Kleider fürs Rutentheater
Veröffentlicht:12.07.2018, 15:32

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Ruth Siessegger entwirft seit 20 Jahren die Kostüme fürs Rutentheater. „Ich bin keine Kostümbildnerin, sondern Gewandmeisterin“, erklärt sie. „Ein Kostümbildner plant ein optisches Konzept für Theaterstücke, Gewandmeister stellen Schnitte für Kostüme her.“ Dahinter steckt eine handwerkliche Ausbildung als Schneidermeister fürs Theater. Und genau diese hat sie an der Modeco in Zürich genossen.

Die Ausbildung zur Schneiderin hat sie in Baienfurt im Maßatelier Seibt erhalten. Es folgte die Gesellenzeit am Alten Schauspielhaus Stuttgart von 1992 bis 1995. Darauf baute sie eine zweijährige Zusatzausbildung zur Gewandmeisterin in Zürich auf.

Sie kehrte zurück nach Deutschland, zog in Schwäbisch Gmünd zu ihrem Freund und heutigen Ehemann Marcus. Gemeinsam mit Mechthild Scheinpflug und anderen Mitstreitern betrieb sie eine Atelierwerkstatt in Stuttgart. „An einem Novemberabend 1997 habe ich eine Aufführung der „Schuftnudeln“ besucht und traf Brian Lausund. Damals habe ich schon am Theater Ravensburg als Schneiderin gearbeitet. Er hat mich praktisch als Kostümfrau zum Rutentheater gebracht.“

Ein paar Jahre später, an einem Rutenmontag, wurde die erste Tochter Mona geboren. Da es ihren Ehemann beruflich in die Schweiz verschlug, lebt die Familie, inzwischen mit drei Kindern, in der Nähe des Zürichsees. Von hier aus arbeitet Ruth Siessegger freiberuflich fürs Theater Ravensburg und pendelt während den Produktionsphasen. Noch mit ein bis zwei Stücken ist sie dort als Gewandmeisterin im Einsatz.

Hauptberuflich arbeitet sie inzwischen mit 60 Prozent als Gewandmeisterin am Züricher Opernhaus. Da habe sie viel gelernt in sechs Spielzeiten. Ihr Spezialgebiet sind Anzüge für kräftige Herren bis Taille 150. „Da bin ich gelandet“, lacht sie. Es gab niemanden, der diese Schnitte konnte.

Aber zurück zum Rutentheater. Die Entwürfe fertigt sie zwischen November und Februar. Wenn das Stück sehr historisch ausgelegt ist, werden auch Kostüme abgepaust und koloriert. Je nach Bedarf wird frei gezeichnet. „Beim Zeichnen bin ich kein Superkünstler, aber man weiß, was gemeint ist“, gesteht sie augenzwinkernd.

Beim Blick in den Rutentheater-Fundus, in dem 3000 Kostüme vergangener Rutentheater hängen, strahlt die Gewandmeisterin. „Da ich zu Mechthild Scheinpflug immer einen guten Kontakt hatte, stieg auch sie schon vor Jahren ins Rutentheater mit ein. Sie schneidert die Kostüme mit einem Team von fünf bis acht Frauen, das Team ändert sich immer wieder. Eva Kollmar war zum Beispiel viele Jahre dabei. Ich vermisse sie sehr.“

Seit zwölf Jahren fertigt Ruth Siessegger „nur“ noch die Entwürfe, Kostüme näht sie höchstens für ein oder zwei Hauptfiguren oder einen Tanz. Seit zehn Jahren hat Mechthild Scheinpflug die Leitung der Kostümgruppe.

Entwürfe und die Materialbeschaffung sind Grundlagen der Arbeit der Kostümbildner. Durch ihre Arbeit am Opernhaus ist Ruth Siessegger immer auf aktuellem Stand, sie weiß, wo welche Materialien und Postenwaren zu beschaffen sind. Dieses Wissen ist für die Arbeit fürs Rutentheater ein echter Joker.

„Für die Arbeit beim Rutentheater bekomme ich eine Vergütung. Aber ich mache es, weil es mir so viel Freude bereitet. Für Kinder zu arbeiten ist so dankbar. Das ist im Opernhaus überhaupt nicht der Fall. Im Rutentheater sind so tolle Schauspieler, man sieht, wie diese Seelchen reifen und selbstbewusst werden.“ Die Kostüme seien perfekte Transporteure, um in andere Rollen zu schlüpfen.

Gerne erinnert sich Ruth Siessegger an ihr das erste Stück, den „Sommernachtstraum“. Aus dem kleinen Puck sei ein richtiger Schauspieler geworden, freut sie sich. Und auch ihr erstes Stück mit Regisseur Bodo Klose, „In 80 Tagen um die Welt“, ist ihr sehr präsent. Auch an die Zeit mit Berna Uythof, die viele Jahre das Rutenballett leitete, erinnert sie sich noch sehr gut. Wen sie auch nicht vergessen wird: „Dieter Kiderlen, sein Tod war ein ganz schwerer Verlust. Er hat mir hier die Werkstatt eingerichtet, dann den Fundus im Rutenfesthaus. Und er hat mir wichtige Kontakte vermittelt. Er hat uns wirklich sehr unterstützt.“